12 |Titel Besteht die Möglichkeit einer Organspende, sucht Prof. Dr. Carsten Willam gemeinsam mit seinem Team das Gespräch mit den Angehörigen. Dabei geht es darum, den mutmaßlichen Willen der oder des Verstorbenen zu klären und die Hinterbliebenen in dieser schweren Situation einfühlsam zu begleiten. Wir alle sollten uns fragen: Würde ich in einer lebensbedrohlichen Situation ein Organ annehmen wollen? Prof. Dr. Carsten Willam Fortsetzung von S. 11 vorliegt, in dem der Wille dokumentiert wurde. Seit 2024 prüfen wir zusätzlich, ob eine entsprechende Erklärung im neuen Online-Organspenderegister hinterlegt ist. Angenommen, es liegt eine schriftliche Einwilligung der oder des Verstorbenen vor, die Angehörigen sind jedoch dagegen – wessen Wille zählt dann? Ein Organspendeausweis oder ein Eintrag im Register sind deutliche Hinweise für den mutmaßlichen Willen der verstorbenen Person. Dennoch suchen wir immer das Gespräch mit den Angehörigen. Denn manchmal ist der Ausweis schon viele Jahre alt oder der Eintrag im Register wurde unter besonderen Umständen gemacht, die heute vielleicht anders zu bewerten wären. Die Hinterbliebenen kennen die Lebensgeschichte der oder des Verstorbenen und können ihre oder seine Entscheidung einordnen. Also haben die Angehörigen immer das letzte Wort? Wir führen eine Organspende niemals gegen den ausdrücklichen Wunsch der Angehörigen durch. Denn wir gehen davon aus, dass sie im Sinne der verstorbenen Person entscheiden. Wie erleben Sie Angehörige, wenn kein Wille bekundet wurde? Wir erleben dann häufig eine ablehnende Haltung gegenüber der Organspende. Da spielen verschiedene Gründe hinein: persönliche Lebenserfahrungen, religiöse Ansichten, aber auch Ängste. Welche Ängste sind das konkret? Zum Beispiel die Sorge, dass wir einen Patienten möglicherweise zu früh aufgeben oder dass die verstorbene Person doch noch am Leben sein könnte. Viele Angehörige fragen sich außerdem: Was ist, wenn wir eine Entscheidung treffen, die der oder die Verstorbene so nicht gewollt hätte? Aus Angst, etwas „falsch“ zu machen, entscheiden sie sich daher oft gegen eine Organspende. Was sagen Sie den Angehörigen dann? Diese Sorgen sind absolut nachvollziehbar – sie sind zutiefst menschlich. Dennoch sind sie unbegründet. Erstens: Wir geben niemanden einfach auf – unser Ziel ist es immer, Menschenleben zu retten. Zweitens ist der irreversible Hirnfunktionsausfall eindeutig feststellbar. Auf ihn folgen zwangsläufig der Atem- und der Herzstillstand sowie der Ausfall aller anderen Organe. Natürlich existieren spirituelle oder religiöse Vorstellungen vom Tod – doch
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