| 23 Feature Etwa 90 Prozent der Angehörigen nehmen das Angebot an, ins Intensivtagebuch zu schreiben. Vorne werden der übliche Tagesablauf und die Geräte neben dem Patientenbett erklärt, im hinteren Teil ist Platz für Einträge von Besuchenden, Pflegefachkräften und Physiotherapeuten. Umlagern. Ganz besonders schätzen die beiden Frauen die offene Kommunikation: „Das Team spricht einem Mut zu, ohne zu viel Fortschritt zu versprechen“, merkt Kornelia R. an, und ihre Tochter ergänzt: „Nach jedem Besuch gehe ich mit einem guten Gefühl nach Hause, weil ich weiß, Andi ist hier gut aufgehoben.“ Auch dass das Stationsteam sie regelmäßig zu einem fest vereinbarten Termin anruft, um etwa zu berichten, wie sich Andreas R.s Zustand über Nacht verändert hat, finden sie entlastend. Pflegefachkraft Jacqueline Mc Farland erklärt: „Die Angehörigen können sich darauf verlassen, dass wir uns melden. Wir nehmen uns die Zeit, um Antworten auf offene Fragen zu geben und auf individuelle Ängste und Wünsche einzugehen. Und dank der fest eingeplanten Telefonate lassen sich Unterbrechungen unseres Arbeitsflusses reduzieren, die sich sonst durch Anrufe der Angehörigen ergeben würden.“ Tagebuch für die Zeit danach Kornelia R. schlägt stolz das reichlich gefüllte Intensivtagebuch ihres Sohnes auf. Sowohl Angehörige als auch Pflegekräfte schreiben hier regelmäßig für „Superman Andi, der hier alle auf Trab hält und kämpft wie ein Löwe“, damit er später besser nachvollziehen kann, was passiert ist, während er im Koma lag. Fachkrankenschwester Lisa schrieb z. B. während einer Nachtschicht: „In Ihren Kopf wurde ein Schlauch gelegt, der dafür sorgt, dass Sie keinen Hirndruck entwickeln. Jede Stunde leuchte ich Ihnen in die Augen, um zu sehen, wie Ihre Pupillen aussehen und reagieren. Alle drei Stunden positioniere ich Sie neu im Bett, damit Sie nirgends Druckstellen bekommen.“ Für Angehörige ist das Tagebuch eine mentale Stütze und dokumentiert gute Wünsche: „30. Geburtstag, EM, London, … alles, was noch ansteht, wird ordentlich gefeiert. […] Bitte kümmer dich jetzt erst mal nur um dich. Alles, was Spaß macht, wird gemacht!“ lautet ein Eintrag. Ein anderer: „Wir alle denken an dich und geben dir Kraft, sodass wir diese Tage gemeinsam überstehen.“ Vorbei an einer grünen Trennwand voll mit Fotos des jungen Patienten mit Freunden und Familie läuft Jasmin R. zur Tür des Stationszimmers. „Der ganze Trubel hier. Andreas denkt bestimmt: ‚Die sind verrückt‘“, sagt sie lachend, dreht sich noch einmal um und bleibt mit offenem Mund stehen. Denn Andreas – es ist trotz Beatmungsschlauch zu erkennen – lächelt, öffnet die Augen und schaut Schwester und Mama für ein paar Sekunden forsch an. Dann dämmert er wieder weg. Jasmin R. strahlt: „Das haben wir bisher nicht erlebt, dass er einen gezielt ansieht. Das heißt wohl, dass er bald aufwacht.“ Intensive Betreuung Tagsüber ist eine Pflegefachkraft für zwei Patientinnen bzw. Patienten zuständig, nachts für drei. „Wir haben hier Zwei- und Vierbettzimmer und zwei Isolationsräume für immunsupprimierte oder ansteckende Patienten“, erläutert Diana Hunsicker, die seit drei Jahren auf der Erlanger NeuroIntensivstation arbeitet und insgesamt 15 Jahre Erfahrung in der Intensivmedizin mitbringt. Sie zeigt auf den „Baum“ neben sich, an dem Medikamenten- und Ernährungspumpen, Beatmungsgerät, Pulsoxymeter zur Messung der Sauerstoffsättigung, Absaugkatheter, Blutdruckmanschette, →
RkJQdWJsaXNoZXIy ODIyMTAw