Gesundheit erlangen - Sommer 2024

Das kostenlose Magazin des Uniklinikums Erlangen | www.gesundheit-erlangen.com | Sommer 2024 ■ Sonne: Tipps zur Hautkrebsprävention ■ Zecken: Schutz vor Borreliose und FSME ■ Von Mücke bis Maus: draußen gesund bleiben Unbeschwerter Sommer Jeder Schritt ein Stich Ursachen und Therapie bei einem Fersensporn Erzieherinnenteam Vier kreative Köpfe helfen heilen Neues Berufsbild Eine Physician Assistant berichtet

VIELFALT MACHT UNS STARK! Illustration: Cienpies Design/stock.adobe.com

| 3 Editorial Nach einer mehrtägigen Wanderung auf der Dingle-Halbinsel im äußersten Südwesten Irlands spürte ich eines Abends ein Jucken am unteren Rücken und ließ meinen Freund nachsehen: Eine Zecke! Mit der Zeckenkarte, die ich immer im Portemonnaie habe, war das Tier schnell entfernt. Doch am nächsten Tag schien die Stelle um den Stich herum leicht gerötet. Ich ging zu einer Ärztin, die mir am PC zwei Bilder zeigte: eines von der typischen rot-weiß-roten Wanderröte in Ringform und ein Foto einer lokalen Hautreaktion mit kleiner Quaddel, wie ich sie ihrer Ansicht nach hatte. Ein Antibiotikum sei nicht nötig. Ich solle die Stelle aber noch für einige Wochen beobachten. Einige Tage später kamen wir mit den Gastgebern einer Unterkunft auf medizinische Themen. Der Hausherr erzählte von dem Herzschrittmacher, den man ihm vor einiger Zeit hatte einsetzen müssen. Die Ärzte sagten, Borrelien hätten das Organ angegriffen. Dass die von Zecken übertragene bakterielle Infektion nicht selten ist, zeigt sich auch im eigenen Umfeld: Immer wieder schmerzen bei einem Freund von mir Sehnen und Gelenke. Lange wurde er als Hypochonder belächelt, bis eine Ärztin den Zusammenhang mit einem Zeckenstich herstellte. Die damals neunjährige Tochter einer Freundin wiederum hatte plötzlich starke Kopfschmerzen und musste sich tagelang scheinbar grundlos übergeben. Dass ihre Mutter die Die Schattenseiten des Sommers Chefredakteurin von „Gesundheit erlangen“ Zecke erwähnte, die sie ihrer Tochter zwei Wochen zuvor entfernt hatte, wurde leider bei der Ursachensuche zunächst nicht berücksichtigt. Als schließlich die Diagnose Neuroborreliose feststand, war der Hirnstamm schon so stark angegriffen, dass das Mädchen vier Wochen lang täglich ein intravenöses Antibiotikum brauchte. Bei mir traten in Irland und auch später zum Glück keine Haut- oder sonstigen Symptome mehr auf. Aber nach meinem Interview mit Infektiologe Prof. Dr. Thomas Harrer (S. 12) weiß ich nun, dass auch kleine „einfarbige“ Hautrötungen auf eine Borreliose hindeuten können. Der Zeckenexperte erklärt, wie man sich am besten vor den kleinen Blutsaugern schützt, und warum die Diagnostik zeckenbedingter Erkrankungen nicht einfach ist. Welche Plagegeister uns sonst noch den Sommer vermiesen können, lesen Sie ab S. 16. Egal, ob Sie die kommenden Wochen nun im Grünen, am Strand, im Garten oder auf dem Balkon verbringen: Denken Sie bitte in jedem Fall an eine Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 plus und suchen Sie sich so oft wie möglich ein schattiges Plätzchen. Das schützt vor Hautkrebs (S. 8) und macht noch dazu weniger Falten. Gedanken zum Gärtnern Ich habe zwar selbst (noch) keinen Garten, kenne aber einige Menschen, die einen haben. Ich profitiere deshalb auch, darf ich doch manchmal zum Ernten kommen oder zu gemeinsamen Grillabenden. Was ich folglich auch nicht habe, sind Gartennachbarinnen und -nachbarn. Aber ich habe mir ein paar Gedanken zum „Sozialexperiment Kleingarten“ gemacht (S. 37).

4 | Themen dieser Ausgabe JEDER SCHRITT EIN STICH Es sticht, sodass jedes Auftreten höllisch schmerzt. Ein Fersensporn kann langwierige Beschwerden verursachen. Prof. Dr. Marcel Betsch erklärt, was dagegen hilft. LÄSTIGE PLAGEGEISTER Ob Zecken, Rötelmäuse oder Eichenprozessionsspinner: Einige Plagegeister sollte man kennen, um sich effektiv vor ihnen zu schützen. 3 Editorial NEUES AUS DEM UNIKLINIKUM 6 Neurochirurgische Station 31 wiedereröffnet 7 Machen Haustiere krank? TITEL 8 Die Haut verzeiht nichts Schutz vor Sonnenbrand und Hautkrebs 12 Gefahr im Gras Wie gefährlich sind Zecken? 16 Sicher durch den Sommer Von Fingerhut bis Rötelmaus FEATURE 20 Orange pikst nicht Die Arbeit der Erzieherinnen der Kinderklinik MEDIZIN 26 Sprechstunde Was bei einem Fersensporn hilft 30 Medizin gestern und heute Ein Chamäleon kehrt zurück 34 Medien Auf neuen Pfaden unterwegs 36 Mittel der Wahl Quarkwickel 37 Kleine Sp[r]itze – Kolumne Das ganz große Gartenglück MENSCHEN 38 Was macht eigentlich ... eine Physician Assistant in der Neurochirurgie? 42 Zwei Seiten des Kaufmännischen Direktors Dr. Albrecht Bender 44 Meine Gesundheit Kinderchirurg Prof. Dr. Manuel Besendörfer 26 12–19

| 5 Themen dieser Ausgabe Video Weiterführende Informationen Kontaktaufnahme Persönlicher Kontakt zur Redaktion ERNÄHRUNG 46 Farbenfrohe Wunderwurzel Leckeres aus Karotten 48 Rezepttipp Lachs mit Gemüsestrudel KOPFSACHE 50 Gemeinsam statt einsam Soziale Beziehungen und ihr Einfluss auf unsere Gesundheit ERFORSCHT UND ENTDECKT 45 Wissenschaftspicknick im Schlossgarten 55 60-mal Phantom-Zahnschmerzen AKTIV LEBEN 56 Sportler mit großem Herz Dank Sportmedizin auf der sicheren Seite ZUM SCHLUSS 60 Ein Stück vom Glück 61 Rätsel | Gewinnspiel 62 Vorschau | Impressum NEUES BERUFSBILD: PA Larisa Leonova arbeitet an der Schnittstelle zwischen Pflege und Ärzteschaft: Sie ist die erste Physician Assistant (PA) am Uniklinikum Erlangen − und eine wichtige Brückenbauerin. ORANGE PIKST NICHT Die Erzieherinnen der Kinderklinik tragen dazu bei, dass junge Patientinnen und Patienten ihre Zeit im Krankenhaus auf die bestmögliche Weise verbringen können. 20 38

