Gesundheit erlangen - Winter 2020/2021

6 Titel Stress. Viele Menschen fühlen sich ständig unter Strom – ganz so, als müssten sie vor einem Angreifer flüchten oder ihr Leben verteidigen. Doch der alte evolutionäre Mechanismus wird heute oft überstrapaziert. „Wir sind ja nicht auf der Flucht!“, sagt man so schön, wenn man sich und andere zu mehr Gelas- senheit anhalten will. Doch für unseren Organis- mus fühlt es sich tatsächlich oft so an, als sei er pausenlos auf „Flucht“ oder „Kampf“ program- miert: wenn wir mit Coffee to go in der Hand und Handy am Ohr zum nächsten Termin hetzen, wenn uns berufliche Deadlines im Genick sitzen, wir im - mer erreichbar sind, hohe Ansprüche an unser Fa- milienglück haben oder uns um die Zukunft sorgen. Auge in Auge mit einem Säbelzahntiger waren kör- perliche Stressreaktionen für unsere Vorfahren sehr sinnvoll: Wachheit, Reaktionsbereitschaft, ein beschleunigter Herzschlag, ein erhöhter Blut- druck und gut durchblutete Muskeln erlaubten es den frühen Menschen, schnell wegzulaufen. In der sicheren Höhle angekommen, konnten sie sich schließlich entspannen. Heute ist Unruhe zur Norm geworden. Dank einer andauernden Wettbe- werbs- und Konsumorientierung erhöht sich das Tempo des Lebens ungebremst. Unser zentrales Nervensystem ist daueraktiviert, wir kommen nicht mehr „runter“. Digitale Medien sollen zwar unseren Alltag erleichtern, Dinge einfacher und schneller machen. Interessanterweise stellen So- ziologen und Stressforscher aber fest, dass uns Smartphones und Apps de facto gar nicht mehr Zeit schenken. Denn anstatt die entstandenen „Zeitlücken“ freizulassen, füllen wir sie sofort wie- der mit neuen To-dos und haben am Ende wieder: keine Zeit! Immer auf der Flucht

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