Gesundheit Bamberg - Herbst 2021
20 Titel „Meine erste Stammzelltransplantation bekam ich 2017 in Hamburg, mit 27. Nach einem Drei- vierteljahr war ich wieder relativ fit. Aber dann versagte das Transplantat und ich brauchte im Februar 2019 zum zweiten Mal die Stammzel- len eines Spenders“, sagt Jessica R. Doch das fremde Immunsystem, das ihr mit dem Spen- derknochenmark übertragen wurde, griff ihren Organismus an. „Ich verlor enorm Gewicht und baute Muskeln ab. Ich konnte keine zehn Minu- ten mehr stehen“, berichtet die 30-Jährige. Sie kämpfte sich zurück – bis sie im Sommer 2021 das zweite Rezidiv ihrer akuten myeloischen Leukämie einholte. Wieder Chemotherapie, wieder wochenlang auf Station. Jessica R. war- tet nun auf ihre dritte Stammzelltransplantati- on. „Entweder ich gebe auf. Oder ich kämpfe weiter und mache das jetzt einfach“, sagt sie. Während sie spricht, sitzt sie an einem kleinen Esstisch in ihrem Patientenzimmer am Uni-Kli- nikum Erlangen; sie ist gerade fertig mit dem Abendessen. Sie trägt ein schwarzes, sportli- ches Top und eine Brille mit einem breiten brau- „Egal, wie schlimm es wird – jede Phase geht irgendwann vorbei.“ Jessica R. „Wenn der Kopf aufgibt, gibt auch der Körper auf“ „Selbstverständlich ruft eine Krebsdiagnose negative Gedanken und Gefühle hervor.“ Nina Stengel Psychoonkologie. Welche seelische Last eine Krebsdiagnose mit sich bringt, und warum „Denk positiv!“ nicht immer ein guter Rat ist. nen Rahmen. Ihre Haare hat Jessica R. durch die Chemotherapie erneut verloren. „Ich habe das schon zweimal geschafft und werde das auch noch ein drittes Mal überstehen“, sagt sie und lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie das kann. „Egal, wie schlimm es ist – alle Phasen gehen irgendwann vorbei. Schlech- te wie gute.“ Jessica R. wirkt stark, zuversicht- lich, entschlossen. „Es gibt aber keinen Verhaltenskodex für sol- che Situationen“, betont Psychoonkologin Nina Stengel, die Krebspatientinnen wie Jessica R. am Uni-Klinikum Erlangen betreut. „Jede Art, mit der Diagnose umzugehen, ist eine Art der Bewältigung. Manche Betroffene sind ver- zweifelt, wütend und weinen viel, können nicht schlafen oder essen. Andere erstarren und zie- hen sich zurück, wieder andere sind sehr kämp- ferisch“, sagt die Diplom-Psychologin. „Wir ar- beiten patientenorientiert und begegnen jeder und jedem Erkrankten da, wo sie oder er gerade steht. Wer mit mir nicht über seine Ängste spre- chen möchte, muss das nicht tun. Stattdessen will jemand vielleicht lieber wissen, wie er oder sie alles den Kindern oder der Chefin erklären soll.“ Nina Stengel und die anderen Psycho- onkologinnen und -onkologen der Psychosoma- tischen und Psychotherapeutischen Abteilung des Uni-Klinikums Erlangen begleiten Krebspa- tientinnen und -patienten, die das möchten,
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