Gesundheit erlangen - Winter 2021/22

KOPFSACHE Menschen mit Migrationshintergrund erleben öfter verbale Gewalt als solche ohne Zuwanderungsgeschichte. Eine Erlanger Studie untersucht die psychi - schen Folgen. Migrantinnen und Migranten sind zur Studienteilnahme aufgerufen. VON FRANZISKA MÄNNEL Gewalt wird nicht nur mit Fäusten und Waffen ausgeübt: Manchen liegt sie schlicht auf der Zunge. Verbale Gewalt richtet sich oft gegen Menschen, die sich in Herkunft, Aussehen, Sprache, Religion oder politischer Orientierung von denen unterscheiden, die mit Worten an - greifen. „Oft trifft es Migrantinnen, Migranten und Geflüchtete“, sagt Prof. Dr. [TR] Yesim Erim, Leiterin der Psychosomatischen und Psycho - therapeutischen Abteilung des Uni-Klinikums Erlangen. Im Projekt VIOLIN (Verbal Violence against Migrants in Institutions) untersucht Yesim Erim zusammen mit der Politikwissen - schaftlerin Prof. Dr. Petra Bendel, der Linguistin Prof. Dr. Silke Jansen und dem Gesundheitspsy - chologen Prof. Dr. Nicolas Rohleder – alle von der FAU Erlangen-Nürnberg –, wie sich verbale Gewalt ausdrückt, wo sie ausgeübt wird und welche Spuren sie bei Betroffenen hinterlässt. Diskriminierung ist subjektiv VIOLIN erforscht, wie in öffentlichen Einrich- tungen – z. B. im Jobcenter, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, bei der Polizei, in Schulen, Universitäten, Krankenhäusern und Arztpraxen – mit Migrantinnen und Migranten gesprochen wird und wie das ihre psychische Gesundheit beeinflusst. Diskriminierung emp - finden diese Menschen etwa dann, wenn je - mand sehr laut oder sehr leise mit ihnen spricht, „Sie sprechen aber gut Deutsch!“ 54 | Kopfsache Vernachlässigte grenzen aus „Die Vernachlässigten und Abgehängten tendieren dazu, andere auszuschließen. Die Entwertung anderer kann den eigenen Selbstwert stabilisie - ren. Andererseits ist die Konkurrenz der Kulturen ein Phänomen der sozialen Identitätsbildung: Wir sehen Personen, die zu unserer kulturellen Gruppe gehören, als wertvoller an“, erklärt Yesim Erim.