6 | Neues aus dem Uniklinikum „Wir sind sehr stolz darauf, dass es uns gelungen ist, in Zeiten des Fachkräftemangels die renovierte Station 31 wiederzueröffnen“, sagte Prof. Dr. Oliver Schnell, Direktor der Neurochirurgischen Klinik des Uniklinikums Erlangen bei der Wiedereröffnung. „Angesichts des aktuellen Trends, dass immer mehr Stationen schließen müssen, ist es alles andere als selbstverständlich, dass wir heute das Gegenteil feiern und unseren Patientinnen und Patienten ab sofort mehr Platz bieten.“ Die Station 31 der Neurochirurgie war im Dezember 2021 wegen Personalmangels geschlossen worden. Manuela Haß, Pflegedienstleitung Kopfkliniken, erklärte: „Aufgrund des positiven Teamgeistes der Stationen 22 und 32 ist es uns gelungen, nach und nach Die Station 31 der Neurochirurgischen Klinik wurde feierlich wiedereröffnet Mehr Platz für Patientinnen und Patienten mehr Pflegepersonal einzustellen. Die Integration von internationalen Pflegekräften möchte ich dabei besonders hervorheben. Und ohne die tolle Zusammenarbeit und die gemeinsamen Anstrengungen des pflegerischen und ärztlichen Dienstes wäre die heutige Wiedereröffnung nicht möglich gewesen.“ Die Station 31 wurde am 8. April 2024 vorerst als sogenannte Kurzliegerstation für die Zeit von Montag bis Freitag geöffnet. Das heißt, dass aktuell bis zu zwölf Patientinnen und Patienten dort untergebracht werden können, die nur wenige Tage im Krankenhaus bleiben müssen. „Im nächsten Schritt ist geplant, die Station vollumfänglich von Montag bis Sonntag zu führen“, so Klinikdirektor Prof. Schnell. V. l. n. r.: Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Iro (Ärztlicher Direktor), Reiner Schrüfer (Pflegedirektor), Prof. Dr. Oliver Schnell (Klinikdirektor), Theresa Kneuer (Leitung Station 31) und Manuela Haß (Pflegedienstleitung Kopfkliniken) bei der Stationswiedereröffnung.

| 7 Neues aus dem Uniklinikum Die Deutschen lieben ihre Haustiere – im Jahr 2023 lebten laut Statista rund 34,3 Millionen Tiere in Privathaushalten. Am liebsten halten die Menschen hierzulande Katzen und Hunde, gefolgt von Kleintieren wie Kaninchen, Meerschweinchen und Hamstern sowie Ziervögeln, Aquarienfischen und Reptilien. Einige dieser Haustiere gelten für viele als vollwertige Familienmitglieder. Neben den Freuden, die Tiere im Haushalt bereiten können, gibt es aber auch ein paar Gefährdungsaspekte, die Tierhalterinnen und -halter kennen sollten, um sich entsprechend zu schützen. Auf diese geht Prof. Dr. Christian Bogdan, Direktor des Mikrobiologischen Instituts – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene des Uniklinikums Erlangen, im Rahmen seiner Bürgervorlesung „Infektionsgefahren durch Haustiere“ ein, die nun unter www.forschungsstiftung. uk-erlangen.de kostenlos zur Verfügung steht. Alle weiteren Vorlesungen im Sommersemester 2024 finden sich online und auf der Rückseite dieses Magazins. Bürgervorlesung über Infektionen durch Hund, Katze und Co. jetzt online Machen Haustiere krank? BENÖTIGEN SIE HILFE ODER BERATUNG? Die Caritas ist für Sie vor Ort! www.caritas-erlangen.de Ambulanter Pflegedienst Hammerbacherstraße 11 | Tel.: 09131 12 08 90 | pflege.erlangen@caritas-regio.de Betreutes Wohnen und Pflegeheim Roncallistift Hammerbacherstraße 11 | Tel.: 09131 12 08 0 | info@roncallistift.de Allgemeine Soziale Beratung | Schulden- und Insolvenzberatung Mozartstraße 29 | Tel.: 09131 88 56 0 | sobe@caritas-erlangen.de Sozialpsychiatrischer Dienst Mozartstraße 29 | Tel.: 09131 88 56 0 | spdie@caritas-erlangen.de #unsernetztraegt Anzeige Bürgervorlesung des Uniklinikums Erlangen kostenlos immer montags ab 18.15 Uhr in den Hörsälen Medizin im Ulmenweg 18 oder online unter: www.forschungsstiftung.uk-erlangen.de „Schmatzer“ mit Folgen?

8 | Titel Die Haut verzeiht nichts Heike Schorer* entdeckte 2019 mehrere ungewöhnliche Flecken an ihrem Arm und im Gesicht. Die bläulichen Hautstellen zeigte die 69-Jährige ihrem Hausarzt. „Der hat die Flecken gleich entfernt, weil sie verdächtig aussahen“, erinnert sich die Landwirtin aus dem Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz. „Er empfahl mir, mich am Uniklinikum Erlangen weiter untersuchen zu lassen.“ Die pathologische Analyse der entfernten Areale ergab: malignes Melanom, also schwarzer Hautkrebs. „Durch meine Arbeit bin ich viel draußen. Als ich jung war, war Sonnenschutz eigentlich kein Thema. Und auch später war ich – rückblickend gesehen – leichtsinnig und habe mich nicht eingecremt.“ Etwa ein Jahr nach der Entfernung hatte Heike Schorer wieder auffällige Hautstellen: aktinische Keratosen, eine Vorstufe von hellem Hautkrebs. In der Hautklinik des Uniklinikums Erlangen wurde der Patientin Tirbanibulinsalbe verschrieben, damit die veränderten Hautzellen absterben. Die Salbe trug die Patientin fünf Tage lang auf – und die Veränderungen waren verschwunden. „Ich bin wirklich froh, dass ich am Uniklinikum behandelt wurde – auch wenn die 100 Kilometer weite Anfahrt zur Nachsorge alle sechs Monate aufwendig ist“, sagt Heike Schorer. „Das Team ist so sympathisch und kümmert sich immer zuverlässig.“ Bei der Nachkontrolle untersucht eine Ärztin bzw. ein Arzt jedes Mal ihren ganzen Körper auf krebsverdächtige Stellen, und ihr Blut wird im Labor auf Tumormarker geprüft. Auch die Lymphknoten werden abgetastet, um Metastasen auszuschließen. Heike Schorer beugt seit ihrer Diagnose selbst vor: „Mit Lichtschutzfaktor 50 plus“, wie sie sagt. „Auch meinen Mann erinnere ich an den Sonnenschutz und wir kontrollieren unsere Haut gegenseitig.“ * Name von der Redaktion geändert

