30 | Medizin Jetzt beginnt das Leben – und die Nachsorge „Mir geht es heute gut!“, sagt Marie W. und lächelt. Das war nicht immer so. Die 27-Jährige ist eine Kämpferin – eine Frau, die heute lebt, weil sie als Kind den Krebs besiegt hat. Im Alter von 14 Jahren wurde bei ihr ein Non-Hodgkin-Lymphom diagnostiziert, eine Krebserkrankung des lymphatischen Systems, das als Teil des Immunsystems für die Abwehr von Infektionen zuständig ist. Es folgten eine Chemotherapie in der Kinderonkologie des Uniklinikums Erlangen und Jahre voller Kontroll- und Nachsorgetermine. Heute arbeitet Marie W. in einer Psychiatrie und absolviert ihre Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin. „In Deutschland leben rund 40.000 junge Erwachsene, die in ihrer Kindheit oder Jugend eine Krebserkrankung durchlebt haben“, weiß Dr. Sonja Schuster, Ärztin in der Kinderonkologie der Kinder- und Jugendklinik des Uniklinikums Erlangen. „Heutzutage können rund 80 bis 85 Prozent der Neuerkrankungen geheilt werden. Das sind deutlich mehr als noch vor wenigen Jahrzehnten.“ Geheilt – und doch nicht ganz befreit Doch mit steigenden Heilungschancen wächst auch die Erkenntnis: Viele ehemals erkrankte Kinder entwickeln im Laufe ihres Lebens Spätfolgen – verursacht durch die Erkrankung selbst oder durch die intensive Behandlung, etwa mit Chemotherapie und Bestrahlung. „Spätfolgen können alle Organsysteme betreffen und von einfachen, gut behanKREBSNACHSORGE Eigene Wohnung, Studium oder Ausbildung, erster Urlaub ohne Eltern – das Erwachsenwerden ist eine aufregende Zeit. Für junge Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend an Krebs erkrankt waren, bedeutet das jedoch auch den Abschied von der vertrauten Kinderklinik. Wie der Übergang in die Erwachsenenmedizin gelingt – und warum Nachsorge so wichtig bleibt. VON MAGDALENA HÖGNER delbaren Symptomen wie Bluthochdruck bis hin zu schwerwiegenden Einschränkungen wie Herzinsuffizienz reichen. Auch erneute Krebserkrankungen sind nicht auszuschließen“, erklärt Sonja Schuster. „Unsere jungen Patientinnen und Patienten haben ihr ganzes Leben noch vor sich. Deshalb ist es so wichtig, ihnen eine strukturierte Langzeitnachsorge anzubieten – damit sie nicht einfach nur überleben, sondern möglichst gesund alt werden können.“ Mögliche Spätfolgen nach einer Krebsbehandlung ■ Organschäden, z. B. an Herz, Nieren, Leber oder Lunge ■ Hormonelle Störungen, z. B. der Schilddrüse oder anderer endokriner Organe ■ Osteoporose und Knochenbrüche ■ Stoffwechselstörungen ■ Schädigung des Nervensystems, z. B. Gedächtnisprobleme, neuropathische Schmerzen oder motorische Einschränkungen ■ Einschränkungen der Fruchtbarkeit ■ Erneute Krebserkrankungen ■ Psychosoziale Spätfolgen, z. B. Ängste, Depression, posttraumatische Belastungsstörung oder Fatigue
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