Gesundheit erlangen - Winter 2025/26

10 | Titel Fortsetzung von S. 9 verändert“, erklärt Prof. Gräßel. „Eine Frau, die ihren Ehemann pflegt, muss erkennen, dass dieser nicht mehr der Partner ist, der sie über Jahrzehnte begleitet hat. Ein Sohn, der seine Mutter bis ins hohe Alter versorgt, merkt langsam, dass die Frau, die ihn einst umsorgt hat, nicht mehr da ist. Im Gegenteil: Plötzlich ist er es, der die Verantwortung trägt. Diese Erfahrung ist äußerst schmerzhaft.“ Dein Schmerz ist mein Schmerz Die häusliche Pflege hinterlässt bei den An- und Zugehörigen deshalb oft tiefe Spuren: „Mehr als die Hälfte von ihnen gibt an, sich stark oder sehr stark belastet zu fühlen. Bei denjenigen, die eine demenzerkrankte Person betreuen, sind es sogar rund 70 Prozent“, berichtet Elmar Gräßel. „Das kann weitreichende Folgen haben – sowohl für die Pflegenden als auch für die Menschen, die sie versorgen.“ Denn der Dauerstress macht langfristig krank: Je größer die empfundene Belastung, desto höher ist das Risiko für Depressionen oder andere psychische Erkrankungen. Auch die körperliche Gesundheit büßt ein. So nehmen etwa Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen zu, und sogar das eigene Sterblichkeitsrisiko steigt. „Wenn sich eine Betreuungsperson sehr stark überfordert fühlt, wirkt sich das außerdem auf den Pflegestil aus – der Umgang mit dem erkrankten Menschen wird dann ruppiger. Das kann bis zur Vernachlässigung gehen – nicht aus böser Absicht, sondern aus dem eigenen Leidensdruck heraus“, erläutert Prof. Gräßel. „Nicht zuletzt steigt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die pflegebedürftige Person in ein Pflegeheim abgegeben wird.“ Pflege ist nicht gleich Pflege Trotz aller Widrigkeiten erfahren nicht alle An- und Zugehörigen die Pflegetätigkeit als Belastung. Wie die Betreuung erlebt wird, ist individuell unterschiedlich. Das bestätigt auch Elmar Gräßel: „Es gibt Pflegende, die rein objektiv sehr hohen Anforderungen ausgesetzt sind – etwa, weil sie täglich mehr als zehn Stunden pflegen oder in erheblichen finanziellen Nöten stecken. Wenn sie jedoch ein starkes soziales Umfeld haben, kann es sein, dass sie die Situation gut meistern.“ Umgekehrt könne eine geringere Arbeitslast auch als sehr anstrengend empfunden werden, etwa wenn unterstützende Strukturen fehlen. Das Risiko, selbst zu erkranken oder anderweitig negative Auswirkungen zu erfahren, steigt dann deutlich an. „Ob pflegende An- und Zugehörige überlastet sind und selbst gesundheitlich leiden, hängt also weniger von den objektiven Anforderungen ab – entscheidend ist vielmehr, wie belastend sie die Situation wahrnehmen“, fasst der Experte zusammen. Andere pflegen – und daran wachsen Zugleich steht aber auch fest: Pflegende An- und Zugehörige können aus der Betreuung des nahesteWie belastet bin ich? Die Häusliche-Pflege-Skala (HPS) hilft pflegenden An- und Zugehörigen, das eigene Belastungsempfinden einzuordnen – kostenlos und anonym. www.kurzlinks.de/jxba Neues Entlastungsangebot Die Arbeitsgruppe „Angehörigenforschung“ am Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung des Uniklinikums Erlangen hat ein neues Entlastungsangebot ins Leben gerufen: Im Frühjahr 2026 soll erstmals eine Kurmaßnahme stattfinden, die speziell auf die Bedürfnisse pflegender An- und Zugehöriger ausgerichtet ist. Interessierte können sich schon jetzt informieren und anmelden. Eine Teilnahme ist möglich, wenn die Betreuung der pflegebedürftigen Person während der Kur gesichert ist – z. B. durch Verhinderungspflege. Das Angebot richtet sich vorrangig an berufstätige pflegende An- und Zugehörige. Zudem werden ein PC oder Tablet sowie ein Internetzugang benötigt. E-Mail: pakur.ps@uk-erlangen.de www.uker.de/pspakur

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