| 9 Titel Es gibt verschiedene Arten von Hautkrebs. Die häufigsten sind heller (auch bekannt als weißer) und schwarzer Hautkrebs. Seltenere Formen sind etwa kutane Lymphome, die von den weißen Blutzellen ausgehen, und Adnexkarzinome, bei denen z. B. Haarfollikel oder Schweißdrüsen den Ausgangspunkt bilden. Heller Hautkrebs tritt häufig im Alter auf und zeigt sich an besonders sonnenexponierten Stellen, die dann schuppen, bluten und gerötet sind. Manchmal bilden sich auch Knoten. Zum hellen Hautkrebs gehören sowohl das Basalzellkarzinom als auch das Plattenepithelkarzinom, die beide besonders häufig auftreten. „Leider verzeichnen wir seit Jahren immer mehr Fälle“, bedauert Prof. Dr. Carola Berking, Direktorin der Hautklinik des Uniklinikums Erlangen, „denn wir werden immer älter und setzen uns durch Urlaube und Outdooraktivitäten immer mehr der Sonne aus. UV-Strahlen schädigen die Hautzellen – egal ob von der Sonne oder aus dem Solarium. Das Tückische dabei ist, SONNENSCHUTZ Ein einzelner Sonnenbrand ist nicht gleich krebsauslösend. Achten wir aber regelmäßig nicht darauf, unsere Haut vor schädlichen UV-A- und UV-B-Strahlen zu schützen, kann das Jahrzehnte später böse Folgen haben. VON ALESSA SAILER dass der Krebs in der Regel erst nach Jahrzehnten auftritt.“ Das heißt: Nicht ein einzelnes Sonnenbad oder ein Sonnenbrand im Urlaub ist ausschlaggebend, sondern viele Hautschädigungen in der Vergangenheit summieren sich auf und zeigen sich erst deutlich später als Krebs. Der schwarze Hautkrebs, auch (malignes) Melanom genannt, ist deutlich aggressiver, denn er neigt dazu, Metastasen zu bilden und sich so im gesamten Körper auszubreiten. Bei Frauen zwischen 20 und 29 Jahren ist das Melanom die häufigste Krebserkrankung. Schwarzer Hautkrebs entsteht durch veränderte Pigmentzellen, sogenannte Melanozyten, die sich unkontrolliert vermehren. Deshalb haben Menschen mit vielen Muttermalen auch ein höheres Risiko, an einem Melanom zu erkranken. Prävention ist das A und O Aus diesem Grund sollten alle, die zahlreiche Leberflecke haben oder bei denen Hautkrebs in der Familie bereits vorkam, regelmäßig zum Hautkrebsscreening gehen. „Die Vorsorgeuntersuchung empfehle ich auch schon unter 35 Jahren. Spätestens ab diesem Alter sollte aber jede und jeder die Möglichkeit des Screenings wahrnehmen, denn die Krankenkassen übernehmen die Kosten alle zwei Jahre – manche Versicherungen sogar jedes Jahr“, sagt Carola Berking. „Die Präventionsmaßnahme Nummer eins ist und bleibt aber: Sonnenschutz!“ Ob ein Pigmentmal auffällig ist, bestimmen Fachleute anhand der ABCDE-Regel (s. Kasten auf S. 10). Das Schema können Risikopatientinnen und -patienten auch zu Hause heranziehen und im Zweifel zur Hautärztin oder zum Hautarzt gehen. Mithilfe einer speziellen Lupe (s. Foto links) oder eines Dermatoskops (s. Foto auf S. 10) kann dann bestimmt werden, → Mit einer beleuchteten Lupe lassen sich Hautveränderungen zuverlässig erkennen und entsprechend frühzeitig therapieren.

10 | Titel Fortsetzung von S. 9 ob der Leberfleck bösartig ist. „Wenn das der Fall ist, schneiden wir die Stelle vereinfacht gesagt heraus“, erläutert Prof. Berking. Je nachdem, wie weit sich der Krebs schon ausgebreitet hat, sind anschließend auch eine Bestrahlung, eine zielgerichtete Krebstherapie oder eine Immuntherapie möglich. Bei all den Gefahren, die die Sonne birgt, brauchen wir sie doch, damit unser Körper lebenswichtiges Vitamin D bilden kann. „Um unsere Speicher zu füllen, reichen bei mittleren Hauttypen bereits dreimal pro Woche zwölf Minuten Sonne im Gesicht und an Händen und Armen“, betont die Dermatologin. Wichtig ist dabei: „Die Haut soll nicht rot werden. Vom Solariumbesuch und gezieltem Sonnenbaden – ich nenne es auch gern Braten – rate ich dringend ab.“ Gesunde Menschen, die sich täglich draußen aufhalten und sich ausgewogen ernähren, brauchen also in der Regel kein Vitamin D in Form von Tabletten oder Tropfen zu sich zu nehmen. Bei wem der Vitamin-D-Spiegel trotzdem zu niedrig ist, der kann sich bei der Hausärztin oder beim Hausarzt zu Nahrungsergänzungsmitteln und der richtigen Dosierung beraten lassen. Creme, Lotion oder Emulsion? „Egal, ob Sonnenmilch, -spray oder -lotion: Welche Art von Sonnenschutz Sie verwenden, ist Geschmackssache“, sagt Carola Berking. Menschen mit trockener Haut sollten eher zu fetthaltigen Produkten greifen, im Gesicht fühlen sich z. B. leichte Emulsionen gut an. „Lichtschutzfaktor 50 sollte es aber schon sein – auch in Deutschland. Heutzutage haben die Mittel eine gute Konsistenz und hinterlassen keinen weißen Film mehr auf der Haut. Auch preislich gibt es kaum einen Unterschied zwischen 30er- und 50er-Sonnencreme. Somit sehe ich keinen Grund, auf einen hohen Lichtschutzfaktor zu verzichten.“ Grundsätzlich schütze auch ein niedrigerer Lichtschutzfaktor, jedoch sollten bloß dunklere Hauttypen oder Menschen mit vorgebräunter Haut auf sie zurückgreifen. Was die Lagerung angeht, ist ganz klar: Bei Hitze zersetzen sich die Präparate und es bilden sich Ablagerungen. „Kontrollieren Sie Ihre Sonnenschutzmittel nach längerer Aufbewahrung auf Farb- oder Geruchsveränderungen und entsorgen Sie sie dann gegebenenfalls“, rät Prof. Berking. „Grundsätzlich ist aber nichts dagegen einzuwenden, Sonnencreme nach der Saison im Schrank zu lagern und im nächsten Sommer wieder zu verwenden, sofern die Tube nicht öfter Sonne oder Hitze ausgesetzt war.“ Kinderhaut ist besonders anfällig für Veränderungen, die zu Hautkrebs werden können. Deshalb ist Sonnenschutz für die Jüngsten besonders wichtig. Für die ganz Kleinen gibt es spezielle KinderpräpaABCDE-Regel Mit der ABCDE-Regel lassen sich Muttermale oder andere Hautveränderungen auf Anzeichen für schwarzen Hautkrebs untersuchen: A = Asymmetrie der Veränderung, ungleichmäßige Form B = Begrenzung ist unregelmäßig C = Colorit/Colour (uneinheitliche Pigmentierung) D = Durchmesser über 5 mm oder größer werdend E = Erhabenheit (Knotenbildung in einem bisher flachen Pigmentfleck) Ein Dermatoskop, auch Auflichtmikroskop genannt, stellt Hautveränderungen zehnfach vergrößert dar.

| 11 Titel rate, die oft duftstofffrei sind und sich besonders leicht auftragen lassen. „Ab dem Alter von einem Jahr können auch Produkte für Erwachsene verwendet werden. Für alle Altersstufen gilt: Großzügig mit Faktor 50 plus eincremen, bevor man rausgeht, und regelmäßig nachcremen“, sagt Carola Berking. Zum Teufel mit der Sonnencreme? Doch können Bestandteile von Sonnenschutzmitteln für Mensch und Umwelt auch gefährlich werden? „Es ist nicht neu, dass Sonnencremes verteufelt werden“, weiß die Dermatologin. „Mal wird Angst vor Nanopartikeln geschürt, mal geht es um Substanzen, die angeblich hormonelle Veränderungen hervorrufen oder unfruchtbar machen. Oder um chemische Verbindungen, die Korallen zerstören. Diese Vorwürfe sind äußerst kritisch zu betrachten, denn die Konzentration der angeprangerten Stoffe in Sonnenschutzmitteln ist extrem gering. Im Labor werden in der Regel hohe Dosen in direkten Kontakt mit Zellen gebracht – das ist einfach nicht auf reale Bedingungen übertragbar.“ Die im Handel erhältlichen Sonnenschutzpräparate sind alle mehrfach geprüft und offiziell zugelassen. Deshalb solle niemand Angst vor den Inhaltsstoffen haben, sondern lieber aktiv zur eigenen Krebsvorsorge beitragen. Sonnenschutz ist aber nicht der einzig positive Effekt der Cremes. Prof. Berking: „Wer seine Haut vor UV-Strahlung schützt, beugt damit auch Falten sowie Sonnen- und Altersflecken vor. Für viele gehört eine glatte und schöne Haut genauso zu den Schönheitsidealen wie weiße Zähne. Das ist also ein Grund mehr, regelmäßig Sonnencreme zu verwenden.“ Fünf Tipps zum Sonnenschutz von Prof. Berking 1. Starke Sonne meiden: Verlegen Sie Aktivitäten im Freien möglichst in die Morgen- bzw. Abendstunden und halten Sie sich dazwischen im Schatten auf. 2. Textilien: Setzen Sie eine Kappe oder einen Hut mit breiter Krempe sowie eine Sonnenbrille auf und ziehen Sie sich bzw. Ihren Kindern beim Wassersport spezielle UV-Kleidung an. Lange, leichte Klamotten sind kurzer Hose und T-Shirt vorzuziehen. 3. Sonnencreme: Nutzen Sie Lichtschutzfaktor 50 plus und verwenden Sie die Creme großzügig, bevor Sie nach draußen gehen. Achten Sie auf regelmäßiges Nachcremen aufgrund von Schweiß und nach dem Wassersport. 4. UV-Index beobachten: Prüfen Sie vorab, wie intensiv die Sonneneinstrahlung in Ihrem Gebiet ist, z. B. mit Wetter-Apps oder beim Deutschen Wetterdienst. Die Skala reicht von eins (niedrige Strahlung) bis elf (extreme Strahlung). Bereits an Frühsommertagen herrscht in unseren Breiten oft ein UV-Index von sechs bis acht, im Sommer ist er teilweise höher. Je höher der Index, desto mehr sollten Sie auf ausreichenden Schutz achten. 5. Sonnenbrand kühlen: Gehen Sie bei Sonnenbrand sofort in den Schatten bzw. nach drinnen und halten Sie dies auch für die Folgetage ein. Kühlen Sie die Hautstellen z. B. mit Quark (s. a. „Mittel der Wahl“ auf S. 36) oder einem feuchten Waschlappen. Auch After-SunLotionen und Dexpanthenol-Gele helfen bei der Linderung. Sprechstunde für Hauttumorerkrankungen Mo. bis Fr. von 8.00 bis 12.00 Uhr Telefon: 09131 85-33842 E-Mail: hochschulambulanz.de@uk-erlangen.de Video: Schutz vor Hautkrebs www.gesundheit-erlangen.com

