Gesundheit erlangen - Herbst 2025

| 17 Titel Experte. „Wachstumsstörungen im eigentlichen Sinn, die genetisch oder hormonell bedingt sind, kommen aber viel seltener vor. Zum Beispiel kann es da sein, dass die Hirnanhangsdrüse oder die Schilddrüse nicht genügend Hormone produzieren. Sehr selten können auch Knochenerkrankungen ursächlich sein“, fährt Prof. Wölfle fort. Die Gesellschaft verändert sich „Es war lange so, dass Kleinwuchs vor allem bei Jungen auffiel und Hochwuchs bei Mädchen“, erläutert der Pädiater. „Das lag vor allem daran, dass Jungen nicht so gern klein und Mädchen nicht so gern groß sein wollten. Wir beobachten, dass sich das verändert, weil die Gesellschaft dazugelernt hat und die Akzeptanz auffälliger, unter- oder überdurchschnittlicher Körpergrößen allgemein gestiegen ist.“ Bekommen Mädchen mit Hochwuchs dennoch hoch dosierte weibliche Geschlechtshormone, um ihr Wachstum zu bremsen, kann das nennenswerte Nebenwirkungen haben, wie der Kinderarzt einräumt: „Studien belegen, dass diese Therapie die weibliche Fruchtbarkeit negativ beeinflussen kann. Auch Hautprobleme und Gewichtszunahme kommen vor. Deshalb sind wir bei der hormonellen Behandlung des Hochwuchses mittlerweile deutlich zurückhaltender. Der Ansatz ist heute eher der, die Wachstumsfugen zwischen Ober- und Unterschenkel chirurgisch zu behandeln, sodass sich diese schneller schließen und das Längenwachstum früher aufhört. Das gilt auch für Jungs mit Hochwuchs.“ Fehlt das Wachstumshormon? In der endokrinologischen Sprechstunde sehen Prof. Wölfle und seine ärztlichen Kolleginnen und Kollegen ohnehin überwiegend Kinder und Jugendliche mit Kleinwuchs. Sie werden von kinderärztlichen Praxen weitervermittelt, wenn diese eine auffällige Wachstumsentwicklung im Verlauf oder auffällige Blutwerte feststellen. „Wird ein Wachstumshormonmangel vermutet, schauen wir uns das hier genauer an“, erklärt Joachim Wölfle. Seine Klinik verfügt über ein eigenes klinisches Labor für solche Fragestellungen. Kinderendokrinologie, -orthopädie und -radiologie arbeiten Hand in Hand, wenn Jungen oder Mädchen ungewöhnliche Wachstumskurven zeigen. „Einen Mangel an Wachstumshormon festzustellen, ist nicht leicht, weil es nicht konstant ins Blut abgegeben wird, sondern in sogenannten Pulsen – und das vor allem nachts. Wenn alle Kriterien für eine erweiterte Diagnostik erfüllt sind, machen wir deshalb Stimulationstests mit den Kindern: Sie bekommen ein Medikament, das das Wachstumshormon im Blut normalerweise ansteigen lässt. Passiert das in zwei unabhängigen Tests nicht, besteht ein Mangel.“ Ist dieser bestätigt, werden mittels MRT zunächst Auffälligkeiten im Gehirn, insbesondere in der Hirnanhangsdrüse, ausgeschlossen, denn das Wachstumshormon wird eigentlich in dieser Drüse gebildet – ein Tumor könnte das verhindern. Wenn die Bildgebung unauffällig ist, können Ärztinnen und Ärzte das Hormon medikamentös ersetzen. Mit einem Injektions-Pen spritzen es die Eltern oder das Kind dann täglich oder wöchentlich selbst. Beim Start ins Leben zu klein Auch der heute zwölfjährige Moritz ist seit einigen Jahren Patient der Erlanger Kinderklinik. Er kam → Einen Mangel an Wachstumshormon festzustellen, ist nicht ganz leicht, weil es nicht konstant ins Blut abgegeben wird. Prof. Dr. Joachim Wölfle

RkJQdWJsaXNoZXIy ODIyMTAw