| 37 Medizin KOLUMNE – KLEINE SP[R]ITZE Gärtnern ist gesund – für Körper und Seele. Vorausgesetzt, die Gartennachbarinnen und -nachbarn gehen sich nicht gegenseitig auf den Geist. VON FRANZISKA MÄNNEL Das ganz große Gartenglück „Ah, der Assi-Garten ist Ihrer?“ … „Was machen Sie da?“ – „Ich setze neue Pflanzen.“ – „Was?! Noch mehr? Das wächst doch jetzt schon alles zu mir rüber!“ … „Sie arbeiten ja sowieso nicht in Ihrem Garten. Immer, wenn ich Sie sehe, sitzen Sie da und trinken Kaffee.“ … Das Leben im Kleingartenverein könnte so schön sein – wären da nicht Nachbarn, die derartige Dinge von sich geben. Gartenarbeit an sich ist ja sehr gesund: Buddeln, Säen und Schneiden an der frischen Luft halten fit, Obst und Gemüse aus eigenem Anbau sind gesund und der Kontakt mit der Erde erdet. Die Zeit auf der grünen Ruheinsel entspannt und baut Stress ab – manchmal aber eben auch auf. Wenn man mit Gartenpächterinnen und -pächtern spricht, wird jedenfalls klar: Das Gartenglück hängt stark davon ab, wer sich auf der anderen Seite des Zauns befindet. Denn an der Grundstücksgrenze kommt es bisweilen zum Clash der Generationen, der Naturgärtnerinnen und PestizidPäpste, der Schweigsamen und Geschwätzigen, der „Arbeitsbienen“ und „Faultiere“. Wer da nicht lebt und leben lässt, also gärtnert und gärtnern lässt, trägt dazu bei, dass der Gesundheitsfaktor Garten zum Stressor wird. Rücksichtnahme, Toleranz und vor allem Offenheit für Neues scheinen daher essenzielle Düngemittel dafür zu sein, dass Kleingärten tatsächlich die funktionierenden Gemeinschaften sind, als die sie oft bezeichnet werden. Die Vorstellungen und Ansprüche an Gärten wandeln sich. Aktuell steht eine neue Generation vor den Gartentürchen, die ökologisch und naturnah gärtnern will, dabei zuerst auch an Bienen, Vögel und Eichhörnchen denkt und für die das Kleinod mehr ist als perfekt gestutzte Hecken und ein englischer Rasen, auf dem Schädlinge mit jeder erdenklichen Giftkeule bekämpft werden. Für manche „Alteingesessene“ ist ein sich ausbreitender Löwenzahn ein Grund, Streit vom Zaun zu brechen – für andere ist er Wildkräutersalat. Im besten Fall stiften (Klein-)Gärten Sinn, bieten ein kreatives Betätigungsfeld, vermitteln Wissen über natürliche Kreisläufe und Zusammenhänge, ermöglichen Selbstverwirklichung und tragen damit zum körperlichen und seelischen Wohlbefinden bei. Es ist auch durchaus sinnvoll, im „Sozialexperiment Kleingarten“ einige Regeln aufzustellen; manche von ihnen sollten nach jahrzehntelanger Einhaltung aber auch hinterfragt werden dürfen. Im Garten muss nicht nach alter deutscher Arbeitsmoral rund um die Uhr geschuftet werden, auch Genuss darf hier sein. Vielleicht ja zusammen mit den netten Nachbarn, die den Blick über den eigenen Gartenrand wagen – um sich inspirieren zu lassen, nicht, um zu bevormunden. Wer Glück hat, bekommt solche Mitgärtnerinnen – und damit die pure Idylle zwischen Riesenlauch, Duftnessel und Fetter Henne (wobei diese Aufzählung keine Bezeichnung für eine Gartennachbarin enthält). Vor ein paar Wochen wäre ich fast selbst Gartenmieterin geworden. Den Grund, warum daraus nichts wurde, lieferte uns der Vermieter im Vorstellungsgespräch für die neue Wohnung: Der Grundstücksnachbar steige nachts gern mal über den Zaun und schneide auf unserem zukünftigen Grundstück alles ab, was ihn störe. Man habe ihn mit einer Wildkamera überführt. Er meine es nicht böse und halte sozusagen für uns Ordnung. Den Mietvertrag haben wir nicht unterzeichnet. Denn das große Glück vom eigenen Garten – es hängt auch von den Nachbarn ab. Haben Sie einen Garten, der Sie glücklich macht? franziska.maennel@uk-erlangen.de
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