Gesundheit erlangen - Sommer 2021
Titel Fortsetzung von S. 7 Der Depression davonklettern Den spielerischen Entdeckergeist weckt auch das Bouldern – das Klettern in Absprunghöhe, entlang farbiger Kunststoffgriffe an einer Wand. Wie dieser Sport auf Depressionspatienten wirkt, untersucht das Team um PD Dr. Katharina Luttenberger von der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen seit 2013 im Pro- jekt „Klettern und Stimmung“. Die bisher dazu ver- öffentlichten Studien ergaben: Eine zehnwöchige Boulderpsychotherapie senkt die depressive Sym- ptomatik signifikant. Das Bouldern ist dabei wirk - samer als ein einfaches aktivierendes Bewegungs- programm und mindestens genauso wirksam wie die kognitive Verhaltenstherapie. Ein Vorteil des Kletterns ohne Seil: Es verlangt den Fokus auf das Hier und Jetzt – destruktives Gedankenkreisen hat da keinen Platz. Zudem verbessert das therapeuti- sche Bouldern das Körperbild und das Selbstwirk- samkeitserleben von Depressionspatienten. Wie Forscher der Charité – Universitätsmedizin Berlin nachwiesen, hilft Sport auch gegen Angst und Panikattacken: Schon 30 Minuten Sport redu- zieren ihren Studien zufolge Symptome wie Herz- rasen, Atemnot und Übelkeit, wirken also akut angstlösend. Ob jemand Ausdauersport, Krafttrai- ning oder Yoga betreibt, ist den Berliner Forschern zufolge nicht so entscheidend. Wichtiger sei, sich überhaupt zu bewegen und dranzubleiben. Zweimal 14 Minuten pro Woche Emotionale Belastungen sind auch vielen Men- schen mit Übergewicht nicht fremd. Aktiv zu wer- den, fällt mit steigendem Gewicht immer schwerer, und die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen 150 Minuten Bewegung pro Woche sind für Adipöse oft gar nicht mehr umsetz- bar. Neue Motivation kommt da aus dem Hec- tor-Center für Ernährung, Bewegung und Sport an der Medizinischen Klinik 1 des Uni-Klinikums Er- langen (s. S. 12): Aktuelle Studien des Sportwissen- schaftlers Dr. Dejan Reljic zeigen, dass sich auch mit wenig Aufwand gesundheitsfördernde Effekte erzielen lassen. Zwölf Wochen lang untersuchte Dr. Reljic den Nutzen des High-Intensity-Intervalltrai- nings (HIIT) für stark übergewichtige Menschen. Er fand heraus: Schon zweimal 14 Minuten HIIT wö- chentlich – in Kombination mit gesunder, kalorien- reduzierter Ernährung – senken das Gewicht und den Körperfettanteil deutlich. Auch der Blutdruck und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sin- ken; die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Sys- tems, Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit nehmen hingegen zu. In seiner neuesten Studie geht Dr. Rel- jic noch einen Schritt weiter: „Für Menschen, die HIIT noch nicht umsetzen können, kann MIIT eine Alternative sein.“ MIIT ist moderat intensives Inter- valltraining mit einer Belastung von weniger als 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz. „Schon MIIT mit angepasster Ernährung senkt das kardiometa- bolische Risiko signifikant.“ Wer lange inaktiv war, kann sich vorher sportmedizinisch durchchecken lassen – u. a. im Hector-Center und in der Medizini- schen Klinik 2 – Kardiologie und Angiologie des Uni-Klinikums Erlangen. Wer durch Sport abnimmt, verringert zudem sein Risiko für Folgeerkrankungen wie Diabetes und so- gar Krebs. In der Krebstherapie ist Bewegung heu- te ebenfalls ein essenzieller Baustein, der u. a. chronische Erschöpfung abmildert (s. S. 14). Nach allem, was Ärzte und Wissenschaftler heute wis- sen, wirken Sport und Bewegung also wie eine Uni- versalmedizin. Der Vorteil: Die Aktiv-Arznei ist quasi nebenwirkungsfrei und es gibt sie ohne Rezept. fm 8 Bewegung als Medizin gibt es nebenwirkungs- und rezeptfrei.
RkJQdWJsaXNoZXIy ODIyMTAw