Gesundheit erlangen - Herbst 2019

8 Titel Die Nadel im Heuhaufen Seltene Erkrankungen. Für Politik, Pharmafirmen und Öffentlichkeit haben seltene Erkrankungen nicht die oberste Priorität. Das Zentrum für Selte- ne Erkrankungen Erlangen widmet sich Patienten, die anderswo durchs Raster fallen. „Mit häufigen Diagnosen kennen sich Ärzte meistens gut aus, Experten für seltene Er- krankungen sind selten“, sagt Prof. Dr. Bea- te Winner, Sprecherin des Zentrums für Sel- tene Erkrankungen Erlangen (ZSEER). „Die Seltenen sind die Stiefkinder der Medizin.“ Sieben Jahre Ungewissheit Seltene Erkrankungen zu erforschen und Betroffene gut zu versorgen, ist teuer und auch medizinisch eine Herausforderung. Therapiestudien kommen oft nicht zustan- de, weil es einfach zu wenige Patienten gibt, oder weil die Betroffenen noch nicht syste- matisch in Register eingetragen wurden, sodass sie nicht direkt kontaktiert werden können. Nur wenige Experten kennen sich mit seltenen Erkrankungen aus, und die Wege zu einer Diagnose sind für die Patien- ten oft lang. Für sie vergehen im Schnitt sie- ben Jahre, bis sie auf einen Arzt treffen, der ihr Leiden benennen kann – der die Nadel im Heuhaufen findet. Hinzu kommt, dass Pharmafirmen aus wirtschaftlicher Sicht ein größeres Interesse an Therapien gegen häufige Erkrankungen haben. Forschung und Entwicklung sind deshalb oft nur mit der Unterstützung durch Stiftungen und Spender möglich. So hat kürzlich ein Ärzteteam des Zentrums für Ektodermale Dysplasien Erlangen (s. Ab- bildung, S. 10) zwei Föten im Mutterleib mit einem Medikament gegen die Erbkrankheit Ektodermale Dysplasie behandelt. Der Heil- versuch gegen die „Vampirkrankheit“ war erfolgreich: Die Zwillinge bildeten Schweiß- drüsen und können heute normal schwitzen – eine Eigenschaft, die Menschen mit Ek- todermaler Dysplasie sonst nicht haben. Die Herstellung des Proteins, das die Ärzte ins Fruchtwasser spritzten, finanzierte die Schweizer Stiftung EspeRare, die sich für die „Waisen der Medizin“ engagiert. Eine Erkrankung ist selten, wenn maximal 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Seltene Erkran- kungen sind selten heilbar . Doch es gibt oft Therapien, die sie in Schach halten.

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