| 35 Medizin Herr Dr. Conrad, liegt der Duft von Lebkuchen und Punsch in der Luft, wächst die Vorfreude auf Weihnachten oder es tauchen Bilder aus der Kindheit auf. Wa- rum wecken Gerüche oft Emotionen und Erinnerungen? Der Riechnerv geht aus einem der ältesten Bereiche des menschlichen Gehirns hervor. Er ist direkt mit dem limbischen System verschaltet – also der Hirnregion, die unter anderem für Emotionen und das Gedächtnis zuständig ist. Deshalb sind Gerüche ganz eng mit Gefühlen und Erinnerungen verwoben. Wie funktioniert der menschliche Geruchssinn? In unserer Nase, ungefähr zwischen den Augen, befindet sich das Riechepithel. Dort sitzen Riechzellen mit zahlreichen Geruchsrezeptoren. Sobald Duftmoleküle über die Atemluft dort hingelangen und an den Rezeptoren andocken, geben diese ein entsprechendes Signal an das Gehirn weiter, genauer gesagt an den Riechkolben. Dieser liegt direkt oberhalb der Nasenhöhle und ist jener Teil des Gehirns, der die Signale der Riechzellen empfängt, verarbeitet und über den Riechnerv an andere Hirnregionen weiterleitet. Mit unserem Geschmackssinn können wir ja fünf verschiedene Geschmacksrichtungen wahrnehmen: süß, sauer, salzig, bitter und umami – also herzhaft, deftig. Ist das beim Geruchssinn ähnlich? Lange Zeit ging man davon aus, dass der Mensch für jeden einzelnen Geruch einen speziellen Rezeptor besitzt. Das wurde jedoch widerlegt. Heute weiß man, dass wir etwa 400 verschiedene Geruchsrezeptoren haben. Jeder Geruch ist im Grunde eine Mischung aus vielen Duftstoffen, die an verschiedene Rezeptoren andocken. Daraus entsteht dann unser Sinneseindruck. Interessant ist: Ohne den Geruchssinn wären wir beim Essen und Trinken auf die fünf Grundgeschmäcker beschränkt. Nur dank des Riechens können wir Aromen schmecken. Dr. Olaf Conrad ist Arzt an der Hals-NasenOhren-Klinik – Kopf- und Halschirurgie des Uniklinikums Erlangen. Seit Juni 2025 bietet er eine spezielle Riechsprechstunde an. Seit Juni 2025 bietet die Erlanger HNO-Klinik eine spezielle Riechsprechstunde an. Mit welchen Riechstörungen kommen die Menschen zu Ihnen? Grundsätzlich bedeutet eine Riechstörung, dass entweder die Wahrnehmung oder die Verarbeitung von Geruchsreizen beeinträchtigt ist. Man unterscheidet dabei zwischen qualitativen und quantitativen Riechstörungen. Eine quantitative Störung liegt vor, wenn Patientinnen und Patienten gar nichts mehr oder nur noch wenig riechen. Bei der qualitativen Form haben die Betroffenen den Eindruck, dass ihr Geruchssinn „verschoben“ ist: Sie nehmen bekannte Gerüche plötzlich anders oder verzerrt wahr. Das tritt oft bei Infektionen auf, legt sich aber meist von allein. Was sind Ursachen für Riechstörungen? Uns begegnen überwiegend quantitative Riechstörungen. Der häufigste Grund hierfür ist der natürliche Alterungsprozess: Mit den Jahren nutzen sich die feinen Nervenenden des Riechkolbens ab. Dadurch nehmen wir Reize nur noch eingeschränkt wahr. Zum Vergleich: Über alle Altersgruppen hinweg können etwa fünf Prozent der Menschen in Deutschland gar nicht riechen, weitere 15 Prozent riechen gemindert; bei den Über60-Jährigen sind es hingegen schon rund 60 Prozent. Wodurch kann eine Riechstörung bei jüngeren Personen verursacht werden? Bei ihnen sind, öfter als bei anderen Altersgruppen, Traumata ursächlich – also starke Erschütterungen des Gesichts, etwa durch Stürze oder Unfälle. Dabei → Selbsttest: Geruch und Geschmack Probieren Sie es aus: Halten Sie sich die Nase zu und stecken Sie sich ein Stück Schokolade in den Mund. Kauen Sie und nehmen Sie wahr. Dann „öffnen“ Sie die Nase. Was ist jetzt anders?
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