Schmerzen auf die Rückbank PSYCHOLOGISCHE SCHMERZTHERAPIE Menschen mit chronischen Schmerzen können lernen, mit ihrem Leiden umzugehen. Welche mentalen Strategien es dafür gibt und welche Rolle das Schmerzgedächtnis spielt. VON ALESSA SAILER Bei Menschen mit chronischen Schmerzen bestimmt es den ganzen Tag: das Monster Schmerz. „Es begleitet die Betroffenen ständig und gibt die Richtung vor – so, als würde das Monster im Auto am Steuer sitzen“, erklärt Peter Mattenklodt, leitender Psychologe im Schmerzzentrum des Uniklinikums Erlangen. Deshalb ist es für Menschen, die ständig Schmerzen haben, essenziell, sich mit ihren Beschwerden mental auseinanderzusetzen. „Ganz wichtig ist: Es darf nicht der Anspruch sein, die Schmerzen komplett loszuwerden, denn das ist bei chronischen Beschwerden in der Regel nicht möglich. Für Betroffene ist es oft hilfreicher, ihre Schmerzen zu akzeptieren und zu lernen, so gut wie möglich mit ihnen zu leben“, betont Peter Mattenklodt. Der Psychologe und sein Team helfen Patientinnen und Patienten dabei, die individuell passenden Strategien dafür zu finden. „Wir zeigen ihnen das gesamte Spektrum der Entspannungs- und Atemtechniken, zum Beispiel Achtsamkeitsübungen, Traumreisen und Progressive Muskelentspannung“, erläutert er. Aber auch Ablenkung kann guttun. „Dabei ist es egal, ob das ein Memoryspiel mit dem Enkelkind ist, ein Film oder ein Gespräch. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Schmerzgeplagten, die sich ablenken, keine Schmerzaktivität im Hirn entsteht“, merkt der Psychologe an. Peter Mattenklodt ist leitender Psychologe im Schmerzzentrum des Uniklinikums Erlangen. Was ist das Schmerzgedächtnis? Bestehen Schmerzen längere Zeit oder sind sie sehr stark, kann das dazu führen, dass Schmerzreize aus dem Körper mit der Zeit immer leichter ins Gehirn weitergeleitet werden und dort eine stärkere Reaktion hervorrufen. Das Gehirn „lernt“ den Schmerz, und wir reagieren immer sensibler auf den gleichen Schmerzreiz. Der Schmerz erhält sich also selbst aufrecht und die Schmerzschwelle sinkt. Diese Anpassungen im Schmerzverarbeitungssystem von Rückenmark und Gehirn nennt man Schmerzgedächtnis. Nach heutigem Wissensstand lässt es sich nicht vollständig löschen. Betroffene können aber herausfinden, welche Einstellungen ihren Schmerz günstig beeinflussen, damit das Gehirn wieder „umlernt“. Titel 14 |
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