Gesundheit erlangen - Winter 2017/2018

8 Titel Tiefgreifendes, vernetztes Den- ken braucht Ruhe – und es braucht Fokussierung. „Denk- prozesse werden heute aber oft zerstückelt“, sagt Prof. Dr. El- mar Gräßel, Gedächtnisfor- scher im Bereich Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie an der Psychiatri- schen und Psychotherapeuti- schen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen. „Wir werden oft unter- brochen und abgelenkt, das Handy klingelt, eine neue E-Mail poppt auf. Wir wollen viele Din- ge parallel erledigen. So können sich Inhalte nicht im Gedächtnis verankern.“ Denken läuft se- quenziell ab, das heißt: nachei- nander. Aber alle Anstrengung nützt wenig, wenn wir unserem Gehirn nicht die Gelegenheit ge- ben, einen Gedankengang zu Ende zu führen. Hat es das Gehirn im digitalen Informationszeitalter eigentlich schwerer als vor hundert Jah- ren? „Es gibt auf jeden Fall hö- here Anforderungen daran, Wissen auszuwählen und zu Bedrohung für die Denkleis- tung, sondern als Bereiche- rung. „Weil sie helfen, Wissen auszulagern und zu organisie- ren“, begründet er, und relati- viert: „Trotzdem ist auch Off- line-sein wichtig fürs Gehirn, besonders ein erholsamer Nachtschlaf.“ Wie leistungsfähig unser Geist ist, hängt grundlegend von fünf Faktoren ab: Wie intelligent sind wir? Werden wir geistig ausreichend gefördert? Sind wir motiviert? Sind wir ausdau- ernd und fleißig? Und: Haben wir einen förderlichen Lebens- stil? Optimieren wir alle fünf Bereiche, werden wir geistig fitter – mit Ausnahme der Intel - ligenz: „Die wird uns in den Ge- nen mitgegeben“, sagt Prof. Gräßel. Mindestens 40 dieser Intelligenz-Gene sind heute be- reits bekannt. Vor allem die fluide Intelligenz, also die Fähigkeit, in neuen, unbekannten Situationen flexi - bel zu reagieren, wird vererbt. Ich denke, also weiß ich? Ideen, die zünden, Erinnerungen, die schwinden: Unser Gehirn ist ein Supercomputer. Doch wir sollten nicht immer alles glau- ben, was es zu wissen vorgibt. Denken üben „Mindestens einmal am Tag sollten Sie sich an die Grenze Ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit brin- gen“, sagt Gedächtnisfor- scher Prof. Dr. Elmar Gräßel. strukturieren“, findet Prof. Grä - ßel. „Ich muss und kann heute nicht mehr alles wissen – auch wenn manche Menschen im- mer noch glauben, sie müssten funktionieren wie die Festplat- te ihres Computers. Was ich wissen sollte, ist: Welche Infor- mationen muss ich auf Abruf parat haben, und was kann ich nachschlagen? Und ich sollte natürlich wissen, wo ich Infor- mationen abgelegt habe oder wo ich suchen kann“, erklärt der Gedächtnisexperte. Computer, Smartphones und Apps sieht Prof. Gräßel nicht als

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