Gesundheit erlangen - Winter 2022/2023

| 3 Im Herbst 2020 hatte eine meiner engsten Freundinnen eine Fehlgeburt – ihre Zwillinge starben in der 21. Schwangerschaftswoche. Der Verlust war traumatisch. Sie wisse nicht, wie sie jemals wieder glücklich sein könne, sagte sie mir damals. Dann, ein Jahr später, die zweite Fehlgeburt. Alte, noch nicht verheilte Wunden rissen umso mehr wieder auf, und ein Sog aus Trauer, Verzweiflung und Scham riss meine Freundin nach unten. Der Wunsch, endlich Eltern zu werden, hat sich für sie und ihren Mann bis heute nicht erfüllt. Doch meine Freundin hat einige Dinge verändert: Sie macht eine ambulante Psychotherapie, die ihr im Umgang mit ihren Gefühlen hilft, trifft sich regelmäßig mit anderen betroffenen Frauen, spricht mit Freundinnen, liest Bücher, die ihr Kraft geben, und postete erst kürzlich in ihrem WhatsApp-Status drei kleine Sterne, um an die Geburtstage ihrer Sternenkinder zu erinnern. Ein Tabuthema, ein „Darüber spricht man nicht“ fängt an, sich aufzulösen, wenn die Erste sich öffnet und andere an ihrem „Geheimnis“ teilhaben lässt. Wir möchten Sie mit dieser Ausgabe dazu ermutigen, das Gespräch zu suchen – mit Ihrer Freundin, dem Partner, Ihrer Ärztin, einem Psychotherapeuten oder Menschen, denen es so geht wie Ihnen. Denn in „mitteilen“ steckt „teilen“, und teilen reduziert die Last auf den eigenen Schultern und schafft Verbundenheit. Und die Erkenntnis, dass wir alle nicht unverwundbar sind. Mit dieser Ausgabe wollen wir nicht nur die Trauer nach einer Fehlgeburt enttabuisieren (S. 8), sondern auch auf zwei andere unliebsame Gefühle blicken, nämlich Angst (S. 12) und Scham. Wobei Sie Letztere wahrscheinlich ganz deutlich spüren, wenn Sie Ihrer Ärztin erklären müssen, dass es „da unten“ juckt (S. 16) oder sich „da hinten“ vielleicht behandlungsbedürftige Hämorrhoiden gebildet haben (S. 18). Doch Ärzte und Therapeutinnen haben ihren Beruf nicht ohne Grund gewählt. Sie wollen helfen, und Ihre Beschwerden sind für sie „Normalität“. Nehmen wir uns also für 2023 vor, uns mitzuteilen. Denn nur so ist Hilfe möglich. Vie l leicht so l lten Sie darüber reden Editorial Öfter mal was Neues Fast drei Jahre Pandemie haben die Lust auf Neues bei vie len gedämpft. Wann haben Sie zuletzt etwas zum ersten Mal gemacht? Bei mir war es Qigong, in das ich für diese Ausgabe hineinschnuppern durfte (S. 56). Vie l leicht ist das ja auch was für Sie? Franziska Männel, Chefredakteurin von „Gesundheit erlangen“

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