Gesundheit erlangen - Sommer 2025

| 23 Feature „Ich nehme die Menschen, wie sie sind. Anders kriege ich sie nicht“, sagt Marc Reinhold. Der Gesundheits- und Krankenpfleger in der Neurochi- rurgischen Klinik des Uniklinikums Erlangen hat im Lauf eines Jahres 17 neue internationale Kolleginnen und Kollegen bekommen – u. a. von den Philippinen, aus Indien, Tunesien, Serbien und Somalia. Sie verteilen sich auf die neurochirurgischen Normalstationen 32 und 22 sowie die Privatstation 31. „Die Zusammenarbeit klappt gut“, findet Marc Reinhold. Kürzlich hat er gemeinsam mit anderen Pflegefachkräften des Uniklinikums Erlangen ein Seminar zur interkulturellen Teamentwicklung besucht. Seine Motivation: „Ich möchte wissen, was ich noch nicht weiß. Ich möchte niemanden vor den Kopf stoßen, indem ich Fehler mache, die vermeidbar wären“, erklärt er. Das gelte für Kolleginnen und Kollegen, aber auch für Patientinnen und Patienten mit anderem kulturellen Hintergrund. Welt-Schmerz Marc Reinholds Team versorgt Menschen u. a. nach Schädel-, Hirn- oder Rückenmarksverletzungen sowie nach Operationen an Gehirn oder Wirbelsäule. Dass solche Patientinnen und Patienten Schmerzen äußern oder Angehörige mitunter schlechte Nachrichten verarbeiten müssen, ist für die Mitarbeitenden der Neurochirurgie nicht ungewöhnlich. „Gerade Schmerzen und auch Trauer werden kulturell aber ganz unterschiedlich ausgedrückt“, erklärt Silke Ettling, Expertin für interkulturelle Kommunikation im Gesundheitswesen. Sie leitete den Workshop, an dem auch Marc Reinhold teilnahm. Werden körperliche Beschwerden in Deutschland tendenziell gefasst kommuniziert, so geschieht das KULTURSENSIBLES KRANKENHAUS Unterschiede wahrnehmen, Gemeinsamkeiten finden und wegkommen von „richtig“ und „falsch“: Das tun die Mitarbeitenden kultursensibler Krankenhäuser. Warum es sich lohnt, den Weg der Integration zu gehen – und wie er gelingen kann. Ein Bericht aus dem Uniklinikum Erlangen. VON FRANZISKA MÄNNEL in anderen Kulturen mitunter noch weniger emotional, aber manchmal auch deutlich gefühlsbetonter. Ärztliches und pflegerisches Personal hat bei Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund dann die Aufgabe, gesteigerte Emotionalität nicht als Hysterie abzutun, sondern als kulturelle Eigenheit zu erkennen und körperliche Ursachen dennoch gründlich zu erforschen. Auch bei der Trauerbewältigung gibt es Unterschiede: Für deutsche Angehörige ist es normal, sich gegenüber einer Ärztin noch zu beherrschen, bevor sie später emotional zusammenbrechen. Bei Menschen anderer Kulturen kann es passieren, dass sie Trauer oder Verzweiflung schon im Krankenhaus viel stärker nach außen tragen – etwa in Südosteuropa oder im Nahen Osten. → Diverse Gesellschaft – diverses Gesundheitssystem 30 Prozent der Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Damit werden auch Kliniken – ihre Beschäftigten und ihre Patientenklientel – immer diverser. Häuser, die sich dem öffnen, sind zukunftsfähiger, flexibler und finden bessere Lösungen für alle. Sie sind als Arbeitgeber für (internationale) Fachkräfte attraktiver und können gleichzeitig besser auf Patientinnen und Patienten unterschiedlicher Herkunft und Kultur eingehen. In kultursensiblen Krankenhäusern gibt es weniger Missverständnisse. Sie gewinnen eher das Vertrauen von Patientinnen und Patienten und Therapien lassen sich erfolgreicher umsetzen.

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