12 |Titel Gefahr im Gras

| 13 Titel Wer gern wandert oder zeltet, einen Garten hat oder öfter in Wald und Wiese unterwegs ist, sollte dort zwischen März und Oktober bzw. ab 5 °C mit Zecken rechnen. Oft gelingt es den Blutsaugern, die im Nymphenstadium nur etwa einen Millimeter klein sind, unbemerkt zuzustechen, denn ihr Speichel wirkt betäubend. Wird die Zecke schließlich bemerkt, muss sie schnell entfernt werden. „Nach zwölf Stunden Saugzeit steigt das Risiko, sich mit Borrelien zu infizieren, stark an“, erklärt Prof. Dr. Thomas Harrer, Infektiologe an der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie des Uniklinikums Erlangen. Borrelien sind Bakterien, die während des Blutsaugens aus dem Darm der Zecke auf den Menschen übergehen. „Verschiedene Untersuchungen zeigten, dass im Raum Erlangen, zum Beispiel im Meilwald, 20 bis 30 Prozent der Zecken Borrelien in sich tragen“, sagt Prof. Harrer. „In meinem eigenen Garten habe ich sogar bei 80 Prozent der Tiere unterschiedliche Borrelienstämme gefunden.“ Nicht nur auf die Wanderröte achten Die Bakterien können eine Borreliose auslösen. Sie ist die häufigste Zoonose – also von Tieren übertragene Infektionskrankheit – in den gemäßigten Regionen der Nordhalbkugel. Die Borreliose ist eine Multisystemerkrankung, die viele unterschiedliche Symptome hervorruft. „Die Wanderröte kennt mittlerweile fast jeder“, sagt Prof. Harrer. „Die betroffene Stelle ist innen blasser und am Rand dunkler, und der rote Ring wandert allmählich nach außen. Aber man sollte auch bei kleineren flächigen Rötungen an eine Borreliose denken. Alles ab der Größe eines Eurostücks, was sich rund um den Einstich ausbreitet, ist ziemlich sicher eine Infektion“, betont der Experte. „Leider sind da auch manche ärztliche Kolleginnen und → ZECKEN Sie sind winzig, doch deshalb nicht weniger gefährlich. Mit einer speziellen Karte oder Pinzette lassen sich Zecken meist gut entfernen. Doch was, wenn in der Folge Beschwerden auftreten? VON FRANZISKA MÄNNEL So schützen Sie sich vor Zecken ■ in Risikogebieten wie Bayern (www.rki. de/fsme-karte) die FSME-Impfung wahrnehmen ■ zeckenabweisende Mittel verwenden und regelmäßig auffrischen ■ bei Aktivitäten im Freien (helle) lange Kleidung tragen, am besten die Socken über die Hose ziehen; spätestens abends den ganzen Körper auf Zecken absuchen (lassen) ■ bereits festgesaugte Zecken sofort entfernen, inkl. Kopf – am besten mit einer Zeckenkarte oder einer speziellen Pinzette; nicht drehen, sondern gerade nach oben herausziehen, die Zecke dabei nicht quetschen; Stelle danach desinfizieren ■ Haustiere auf Zecken untersuchen und die Parasiten entfernen Einmal ist keinmal Eine überstandene Borrelieninfektion schützt nicht davor, noch einmal eine zu bekommen. Eine Schutzimpfung – wie die gegen FSME – gibt es nicht.

Titel 14 | Fortsetzung von S. 13 Kollegen unsicher und mit Antibiotika eher zurückhaltend. Aber je früher eine Therapie beginnt, desto besser wird die Bakterienausbreitung unterbunden. Wir starten deshalb bei typischen Hautsymptomen sofort mit dem Antibiotikum, ohne Blut abzunehmen, denn der Antikörpertest fällt in dieser Phase sowieso oft negativ aus.“ In vielen Fällen tritt die Rötung innerhalb von ein bis zwei Wochen auf; sie kann aber auch ausbleiben, „was nicht heißt, dass es keine Infektion gab“, schränkt Prof. Harrer ein. Treten in den Wochen nach einem Zeckenstich also beispielsweise ungewöhnliche Kopfschmerzen auf, Entzündungen der Nerven, Gelenke, Schleimbeutel, Sehnenscheiden oder Augen, Fieber, starke Müdigkeit oder Erschöpfung, sind das eventuell Anzeichen einer Borreliose. Auch plötzliche Schmerzen im Nacken oder im unteren Rücken, die in die Arme oder Beine ausstrahlen, und für die es keine andeNicht immer zeigt sich eine Wanderröte so eindeutig wie links; sie kann auch untypisch aussehen oder z. B. viel kleiner sein. re Erklärung gibt, können für die Erkrankung sprechen. Selten kommt es auch zu einem AVBlock des Herzens. Dabei schlägt das Organ immer langsamer, was zu Ohnmacht und schlimmstenfalls sogar zum Tod führen kann. „Wenn ein ansonsten kerngesunder Mensch aus dem Nichts eine solche Reizleitungsstörung des Herzens bekommt, könnten Borrelien schuld sein“, klärt Thomas Harrer auf. Auch Rhythmusstörungen und Herzmuskelentzündungen sind möglich. Der Labortest allein sagt nichts aus „Die Menschheit hat schon lange mit Borrelien zu tun“, erklärt Prof. Harrer. „Schon Ötzi hatte welche.“ Bis zu 20 Prozent der Menschen in Süddeutschland hatten schon einmal Kontakt mit den Bakterien und haben entsprechende Antikörper ausgebildet, die sich im Blut nachweisen lassen. „Aber allein der Antikörpernachweis macht noch keine Borreliose“, betont der Experte. „Die Laborergebnisse müssen immer mit den klinischen Beschwerden zusammenpassen. Denn grundsätzlich gibt es die gesamte Bandbreite von völlig symptomlosen Infektionen bis hin zu schweren und langwierigen Erkrankungen.“ Ein Antikörpernachweis erhöht demnach nur die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Borreliose vorliegen könnte. „Diese Wahrscheinlichkeit ist umso höher, wenn jemand tatsächlich einen Zeckenstich bemerkt hat und drei, vier Wochen später Symptome feststellt“, erklärt Thomas Harrer. Lyme- und Neuroborreliose Die Lymeborreliose betrifft typischerweise die Haut (Wanderröte) und die Gelenke, seltener auch das Herz. Eine Neuroborreliose führt u. a. zu brennenden Nervenschmerzen, Taubheitsgefühlen, Seh- oder Hörstörungen, seltener auch zu (Gesichts-)Lähmungen.

