Gesundheit erlangen - Frühling 2019
34 Interview Suchtforschung. Ist das tägliche „Gläschen in Ehren“ ein erster Schritt in Richtung Abhän- gigkeit? Ein Gespräch mit Prof. Dr. Johan- nes Kornhuber, der als Direktor der Psychi- atrischen und Psychotherapeutischen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen intensiv zu Süchten und ihren Ursachen forscht. Aktuelle Studien belegen, dass auch geringe Mengen Alkohol unsere Le- benserwartung messbar verkürzen. Heißt das, nur Abstinenz ist gesund? Tatsächlich ist mittlerweile unbestritten, dass Alkohol grundsätzlich schädlich ist – sogar in geringen Mengen. Auch das tägli- che Glas Wein, das lange Zeit medizinisch regelrecht empfohlen wurde, kann das Ri- siko für Herz-Kreislauf- und Krebserkran- kungen steigern. Aus meiner Sicht sollte man aber stets die gesamte Lebensfüh- rung betrachten, also zum Beispiel auch, ob sich jemand ausgewogen ernährt oder regelmäßig bewegt. Woher weiß ich, ob das regelmäßige Feierabend-Bier bereits ein Schritt hin zur Abhängigkeit ist? Wir unterscheiden bei der Diagnostik von Alkoholabhängigkeit insgesamt sechs Kri- terien, wie etwa den starken Wunsch oder Zwang, Alkohol zu konsumieren. Als nächs- tes den Kontrollverlust über Dauer und Menge des Alkoholkonsums und die Stei- gerung hin zu immer höheren Dosen. Wei- tere Faktoren sind körperliche Symptome bei Entzug, die Vernachlässigung anderer Interessen und der anhaltende Konsum Die Sucht in uns trotz negativer Konsequenzen. Sobald drei dieser sechs Kriterien zutreffen, sprechen wir von einer Alkoholabhängigkeit, die be- handelt werden sollte. Aber ein „Gläschen in Ehren“ macht mich doch nicht gleich süchtig, oder doch? Welche Menge und in welcher Form Alkohol konsumiert wird, ist bei der Diagnostik von Sucht zunächst nicht wichtig. Relevant sind vielmehr die Auswirkungen des sogenann- ten „schädlichen Gebrauchs“ – also, ob und welche Schäden durch den regelmäßi- gen Alkoholkonsum entstehen. Dazu ge- hören neben körperlichen auch psy- chische und soziale Schäden. Sie untersuchen seit vielen Jahren geschlechtsspezifi - sche Unterschiede bei der Alkoholabhängigkeit. Gibt es tatsächlich eine Veranla- gung? Ja, für ein erhöhtes Risiko zur Alkoholab- hängigkeit im Erwachsenenalter gibt es eine Veranlagung, die nach unseren Stu-
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