| 23 Medizin Prof. Dr. Michael Sticherling, stellvertretender Direktor der Hautklinik des Uniklinikums Erlangen Dr. Jochen Wacker, Funktionsoberarzt der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie des Uniklinikums Erlangen Wie wirkt Kortison im Körper? Prof. Sticherling: Kortison ist ein körpereigenes lebenswichtiges Hormon, das in der Nebennierenrinde gebildet wird und essenzielle Stoffwechselvorgänge im Körper reguliert. Es ist für die Stressreaktion, die Regulation des Blutdrucks und Funktionen wie Fett- und Proteinstoffwechsel, für die Zuckerneubildung und den Wasser- und Elektrolythaushalt wichtig. Und inwiefern hilft es als Medikament bei entzündlichen Erkrankungen? Dr. Wacker: Indem Kortison effektiv auf die unterschiedlichen Zellarten des Immunsystems wirkt und deren Aktivierung verhindert oder reduziert, sorgt es dafür, dass Entzündungen abklingen. In welchen konkreten Fällen ist Kortison das Mittel der Wahl? Dr. Wacker: Kortison wirkt innerhalb von wenigen Stunden bis Tagen. Entsprechend wird es vor allem dann eingesetzt, wenn Entzündungsreaktionen schnell beendet werden sollen. Nach Organtransplantationen, bei Nebenniereninsuffizienz und schweren Autoimmunerkrankungen wäre eine Therapie ohne Kortison kaum möglich. Es wird vor allem dann verwendet, wenn eine Krankheit neu diagnostiziert wurde und ein schneller Wirkeintritt wichtig ist, um Schmerzen zu lindern, eine Schädigung von Organen und manchmal auch eine Gefahr für das Leben der Patientin beziehungsweise des Patienten zu vermeiden. Prof. Sticherling: Auch bei zahlreichen entzündlichen Hauterkrankungen im akuten Stadium – beispielsweise bei Schuppenflechte, Neurodermitis, Knötchenflechte oder Nesselsucht – wird künstlich hergestelltes Kortison eingesetzt. Welche Formen der Kortisontherapie werden jeweils wann angewendet? Dr. Wacker: Am häufigsten ist die orale Anwendung in Tablettenform. Bei hohen Dosierungen erfolgt die Gabe als Infusion, damit die Substanz ausreichend aufgenommen wird. Wenn lokale Entzündungen – beispielsweise von einzelnen Gelenken – den Einsatz von Kortison erfordern, kann es auch direkt in das betroffene Gelenk injiziert werden, sodass das Präparat nur örtlich und wenig bis gar nicht auf den gesamten Körper wirkt. Prof. Sticherling: Gerade bei Hauterkrankungen ist vorrangig die lokale Anwendung von Kortison geeignet. Dafür sind verschiedene Creme- und Salbengrundlagen in breiter Auswahl und verschiedenen Wirkstärken verfügbar. Orale und injizierbare Kortisonpräparate werden bei schweren und ausgedehnten Hauterkrankungen, insbesondere auch bei der Mitbeteiligung von anderen Organen, eingesetzt. Welche Faktoren bestimmen die optimale Dosierung von Kortison? Prof. Sticherling: In der Dermatologie kommt es vor allem auf die Körperstelle an. Die Gesichtshaut und das Dekolleté sind beispielsweise besonders empfindlich, während Kopfhaut und Hand- sowie Fußflächen eher weniger sensibel sind. Bei Kindern muss die noch junge und dünne Haut in die Entscheidung zur Kortisongabe einbezogen werden. Sie bekommen deshalb maximal Kortisonpräparate der Wirkstärkeklasse 1 oder 2. Dr. Wacker: Oft wird die Anfangsdosis nach →
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