| 15 Titel Kaputtes Knie durch Borrelien? Gabriele Meixner* ging wegen eines geschwollenen Knies zum Orthopäden und berichtete ihm auch von dem Ausschlag am Arm, den sie etwa ein halbes Jahr zuvor bemerkt hatte. Der Nürnberger Arzt nahm Blut ab und wies darin Antikörper gegen Borrelien nach. „Ergüsse in großen Gelenken wie dem Knie sind typisch für eine Borreliose“, erklärt Prof. Harrer. „Das Knie war dick, aber nicht übermäßig warm. Dazu passte, dass die Patientin viel draußen ist, in der Vergangenheit schon Zecken hatte und auch eine Rötung auftrat.“ Gabriele Meixner bekam ein Antibiotikum. „Ich konnte ein Jahr lang wieder richtig laufen und Sport machen, dann bekam ich starke Schmerzen“, berichtet sie. Das Problem: Ein MRT-Bild zeigte einen eingerissenen Meniskus, der operiert werden musste. Nach dem Eingriff verschwanden zwar die Schmerzen, aber der Erguss kam zurück. „In solchen Fällen ist es nicht einfach, zu beurteilen, ob es ein orthopädisches oder ein bakterielles Problem ist“, verdeutlicht Prof. Harrer, der Gabriele Meixner weiterbehandelte. „Aber wir konnten eine OP-bedingte Entzündung ausschließen. Sie hatte hohe Werte bei den Borrelien-Antikörpern und es scheint so zu sein, dass die Bakterien eher ein Gelenk befallen, das orthopädisch schon stark beansprucht ist.“ Der Experte verordnete deshalb für vier Wochen ein neues Antibiotikum, das die Schwellung abklingen ließ. „Manchmal hinkt die Besserung der Therapie aber auch etwas hinterher und man braucht Geduld – vor allem, wenn die Infektion länger zurückliegt“, sagt er. Gabriele Meixner hofft nun, dass ihr Knie dauerhaft Ruhe gibt. „Alternativ können wir Antibiotika auch intravenös verabreichen und so höhere Wirkspiegel erzielen“, erläutert Prof. Harrer. Nur selten rufen Borrelien das Immunsystem derart auf den Plan, dass eine Autoimmunreaktion entsteht: Der Erreger ist dann zwar ausgelöscht, doch es bleibt eine rheumatische Erkrankung zurück. „Die müssen wir dann mit Medikamenten behandeln, die das Immunsystem hemmen, zum Beispiel mit Kortison.“ * Name von der Redaktion geändert Bei der typischen Hautrötung behandeln wir sofort, ohne Blut abzunehmen. Prof. Dr. Thomas Harrer FSME: Eine Impfung schützt Auch die FSME – die Frühsommer-Meningoenzephalitis – wird durch Zecken übertragen, doch nur etwa 0,1 bis 5 Prozent der Tiere tragen das verursachende Virus in sich. „Das Risiko, zu erkranken, ist deshalb glücklicherweise viel geringer als bei der Borreliose. Aber vor allem in FSME-Risikogebieten wird die Impfung empfohlen, weil wir keine Therapie gegen die Erkrankung haben und nur ihre Symp- tome behandeln können“, erläutert Prof. Harrer. Durch die Viren, die im Gegensatz zu den Borrelien sofort durch den Speichel der Zecke übertragen werden, entzünden sich Gehirn, Hirnhäute oder Rückenmark. In der ersten Phase, ein bis zwei Wochen nach dem Zeckenstich, treten grippeähnliche Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen auf, gelegentlich auch Magen-Darm-Probleme. Für eine Woche scheint dann alles wieder gut zu sein, doch anschließend kann eine zweite Phase mit neurologischen Symptomen einsetzen. „Je älter die Infizierten sind, desto wahrscheinlicher bekommen sie bei einer FSME Beschwerden“, betont Prof. Harrer. Viele Infektion verlaufen jedoch auch symptomlos oder mild. 30 Prozent der erkrankten Erwachsenen behalten neurologische Folgeschäden, bei Kindern sind es nur zwei Prozent.

16 | Titel AUGEN AUF IN DER NATUR Im Sommer begegnen wir besonders vielen Pflanzen und Tierchen. Bei manchen von ihnen ist allerdings Vorsicht geboten. VON ALESSA SAILER UND FRANZISKA MÄNNEL Sicher durch den Sommer Mini-Harpunen schießen Gift Die Brennhaare der Eichenprozessionsspinnerraupe sind vergleichbar mit Harpunen: Sie schießen bei Berührung Gift in die Haut. Jeder Mensch reagiert darauf, es handelt sich nicht um eine Allergie. Oft rieseln die Raupenhaare direkt von Bäumen, weshalb meist Nacken und Arme betroffen sind. Die Areale fangen an zu jucken, es bilden sich Quaddeln oder Bläschen. Im schlimmsten Fall kann es zu Atemnot kommen. Achtung: Auch der Wind kann Brennhaare auf die Haut transportieren. Meiden Sie also gekennzeichnete Areale, besonders von Mai bis Juni, und suchen Sie bei stärkeren Beschwerden haus- bzw. hautärztlichen Rat. Fachleute verschreiben in der Regel eine antientzündliche Kortisoncreme zur Linderung. Milde Symptome vergehen meist nach einigen Tagen von allein. Überraschung unter der Matratze Bettwanzen sind oft ein unschönes Urlaubsmitbringsel und in Europa weiter auf dem Vormarsch. Vor allem in hochfrequentierten Unterkünften wie Hostels, Wohnheimen und Hütten verstecken sich die blutsaugenden Parasiten gern unter Matratzen und Lattenrosten, im Bettkasten, in Teppichleisten und sogar hinter Lichtschalterverkleidungen. Von den Bissen zeugen Rötungen und Juckreiz, meist konzentriert an einer Körperstelle oder in einer Reihe. Manche Menschen reagieren mit Blasen oder Quaddeln. Meist klingen die Beschwerden von allein wieder ab. Tritt starker Juckreiz auf, hilft eine kortisonhaltige Salbe. Wer kleine schwarze Punkte oder blutige Flecken auf Bettwäsche oder Matratze findet, sollte auf ein neues Zimmer bestehen. Gepäck möglichst auf Kofferständern statt am Boden und möglichst weit weg vom Bett abstellen, um ein Hineinkriechen der Wanzen zu vermeiden. Nach der Reise die gesamte Kleidung bei 60 Grad waschen. Wer im eigenen Schlafzimmer einen Befall findet, muss eine professionelle Schädlingsbekämpfung durchführen lassen.

