Gesundheit erlangen - Sommer 2024

| 31 Medizin perteilen aus Wachs. Mit Gips wurde ein Abdruck der betroffenen Hautregion erstellt. Dieses Negativ befüllte der Mouleur dann mit gefärbtem Wachs, ließ es aushärten und kolorierte es direkt neben dem Patienten, der als „Vorlage“ für die Wachsplastik diente. „Das Abformen an sensiblen Körperstellen war sicher unangenehm und geschah möglicherweise nicht immer mit voller Zustimmung der Erkrankten“, erklärt Michael Sti- cherling. Auch die Erlanger Hautklinik trug verschiedene Moulagen zusammen – neben vielen Geschlechtskrankheiten zeigen sie u. a. verschiedene Verhornungsstörungen, Hauttumoren sowie Tuberkulose und Lepra. Eine Prise Arsen „Um 1900 herum waren die Krankenhäuser voll mit Geschlechtskranken, und zunehmend konnte nicht mehr jeder Mediziner so leicht erkennen, ob es die Syphilis war oder doch etwas anderes. Es brauchte Spezialisten“, sagt Prof. Sticherling. „Diagnostische Hilfen gab es nicht – der Arzt musste sich auf sein Auge und sein Wissen verlassen, eventuell noch auf seinen Tastsinn.“ Franz Penzoldt, Leiter der damaligen Medizinischen Klinik in Erlangen, sprach von „ekelerregenden Hautkranken“ und „widerspenstigen Prostituierten“, die in der Inneren Medizin nur störten und die man besser separat behandeln sollte. Dies bahnte den Weg für eine eigenständige Klinik für Dermatologie und Venerologie: Am 2. Februar 1923 öffnete die Erlanger Hautklinik in der Hartmannstraße 14 ihre Türen. Ihr erster Direktor wurde Leonhardt Hauck, ab März 1924 ordentlicher Professor und Lehrstuhlinhaber. Er war es auch, der die hiesige Moulagensammlung anlegte. Bereits seit 1918 war die Venerologie als Lehre von den Geschlechtskrankheiten ein Pflichtfach in der ärztlichen Ausbildung. Patientinnen und Patienten wurden trotz ihrer schambesetzten Leiden in medizinischen Vorlesungen vor Publikum „präsentiert“. Aber auch Moulagen dienten als Lehrobjekte für angehende Ärztinnen und Ärzte und zur Dokumentation von Krankheitsverläufen. „Haut lässt sich nicht 100 Jahre Am 20. Juli 2024 feiert die Hautklinik des Uniklinikums Erlangen mit einem Symposium offiziell ihr 100-jähriges Bestehen. konservieren wie ein Herz, das in Formaldehyd eingelegt wird. Haut wird farblos und zerfällt“, erklärt Michael Sticherling. „Man konnte dermatologische Krankheiten deshalb lange nur in Büchern abbilden. Durch die Moulagen war das ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dann auch dreidimensional möglich.“ Ein 1927 erlassenes Gesetz gab vor, Menschen mit Geschlechtskrankheiten zwangsweise zu behandeln, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Für die Therapie der Syphilis nutzten Ärzte ab 1910 Salvarsan – ein Gemisch aus Arsenverbindungen, entwickelt von Paul Ehrlich. Mitunter kombinierte man es mit Quecksilber. „Das Medikament ist natürlich heute als giftig einzustufen“, sagt → Oben: Blickdiagnose – das Auge des Arztes war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein das Instrument der Dermatologie. Unten: Die Fähigkeit des Auges wird heute um leistungsstarke Mikroskope und detaillierte biologische und genetische Laboruntersuchungen von Blut und Gewebe erweitert.

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