Gesundheit Bamberg - Sommer 2019
Porträt ihre Schwerhörigkeit so sehr, dass sie ein Hin- ter-dem-Ohr-Hörgerät benötigte. „Ich dachte, damit wären meine Probleme vollkommen ge- löst. Tatsächlich muss man damit das Hören teilweise neu lernen, und es dauert geraume Zeit und viele Besuche beim Hörakustiker, bis es auf die persönliche Hörkurve eingestellt ist.“ Auch wegen des aufwendigen Prozederes möchte die Bambergerin ihre jetzigen Hörhilfen noch möglichst lange tragen, obwohl diese die durchschnittliche Tragedauer von sieben Jah- ren bereits weit überschritten haben. Auch ihre Berufstätigkeit musste Sandra H. dem eingeschränkten Hörvermögen anpassen: Das Referendariat nach dem Ersten Staatsexa- men beendete sie vorzeitig. „Trotz der Hörgerä- te hatte ich große Probleme, die Kinder gut zu verstehen, und der ständige Geräuschpegel im Klassenzimmer strengte mich sehr an“, resü- miert sie rückblickend. „Allerdings habe ich bei der Schulleitung nie um Entlastung gebeten“, gesteht sie selbstkritisch ein. Heute arbeitet die 40-Jährige als Diplom-Psy- chologin und hält auch Lehrveranstaltungen an der Universität. Seit einiger Zeit versucht sie, den Umgang mit ihrer Schwerhörigkeit grundle- gend zu verändern. „Ich möchte es mir leichter machen und nicht länger für andere Normalität spielen. Niemand weiß, wie anstrengend es für mich mit Hörgerät ist, wenn wir mit der Clique unterwegs sind oder uns im Café Müller tref- fen.“ Den Studierenden in ihren Seminaren sagt sie mittlerweile sofort, dass sie schlecht hört, und auch der Antrag auf einen Behinder- tenausweis gehört zu der neuen selbstfürsorgli- chen Haltung. Mittlerweile wurde Sandra H. ein Grad der Behinderung von 50 und damit eine Schwerbehinderung zuerkannt. „Grundsätzlich wünsche ich mir, dass Menschen nachfragen, wie sie mich unterstützen können.“ Im Zusam- mensein mit ihr brauche niemand laut zu re- den, solle aber darauf achten, deutlich zu spre- chen und ihr dabei ins Gesicht zu schauen, be- tont sie. „Ich höre schlechter, wenn es dunkel ist,“ lächelt Sandra H., „weil ich zusätzlich von den Lippen ablese.“ „Grundsätzlich wünsche ich mir, dass Menschen nachfragen, wie sie mich unterstützen können.“ Aus ihrer Sicht werden Menschen mit Schwer- hörigkeit anders als zum Beispiel solche mit ei- ner starken Sehschwäche immer noch stigmati- siert. „Wer öfter nachfragt, gilt schnell als alt oder ein bisschen blöd.“ Trotz aller persönli- chen Einschränkungen, wie etwa bei Sauna- oder Schwimmbadbesuchen, die die empfindli- chen Hörgeräte schädigen könnten, empfindet die 40-Jährige ihr Leben als glücklich: „Ich habe noch keinen Tag erlebt, an dem ich mir meine Schwerhörigkeit weggewünscht habe.“ kb Kaum sichtbar sind die Hinter-dem-Ohr-Hörhilfen, mit denen Sandra H. ihren privaten und beruflichen Alltag stemmt – trotz ihrer mittelgradigen Schwerhörigkeit. 25
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