| 17 Titel Mit Hitze gegen Insektenstiche Mit speziellen Hitzestiften bzw. Adaptern für die Handyladebuchse lässt sich lästiger Juckreiz bei Insektenstichen (Mücken, Bremsen, Bienen, Wespen) lindern. Dazu sollte der Stift möglichst kurz nach dem Stich auf die betroffene Stelle gepresst werden. Die Spitze erwärmt sich für wenige Sekunden auf ca. 50 Grad und zerstört so neben den Proteinen des Insektengifts vermutlich auch die juckreizauslösenden Enzyme. Insektenrepellent oder „natürliche“ Alternativen? Bekannte Mückenspray-Marken setzen seit Jahren auf die Wirkstoffe Diethyltoluamid (DEET) und Icaridin (= Saltidin). Laut Wirksamkeitsstudien sind diese die effektivsten Stoffe und auch für Tropengebiete geeignet. Für heimische Plagegeister ist auch Ethylbutylacetylaminopropionat (EBAAP) gut geeignet. Alle drei Stoffe bilden eine Art „Aromafilm“, der den eigenen Körpergeruch überdeckt – Insekten und Zecken verlieren so das Interesse an uns. EBAAP lässt sich auch auf die Kleidung auftragen. DEET, Icaridin und EBAAP sind für den Menschen nicht giftig, jedoch sollten Eltern die Alterszulassung der Sprays bei Kindern beachten. Wer mit Kleinkindern eine Reise in Tropengebiete plant, sollte sich reisemedizinisch beraten lassen, denn: Während Mücken in unseren Breiten meist nur ein nerviges Jucken auslösen, können sie in Risikogebieten z. B. Malaria, Denguefieber oder das Zikavirus übertragen. Dass sich diese Krankheiten auch in Deutschland ausbreiten, ist derzeit aus zwei Gründen sehr unwahrscheinlich: Die Temperaturen sind nicht durchgehend hoch genug und die Insekten müssten zuerst infizierte Personen stechen, von denen es hierzulande nur wenige gibt. Drogerien und Webshops preisen alternative, scheinbar „sanfte“ Mückenabwehrmittel an, die nur natürliche Pflanzenöle enthalten, z. B. Ci- tronella, Eukalyptus, Lavendel und/oder Minze. Ebenso wie beim Einsatz von Knoblauch- und Vitamin-B1-Präparaten liegen allerdings kaum verwertbare Untersuchungsergebnisse vor, sodass diese Alternativen von Fachleuten nicht als Mückenschutz empfohlen werden können. Das gilt auch für Armbänder oder Stecker, die Ultraschall- oder Mikrowellen aussenden. Anders bei Verdampfern für die Steckdose: In Innenräumen bieten sie einen nachweisbaren Schutz – sie arbeiten jedoch mit Insektiziden, z. B. Transfluthrin oder Prallethrin. →

18 |Titel Ausschlag nach der Gartenarbeit? Wenn nach dem Gärtnern an Händen und Unterarmen rote Flecken auftauchen, die jucken oder brennen, haben Sie nicht zwangsläufig in Brennnesseln gefasst, sondern wahrscheinlich mit sogenannten phototoxischen Pflanzen hantiert. Denn: Die Pflanzensäfte mancher Kräuter und Gemüsesorten reagieren mit Sonnenlicht. Sie machen die Haut um ein Vielfaches anfälliger für UVStrahlung und nach kurzer Zeit im Freien ist das Resultat eine Rötung, Schwellung oder sogar Blasenbildung. Ziehen Sie beim Garteln also immer Handschuhe und ein langärmliges Oberteil an, v. a. beim Ernten von Petersilie, Koriander, Kerbel, Sellerie, Karotten und Pastinaken. Auch die Säfte von Wolfsmilchgewächsen wie Bärenklau wirken phototoxisch. Auf das Ausruhen im Gras mit nackter und feuchter Haut sollten Sie ebenfalls verzichten, denn: Auch die in Wiesengräsern und ähnlichen Pflanzen enthaltenen Furocumarine sind phototoxisch und lösen Ausschläge aus. Bin ich allergisch? Der Stich von Wespe, Biene, Hummel und Hornisse schmerzt, die Einstichstelle schwillt in der Regel an und juckt. Das liegt an dem Gift, das durch den jeweiligen Stachel in die Haut gelangt. Etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung reagieren allerdings allergisch auf diese Insekten. In ihrem Fall treten Quaddeln, Juckreiz und Rötungen auch fernab des Stichs auf, viele Betroffene leiden an Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen und/oder Atemnot. Im schlimmsten Fall kommt es zum anaphylaktischen Schock. Dann gilt: Sofort die 112 wählen! Allergikerinnen und Allergiker sollten immer ein Notfallset bei sich haben. Es enthält einen AdrenalinPen, flüssiges Kortison und ein Antiallergikum. Das Tückische: Insektengiftallergien können im Lauf des Lebens plötzlich auftreten, auch wenn die betroffene Person bis dahin immer normal reagiert hat. Bitte nicht essen! Bunte Beeren und Blüten sind für viele Kinder faszinierend. Vorsicht ist aber – ebenso wie bei unbekannten Pflanzen – u. a. bei Eibe (Samen der roten Beeren), Finger- und Eisenhut (rosa bzw. lila-blaue Blüten) sowie Tollkirsche (alle Pflanzenteile) geboten. Ihr Verzehr ist auch für Erwachsene giftig. Eibe Fingerhut Bärenklau Eisenhut Tollkirsche

| 19 Titel Hyposensibilisierung bei Insektengiftallergie Bei Menschen mit Insektengiftallergie reagiert das Immunsystem über. Durch eine Hyposensibilisierung soll es wieder auf seine natürliche Immunantwort zurückgestellt werden. Die Hyposensibilisierung beginnt mit einem kurzen stationären Aufenthalt unter ärztlicher Beobachtung, sodass im Notfall schnell medizinische Hilfe da ist. Das ganze Prozedere dauert etwa drei bis fünf Jahre, da Betroffene immer wieder Injektionen des Insektengifts erhalten – die Dosis wird dabei nach und nach erhöht. So soll der Körper wieder daran erinnert werden, wie die richtige Immunreaktion aussieht. Die Erfolgsquote ist hoch: Etwa 96 Prozent der Betroffenen mit Wespengiftallergie gelingt es, einen guten Schutz aufzubauen. Bei einer Bienengiftallergie sind es ca. 84 Prozent. Die Therapie wird von der Krankenkasse bezahlt. Vor Beginn sollte jedoch eine Allergologin oder ein Allergologe abklären, ob eine Hyposensibilisierung nötig bzw. möglich ist. Nur nicht unnötig Staub aufwirbeln Manche mögen sie ganz süß finden, doch hinter der kleinen Rötelmaus verbirgt sich ein großer Krankheitsüberträger: Der Nager gibt nicht nur den Fuchsbandwurm an Fuchs oder Haustier – und damit indirekt auch an den Menschen – weiter, sondern überträgt auch eine Form des Hantavirus: das Puumalavirus. Süddeutsche Ausbruchsgebiete sind die Schwäbische Alb, der Bayerische Wald und der Spessart. Die infizierten Rötelmäuse scheiden das Virus mit ihrem Urin, Kot und Speichel aus. Besonders beim Fegen von Kellern, Schuppen oder Ställen besteht dann die Gefahr, die eingetrockneten, aufgewirbelten Ausscheidungen einzuatmen und sich anzustecken. Nach zwei bis vier Wochen können sich schließlich grippeähnliche Beschwerden mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen zeigen. Zentrales Symptom ist jedoch ein akutes Nierenversagen, häufig begleitet von Flanken- und Bauchschmerzen. Deshalb wichtig: In von Mäusen bevölkerten Bereichen immer mit Handschuhen arbeiten, Räume vor dem Kehren lüften, währenddessen eine FFP2Maske tragen und ggf. dreckige Flächen vorher anfeuchten, um eine Staubbildung zu vermeiden. Danach die Hände gründlich mit Seife waschen. Die Informationen auf den Seiten 16 bis 19 wurden mit Unterstützung des Virologischen Instituts – Klinische und Molekulare Virologie, des Allergiezentrums und der Hautklinik des Uniklinikums Erlangen erstellt. Biene Hummel Wespe Hornisse

