Gesundheit Bamberg - Frühling 2021

20 Ich arbeite als Pflegekraft auf einer Intensivsta- tion mit Corona-Patienten und hatte immer gro- ßen Respekt vor der Krankheit. Ich habe viele Patienten gesehen – auch junge –, die sich drama- tisch verschlechtert haben. Dann habe ich selbst Corona bekom- men: Drei Tage hatte ich nur tro- ckenen Husten, dann über 40 Grad Fieber. Ich wurde immer schlaffer, vieles schmeckte bitter. Kurz vor Weihnachten 2020 saß ich nachts auf der Bettkante und wusste nicht, was mit mir passiert: Ich hörte Musik, die gar nicht da war. Weil meine Frau und ich im Krankenhaus arbei- ten, kam uns das bekannt vor und wir haben bei mir die Sauerstoffsättigung gemessen. Ich wollte nicht so lange warten, bis die totale Atemnot einsetzt. Mit dem „Fisch“, einer Yoga- haltung, habe ich versucht, die Lunge etwas zu weiten – keine Chance. Im Rettungswagen, der mich zum Erlanger Uni-Klinikum brachte, be- kam ich zwei Liter Sauerstoff pro Minute. Damit ging es mir gleich besser. Im CT sahen die Ärzte dann, dass meine Lunge schon zu 30 Prozent vom Virus angegriffen, also entzündet war. Eine „Was meine Kollegen geleistet haben, medizi- nisch und menschlich, war sagenhaft!“ Woche lang lag ich stationär, bekam weiterhin Sauerstoff, Antibiotika und Kortison. Meine Entzündungswerte waren sehr hoch. Ich hatte starke Hustenanfälle und es bestand die Ge- fahr, dass ich doch noch auf die Intensivstation muss – also als Patient in den Bereich, in dem ich eigentlich arbeite! Zum Glück kam es nicht so weit. Auch zwei Wochen nach der Entlassung fühle ich mich immer noch nicht voll belastbar. Mit regelmäßigen Spaziergängen versuche ich, das wieder aufzubauen. Was mich in der gan- zen Zeit sehr gerührt hat, war der Rückhalt durch meine Kollegen am Uni-Klinikum. Was die geleistet haben, medizinisch und menschlich, war sagenhaft! Die Krise hat uns als Team noch stärker zusammengeführt. Im vergangenen Sommer war ich mit meiner Frau bei Freunden im Saarland, obwohl wir sonst eigentlich nie um diese Zeit Urlaub machen. Aber es war schön und hat der Freundschaft gutgetan. Normalerweise flie- gen wir im Winter auf die Kanaren, das fiel diesmal aus. Am meisten fehlen uns aber un- sere regelmäßigen Saunabesuche und das Tanzen im Tanzkurs. Yoga können wir zum Glück online machen. Auch regelmäßige WhatsApp-Videoanrufe mit den Eltern und mit Freunden gehören jetzt dazu. Unsere Freundschaften hat das nicht instabiler ge- macht. Querdenker und Maskenverweigerer machen mich richtig fassungslos. Mittlerweile bin ich da aber ruhiger geworden. Ich steige nicht mehr in jede Diskussion ein und halte im wahrsten Sinne des Wortes Abstand. Gerald Hohmann, ehemaliger Corona-Patient, 53 Jahre Corona-Tagebuch

RkJQdWJsaXNoZXIy ODIyMTAw