Gesundheit Bamberg - Winter 2019/2020
44 Interview Psychische Gesundheit. Es ist ein großes Glück für Kinder und Jugendliche, wenn psychische Störungen bei ihnen frühzeitig erkannt und behandelt werden. Diese These vertrat der Erlanger Kinderpsychiater Prof. Dr. Oliver Kratz in seinem Vortrag „Gestört, aber glücklich – Erfahrungen aus der Kinderpsychiatrie“ auf dem vierten Kongress der Gesundheitsregion plus Bamberg im November 2019. „ Gesundheit Bamberg “ fragt: Welche Idee steckt hinter dem provokanten Titel „Gestört, aber glücklich“? Prof. Kratz: Inspiriert hat mich das DJ-Duo ‚Gestört aber GeiL‘, das bei unseren ju- gendlichen Patientinnen und Patienten sehr beliebt ist. Der Begriff „gestört“ wird in der deutschen Sprache eher abwertend statt beschreibend verwendet. In unserer Kinder- und Jugendabteilung für Psychi - sche Gesundheit verstehen wir ihn hinge- gen wertneutral: Eine „Störung“ ist ledig- lich eine Beeinträchtigung, die durch eine Behandlung behoben werden kann. Woran ist zu erkennen, dass Kinder oder Jugendliche gestört sind? Häufig ist das Kind nicht einfach „gestört“, vielmehr fehlt es an der Passung zwischen Kind und Umgebung. Die Symptome kön- nen dann Signale sein, die auf dieses Miss - verhältnis aufmerksam machen, beispiels- weise das Abfallen der Schulleistungen oder der Konzentrationsfähigkeit, Auffällig - keiten der Stimmung oder des Verhaltens. Mit unserer Diagnostik schaffen wir ein In - nehalten, um zu schauen: Welches Pro- blem steckt wirklich dahinter? Ich will auf- zeigen: Es kann ein Glücksfall sein, wenn Erwachsene die Nöte des Kindes wahrneh- men und frühzeitig Hilfen suchen. Welche Altersgruppe behandeln Sie? Wir sehen in unserer Abteilung vor allem Schüler zwischen 6 und 19 Jahren, gegen- wärtig werden ca. 36 Kinder und Jugendli- che stationär und 25 in der Tagesklinik be- handelt. Die Behandlungsdauer liegt zwi- schen ein bis zwei Wochen und fünf Mona - ten. Gegen Ende der Behandlung sollte es den betroffenen Kindern möglich sein, in das „echte Leben“ zurückzukehren und sich den Herausforderungen dort wieder zu stellen. Was definieren Sie als leichte Störung? Diese erleben wir nicht selten bei Verände- rungen im Leben, z. B. nach der Einschu- Störung als Chance
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