20 | Orange pikst nicht Manchmal ist der Weg durch eine Krankheit von Luftballons gesäumt. Links und rechts des Pfades leuchten sie bunt, fangen die Aufmerksamkeit ein und lassen kurz vergessen, wie weit es vielleicht noch ist. Oft sind es die Luftballons, an die sich ein krankes Kind Jahre später erinnert. Der Spaß, das Lachen, die positive Überraschung. Erst dann kommen Gedanken an medizinische Behandlungen und an negative Gefühle. „Ich hatte vor vielen Jahren einen onkologischen Patienten – damals zwölf Jahre alt. Vor drei Jahren kam er wieder hier vorbei, mittlerweile erwachsen“, erzählt Erzieherin Marion Müller. „Ich habe ihn gefragt: ‚Was weißt du noch von damals?‘ Er erinnerte sich an drei Dinge. Zuerst an einen Zauberer. Dann daran, dass wir mit großer Begeisterung zusammen immer die Fernseher in den anderen Zimmern ausgeschaltet haben, nachdem wir herausgefunden hatten, wie das geht: durch die Glasscheiben oben zwischen den Zimmern. Das war die Obergaudi! Und er wusste noch, dass er als ambulanter Patient mit nach Nürnberg zum Club fahren durfte und dort winkend mit seinem Freund über die Aschenbahn gelaufen ist.“ Marion Müller leitet ein vierköpfiges Erzieherinnenteam. Seit 1988 ist die Kinder- und Jugendklinik ihr Arbeitsplatz. „Es ist nicht die typische Erzieherinnentätigkeit, die wir hier in der Klinik machen“, stellt sie klar. „Unser Hauptziel ist es, die Patientinnen und Patienten und deren Familien gut durch die oft schwierige Krankenhaussituation zu begleiten, und dafür ist es wichtig, sehr schnell ERZIEHERINNEN Sie sind Begleiterinnen und Seelentrösterinnen, kreative Ideengeberinnen, Eventmanagerinnen, Spielpartnerinnen und noch viel mehr: Die Erzieherinnen der Kinderklinik ermöglichen heilsame Erfahrungen abseits der Medizin. VON FRANZISKA MÄNNEL Feature Lebensqualität trotz Krankheit Ein Tischtennisturnier im Freien, Minigolf und ein Bobbycarrennen auf dem Gang, eine Ritterburg, Besuch vom Therapiehund und eine lustige Geburtstagsparty, Konzerte, Zaubershows, Besuche von Osterhase und Christkind: Die Erzieherinnen erfüllen kranken Kindern und Jugendlichen so viele Wünsche wie möglich und sorgen für eine Menge Unterhaltung. Vertrauen aufzubauen.“ Ihre Kollegin Iris Hoseus fügt hinzu: „Das ist ganz anders als zum Beispiel in der Kita, wo die Pädagoginnen viel mehr Zeit haben, eine Beziehung aufzubauen.“ Über 20 Jahre lang war Iris Hoseus Erzieherin in verschiedenen Einrichtungen, bevor sie im Frühjahr 2023 ans Uniklinikum kam. Hier gehe es jetzt darum, die Vorlieben der Kinder schnell zu ergründen. „Bei vierjährigen Mädels tippe ich in 98 Prozent der Fälle auf Einhörner“, sagt sie lachend. „Aber es kann auch sein, dass ein Koala-Bild am Bett hängt – und schon habe ich einen Anknüpfungspunkt.“ Motorräder und Glitzerherzen Jakob liebt alles, was mit der Feuerwehr zu tun hat. Seit Ende 2020 lebt der heute Fünfjährige mit einem Kunstherz – einem ca. 15 Kilo schweren mobilen Unterstützungssystem, das ihm überallhin →

| 21 Feature Epilepsiepatientin Ella und Erzieherin Iris Hoseus beim UNO-Spielen

22 | Fortsetzung von S. 20 folgt. So lange, bis ein passendes Spenderherz für ihn gefunden wird. „Wir sind speziell geschult und besonders aufmerksam, was das Gerät betrifft“, sagt Marion Müller. Heute hat sie den herzkranken Jungen und alle anderen Patientinnen und Patienten zu einem Bastelnachmittag ins Foyer der Kinderklinik eingeladen. Jakob und sein kleiner Bruder Paul, der gerade zu Besuch ist, malen schon eifrig Motorräder aus; ihre Mutter hilft ihnen dabei, die großen, dicken Buntstifte zu führen. Als Jakob seinem Bruder gerade einen Wiedersehensschmatzer auf den Mund drückt, entdeckt Iris Hoseus die beiden: „Na, hallo ihr zwei. Lern ich dich auch endlich mal kennen, Paul – ich kenn dich ja bisher nur von Erzählungen“, sagt sie freundlich und setzt sich zu den Kindern. Währenddessen erklärt Marion Müller am anderen Ende des Tisches: „Heute dreht sich alles um die Zahl 30, weil wir am 4. Mai ja den 30. Toy-Run-Tag hier bei uns haben. Ihr könnt eine Girlande basteln oder eine Fahne gestalten, malen, stempeln, oder ihr klebt Blumen oder Zahlen auf.“ Die achtjährige Mina sitzt barfuß auf einer der Bierbänke, ein Bein aufgestellt, den Kopf auf dem Knie. Um sich vor Infektionen zu schützen, trägt sie einen bunt bedruckten Mundschutz. Suchend blickt sie über den Tisch voller Stifte, Sticker und Schnipsel – bis ihr Blick auf ein Döschen mit roten Glitzerherzen fällt. Die sollen es sein! Mina beginnt, sie konzentriert auf eine große Drei aus Folie zu kleben, die später mit einer ebenso farbenfrohen Null die Jubiläumszahl bilden wird. „Der Toy Run ist unser jährliches Highlight“, betont Marion Müller. „An diesem Tag besuchen hunderte Biker und Bikerinnen auf ihren Motorrädern die Kinderklinik und bringen Geldspenden und Geschenke mit. Es gibt Spiele und Livemusik, und alle, die im Bett bleiben müssen, werden von den Bikern auf Station besucht und beschenkt.“ Raus aus dem Patientenzimmer Zwei Tage nach der Bastelaktion treffen sich alle, die Lust haben und sich fit genug fühlen, mit Iris Hoseus im Gruppenzimmer. Hier wird von Montag bis Freitag gespielt, gebaut und kreativ gestaltet. Auch die dreijährige Ella ist heute dabei. Seit einem Jahr hat sie Epilepsie. „Heute Nacht ging es wieder los und morgens hatte sie schon mehrere Anfälle“, berichtet ihre Mutter, die bei ihrer Tochter auf Station schläft und sehr müde aussieht. „Sie kriegt jetzt andere Medikamente und muss so lange bleiben, bis es besser ist.“ Dass Ella heute mit Jakob, Paul und Anasthasia im Gruppenzimmer sein darf, ist nicht selbstverständlich. „Sie wird von Feature Beim Basteln für den 30. Toy Run verrät Marion Müller (l.): „Als Kind habe ich mein gesamtes Taschengeld für Buntstifte ausgegeben.“ Vier gewinnt „Die Kinderklinik leistet sich vier Erzieherinnen – das ist kein Standard“, sagt Marion Müller. Viel von dem, was das Team auf die Beine stellt, wird durch Spenden finanziert, vor allem durch den Verein Toy Run – Träume für kranke Kinder Erlangen. Zu den Erzieherinnen gehören neben Marion Müller und Iris Hoseus auch Pamela Krebs und Johanna Jandt.

