Gesundheit erlangen - Sommer 2025

32 | Medizin Von Pest bis Pandemie: Hygiene ist überall Heute ist es kaum vorstellbar, doch: Im Mittelalter lagen Patientinnen und Patienten in Krankensälen oder auf Seuchenstationen oft dicht gedrängt zusammen – mitunter vier Personen pro Bett! So konnten sich Krankheiten wie Typhus, Krätze, Fleck- und Rückfallfieber rasant verbreiten. Das „Gegenmittel“: Räucherungen, die die „schlechten Dünste“ – und damit auch die Krankheiten – vertreiben sollten. Als ab dem 14. Jahrhundert Pest- und später Syphilis-Epidemien die Bevölkerung heimsuchten, verteufelte man zunehmend das Wasser: Die Menschen glaubten, die klare Flüssigkeit öffne die Poren der Haut und mache den Körper so anfälliger für die krankmachende Luft, die sie umgab. Sich zu waschen, galt fortan als gefährlich – ein Irrglaube, der sich hartnäckig hielt: Vom Barock bis ins 18. Jahrhundert versuchten Menschen, ihre Hautporen mit Salben, Ölen und Pudern zu „verstopfen“. Parfüm sollte indes ihren unerträglichen Körpergeruch übertünchen. Rotes Blut auf dunklem Grund Auch Ärzte hielten es nicht anders: Chirurgen waren bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts oft dunkel gekleidet – Blutflecken sollten so weniger auffallen. Gereinigt wurde die Arbeitskleidung fast nie. Die Ärzte arbeiteten ohne Handschuhe oder vorheriges Händewaschen. Wenn sie operierten oder Wunden reinigten, dann taten sie das oft nacheinander bei mehreren Patientinnen und Patienten mit denselben unsterilen Instrumenten – denn Keime kannte zu dieser Zeit noch niemand. MEDIZIN GESTERN UND HEUTE Was bis ins späte 19. Jahrhundert noch als Unsinn galt, ist heute die Grundlage aller medizinischen Tätigkeiten. Eine kurze Geschichte der Krankenhaushygiene. VON FRANZISKA MÄNNEL Verspotteter Pionier Erst Ignaz Semmelweis, ein ungarischer Arzt, erkannte 1847 in Wien als einer der Ersten die Wichtigkeit der Desinfektion: Er stellte fest, dass weniger Mütter an Kindbettfieber starben, wenn Medizinstudenten vor den Entbindungen ihre Hände und Instrumente in einer Chlorkalklösung reinigten. Eine bahnbrechende Erkenntnis – doch Semmelweis’ Kollegen hielten sie für Unsinn. In seinen letzten Lebenstagen war der Arzt wegen Verhaltensauffälligkeiten in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Im Jahr 1865 starb er vermutlich ausgerechnet an einer Blutvergiftung, ausgelöst durch eine infizierte Wunde. Begründerin der professionellen Pflege Zur gleichen Zeit hatte eine britische Krankenschwester mehr Erfolg: Florence Nightingale, die unter anderem in Deutschland ausgebildet wurde, entwickelte Pflege- und Hygienekonzepte, die bis heute relevant sind. In einem britischen Lazarett in der Türkei sorgte sie für frische Luft, trennte Wäsche in sauber und unrein, ließ die verwundeten Soldaten waschen, Abwasser und Müll entsorgen und hielt das Pflegepersonal zum Händewaschen an. Zudem notierte sie alle Infektions- und Sterbefälle systematisch – ein Grundstein für die heutige medizinische Dokumentation. Geburt der Keimtheorie In Deutschland revolutionierte indes Robert Koch das Verständnis von Infektionen: Der Arzt entdeckte Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur den Tuberkuloseerre-

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