Gesundheit erlangen - Herbst 2021
Titel meinsam mit den Patientinnen und Patienten und ihren Partnern oder Partnerinnen. Ich sage ihnen, dass sich jemand heutzutage in aller Re- gel nach einem Herzinfarkt ganz normal belas- ten darf und soll. Die Ängste müssen weg. Schlimmstenfalls können Herzinfarktbetroffe- ne sonst sogar eine Depression entwickeln. Das gilt auch für Menschen mit Herzschwäche. Besteht dieser Zusammenhang zwischen Depression und Herz auch umgekehrt? Ja. Depressionspatientinnen und -patienten erleiden häufiger Herzinfarkte als Menschen ohne psychische Probleme. Auch eine Herz- schwäche verläuft bei einer Depression schlechter. Ein Grund könnte fehlende körper- liche Aktivität bei den Betroffenen sein. Das Herz schlägt schneller, wenn wir aufge- regt sind. Wir haben ein großes Herz oder nehmen uns etwas zu Herzen. Ist das Herz ein besonders emotionales Organ? Bei Angst oder Aufregung schlägt einem das Herz bis zum Hals, der Herzschlag ist beson- ders kräftig. Auch deshalb verbinden Men- schen das Herz stark mit ihren Gefühlen. Aber weil zum Beispiel bei Aufregung das gesamte sympathische Nervensystem hochgeregelt wird, passieren im Körper auch noch viele an- dere Dinge – nur, dass wir die nicht so deutlich wahrnehmen. Oft haben Menschen mit Panikattacken Herzrasen. Müssen sie sich Sorgen machen? Bei Angststörungen kommt es häufig zu Symp - tomen wie Herzrasen oder Herzschmerzen – eben weil das sympathische Nervensystem sehr aktiv ist. Wenn die Betroffenen mit dem Verdacht auf eine Herzerkrankung zu uns kom- men, zeigt sich oft, dass etwas ganz anderes dahintersteckt. Trotzdem untersuchen wir na- türlich jede und jeden ausführlich, auch bei milden oder ungewöhnlichen Symptomen. Welchen Einfluss hat Stress auf das Herz? Es wird ein bisschen darüber gestritten, ob Stress direkt ein Risikofaktor ist, vor allem für die koronare Herzerkrankung. Sicher ist: Stress – als Ausgeliefertsein äußeren Umständen ge- genüber – verursacht hohen Blutdruck und verändert den Blutzucker. Das beeinflusst dann das Herz. Auch Schichtarbeit als Stressor ist ein Risikofaktor. Und was ist mit dem „ gebrochenen “ Herzen? Die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie – das Bro- ken-Heart-Syndrom – sehen wir jeden Monat mindestens einmal. Bei dieser merkwürdigen Funktionsstörung des Herzens, die sich anfühlt wie ein Herzinfarkt, arbeitet die linke Herzkam- mer plötzlich nicht mehr richtig. Das bildet sich aber wieder zurück. Oft geht dem Broken- Heart-Syndrom ein besonders emotionales, meist erschreckendes Ereignis voraus – zum Beispiel eine Krebsdiagnose oder ein heftiger Streit. Einmal hatte ein Patient erlebt, wie ein Haus abbrennt. Inwieweit fragen Sie denn solche Belastun- gen bei Patientinnen und Patienten ab? Wenn wir die Risikofaktoren unserer Patientin- nen und Patienten aufarbeiten, erkundigen wir uns auch nach ihrem Umfeld. Gemeinsam mit unserer Psychiatrie bieten wir sogar eine Sprech- stunde bei emotionalen Belastungen an. Wie wird diese Sprechstunde angenommen? Es ist schwierig, das Thema anzusprechen, oh- ne dass die Menschen das Gefühl haben, auf die „Psycho-Schiene abgeschoben“ zu werden. Das muss ganz vorsichtig und vertrauens- voll besprochen werden. Die psychische Seite empfinde ich bei vielen immer noch als scham- und tabubehaftet – gerade bei gestandenen Männern im besten Alter. Aber ich erinnere mich da an einige, die von einem Herzinfarkt richtig verunsichert wurden, und denen eine psychologische Begleitung gutgetan hätte. fm 17
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