| 23 Feature Vorsicht, Schnappgefahr! Aber mit Iris Hoseus kann den kleinen Kroko-Docs nichts passieren. Ein gut gelauntes Kind, das sich wohlfühlt, lässt sich eher auf medizinische Behandlungen ein. Marion Müller den Medikamenten immer etwas benommen, aber der Arzt hat gesagt, sie soll mal raus – im Zimmer kriegt sie einen Koller“, so die Mutter. Die Kinder entscheiden sich für eine Runde UNO Extreme mit Iris Hoseus: Hat man Glück, passiert nichts. Hat man Pech, spuckt die „Zufallsschleuder“ auf Knopfdruck eine ganze Flut von Karten aus. Als genau das bei Ella passiert, wirft sie ihren Kopf in den Nacken, lacht laut auf und steckt damit alle anderen am Tisch an. Die Erzieherin hilft der Kleinen, alle Karten einzusammeln und sagt: „Wir geben den Kindern hier ein bisschen Normalität und Lebensfreude, unter anderem im Spiel. Hier können sie auch mal Zeit ohne die Eltern verbringen, sich mit uns oder mit Gleichaltrigen austauschen. Auch die Geschwister sind hier willkommen.“ Weiter geht es mit dem Spiel Kroko Doc: Wer traut sich, dem Krokodil ins Maul zu greifen, um seinen kranken Zahn zu finden? Vorsicht: Es kann jederzeit zuschnappen! Voller Spannung geht es reihum, Zahn für Zahn wird heruntergedrückt und die Kinder rutschen feixend auf ihren Stühlen herum, wenn Kroko sie einmal mehr verschont hat. Vertrauensvoll legt jetzt der zweijährige Paul seinen Finger auf den von Iris Hoseus – sie soll den nächsten Zahn drücken. Gemeinschaftliches Augenzusammenkneifen. Uff – geschafft, nichts passiert! →

24 | Fortsetzung von S. 23 Kleine Auszeit für die Eltern Doch nicht immer geht es so schnell wie bei Geschwisterkind Paul. Manchmal ist das Eis dick und es dauert, bis die jungen Patientinnen und Patienten auftauen. „Wenn ich in ein Zimmer komme und jemand ganz verschlossen mit seinem Bärchen dasitzt, spreche ich vielleicht erst mal das Kuscheltier an und erst später das Kind“, verrät Iris Hoseus. „Alles, was wir anbieten, bleibt freiwillig”, unterstreicht Marion Müller. „Aber ein gut gelauntes Kind, das sich wohlfühlt, lässt sich eher auf medizinische Behandlungen ein.“ Einige Patientinnen und Patienten sehen die vier Erzieherinnen über Jahre immer wieder – etwa, weil sie chronische Erkrankungen haben oder eine fortlaufende Krebstherapie brauchen. Betreut werden alle – vom Kleinkind über die Teenagerin bis zum jungen Erwachsenen, Kinder mit und ohne Behinderung, gut therapierbare und sehr schwere Erkrankungen. Zur letzten Gruppe gehört auch Helena. Die Zehnjährige wird seit drei Jahren in Erlangen behandelt. Wegen eines Darmverschlusses erlitt das Mädchen bereits als Kleinkind ein Multiorganversagen, was ihre Nieren bleibend schädigte. Ein Transplantationsversuch scheiterte, fast wäre sie gestorben. Bis heute ist Helena dialysepflichtig. Dreimal wöchentlich – für je vier Stunden – wird ihr Blut maschinell gereinigt. Marion Müller kommt dann vorbei, um „Lenchen“, wie sie sie nennt, die Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten. „Ob bauen, puzzeln oder ,Ich seh was, was du nicht siehst‘ mit den anderen Dialysepatienten – uns fällt immer was Neues ein“, sagt die leitende Erzieherin. Helenas Lieblingsbeschäftigung ist Lego. Deshalb bringt Marion Müller ihr heute ein neues Set vorbei und baut mit ihr zusammen. „Sie freut sich immer sehr, wenn jemand kommt, denn nach einer gewissen Zeit wird es langweilig. Das Erzieherinnenteam ist deshalb Gold wert“, sagt Helenas Vater Gerald H. „Und wir Eltern können auch mal weg – auf einen Cappuccino oder einen Gang in den Botanischen Garten. Es bräuchte viel mehr solche Leute. Um das alles zu finanzieren, gibt es ja zum Beispiel den Toy Run e. V. Wir spenden jedes Jahr, auch wenn wir es nie in dem Maß zurückzahlen können, wie uns hier geholfen wird.“ Fünf Minuten Freude Junge Patientinnen und Patienten, die ins Krankenhaus müssen, sind oft ängstlich, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt. „Unser ärztliches und pflegerisches Team leistet tolle Arbeit, aber manche Untersuchungen oder Therapien sind natürlich trotzdem unangenehm“, sagt Marion Müller. „Bei uns Erzieherinnen können sich die Kinder und Jugendlichen ,sicher‘ fühlen. Wir tragen keine weißen Kittel, sondern orange – wir piksen nicht.“ Feature Marion Müller und Patientin Helena sortieren gemeinsam die neuen Lego-Steine, Papa Gerald H. schaut zu. Die anderen beiden Mädchen im Dialysezimmer haben das gleiche Set bekommen, damit sich keine benachteiligt fühlt.

| 25 Feature „Wie kann ich Sie noch unterstützen? Soll ich mal ein Puzzle vorbeibringen?“, fragt Marion Müller die Mutter von Rebecca. Die Kleine blättert derweil im Wimmelbuch „Meine Kinderklinik Erlangen“, das sie von der Erzieherin bekommen hat. Haben die Jungen und Mädchen erst Vertrauen gefasst, sprechen sie mit den Erzieherinnen häufig sogar offener als mit ihren Eltern – gerade bei ernsten Diagnosen. Mama und Papa werden von den Kindern geschützt. In ihrer Rolle als Vermittlerin bricht Marion Müller auch mal eine Lanze für ihre Patienten: „Wenn sich jemand nicht traut, dem medizinischen Personal zu sagen, dass sie oder er etwas ganz doof findet, dann mache ich das.“ Sie sei gerade eine Woche am Uniklinikum gewesen, da habe sie ein Schlüsselerlebnis gehabt, erinnert sich Iris Hoseus. Sie betrat das Zimmer eines schwer kranken Jungen. „Ich habe ein bisschen Spaß mit ihm gemacht und er hat dabei so herzhaft gelacht“, berichtet sie. „Seine Mama hatte Tränen in den Augen. ,Sie sind jetzt nach einer Woche die Erste, bei der er wieder lacht‘, hat sie gesagt. Da habe ich verstanden: Auch fünf Minuten Lachen zu schenken, ist enorm wichtig für die Lebensqualität. Das hat mich sehr bewegt.“ Ein anderer palliativer Patient wünschte sich von Marion Müller einmal unbedingt eine ganz spezielle Lego-Eisenbahn. „Ich habe sie ihm besorgt, und am Abend hat er erst mit mir und dann mit seinem Papa daran gebaut – stundenlang.“ Die Cornflakes, die ihm Marion Müller am nächsten Morgen aus dem Supermarkt mitbringen wollte, konnte der Junge nicht mehr essen. Er verstarb am nächsten Tag. Doch bis zum Ende haben die Erzieherinnen seine Lebensqualität verbessert, seinen Blick auf etwas Positives gelenkt und ihm einen Herzenswunsch erfüllt. Marion Müller sagt: „Er konnte nicht gerettet werden, aber er hatte seine geliebte Eisenbahn gebaut – mit Begeisterung und letzter Kraft.“ Fünf Minuten Lachen zu schenken, ist enorm wichtig für die Lebensqualität. Iris Hoseus Das Stimmungsbarometer am Bett haben die Erzieherinnen eingeführt, damit sie sofort sehen, wie die Lage ist, wenn sie ein Zimmer betreten. Anna-Marias „Akku“ (l.) zeigt heute 30 Prozent, ihre Stimmung (r.) „passt“. Video: Die Arbeit der Erzieherinnen www.gesundheit-erlangen.com

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