| 49 Kopfsache KOPFSACHE Unfälle, Verluste, Erkrankungen – wir alle sind mit belastenden Ereignissen konfrontiert. Doch manchmal sind diese Erfahrungen so erschütternd, dass sie tiefe, seelische Wunden hinterlassen, die nur schwer heilen – vor allem dann, wenn die Belastung über einen längeren Zeitraum andauert oder sich wiederholt. Was bleiben kann, ist eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung, kurz kPTBS. INTERVIEW VON MAGDALENA HÖGNER Frau Prof. Erim, wann spricht man von einem Trauma? Ein Trauma ist ein seelisch belastendes Ereignis, das bei den meisten Menschen eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Es kann durch verschiedene Erlebnisse ausgelöst werden: schwere Erkrankungen, Naturkatastrophen oder körperliche, psychische und sexuelle Gewalt. Ob ein Erlebnis als traumatisch empfunden wird, ist individuell. Die Wirkung hängt stark von der persönlichen Wahrnehmung, der Lebenssituation und der seelischen Widerstandskraft ab. Welche seelischen Folgen kann ein Trauma auslösen? Es ist möglich, dass eine Person ein einmaliges belastendes Ereignis – beispielsweise einen Verkehrsunfall – gut verkraftet, vor allem, wenn die Person darauf vorbereitet war, wie etwa Einsatzkräfte auf einen Unfall. Ob ein Trauma zu einer posttraumatischen Belastungsstörung, kurz PTBS, führt, hängt neben der psychischen Widerstandsfähigkeit der Person auch von der Schwere und der Häufigkeit der Ereignisse ab. Je heftiger und häufiger die Belastungen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie Folgen hinterlassen. Darüber hinaus führen Ereignisse, die von Menschenhand ausgeführt wurden, wie körperliche oder sexuelle Gewalt, öfter zu einer Erkrankung. Gute soziale Unterstützung, die Anerkennung des Opferstatus und die Vermittlung von Hoffnung sind protektive Faktoren. Wie äußert sich eine PTBS? Es gibt drei zentrale Symptome. Zum einen leiden Betroffene unter Intrusionen. Das sind wiederkehrende, sich aufdrängende Erinnerungsfragmente, die oft so real wirken, dass sie das Gefühl vermitteln, das Erlebte geschehe erneut. Ein weiteres Merkmal ist das Hyper- arousal, eine anhaltende Übererregung des NervensysDie Diagnose komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) ist noch relativ neu: Sie wurde im Jahr 2022 erstmals als eigenständiges Krankheitsbild definiert, und zwar mit Veröffentlichung der ICD-11, der aktuellen Version des internationalen Klassifikationssystems für Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation. In der Psychosomatischen Abteilung des Uniklinikums Erlangen werden Patientinnen und Patienten mit einer (k)PTBS in einem spezialisierten gruppentherapeutischen Setting behandelt. Die Abteilung untersucht in wissenschaftlichen Studien die Effekte der Behandlung. Die Therapeutinnen und Therapeuten sind u. a. in der Methode des EMDR ausgebildet. Supervision und wissenschaftlicher Austausch finden mit renommierten Traumatherapeutinnen und -therapeuten wie Luise Reddemann, Wolfgang Wöller und Peter Liebermann statt. tems. Die Betroffenen befinden sich in einem Zustand ständiger innerer Anspannung, was sich beispielsweise durch Unruhe oder Schlafprobleme bemerkbar macht. Hinzu kommt ein ausgeprägter sozialer Rückzug. Um belastende Erinnerungen oder Gefühle zu vermeiden, schotten sich viele Traumatisierte von bestimmten Orten, Situationen oder auch zwischenmenschlichen Kontakten ab. Was, wenn belastende Situationen sich wiederholen oder über längere Zeit anhalten? Viele Patientinnen und Patienten, die wir in der Psychosomatik des Uniklinikums Erlangen behandeln, →
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