Gesundheit erlangen - Sommer 2021

21 Titel Parkinson-Syndrom. Die neurologische Bewegungserkrankung bringt mehr mit sich als nur motorische Einschränkungen. Wichtiger Baustein der Therapie: Bewegung, Bewegung, Bewegung. „Ich dachte, ich hätte einfach zu viel Stress“, sagt Christine Enders. So erklärte sich die damals 56-jährige Schulpsychologin das Zittern in ihrem linken Arm. „Als ich eine Reha wegen Rückenpro- blemen anfing, gingen auch die Symptome im Arm zurück und ich sah meine Stressthese bestätigt.“ Doch der Tremor – das unkontrollierte Muskelzit- tern – kam zurück. Christine Enders ging zum Neu- rologen. Nach zwei Stunden Diagnostik sagte ihr der Arzt, was er vermutete. „Diesen Tag werde ich nicht vergessen. Ich kam mittags aus der Praxis, völlig vor den Kopf gestoßen. In der Schule ange- kommen, habe ich mich ins Zimmer des Schullei- ters gesetzt, habe angefangen zu weinen und ge- sagt: ‚Ich habe Parkinson.‘“ Keiner bringt den Müll weg Das ist 20 Jahre her. Seitdem lebt Christine Enders mit der Erkrankung – als eine von etwa 400.000 Betroffenen in Deutschland. Parkinson ist bundes- weit die häufigste neurologische Bewegungser- krankung. Sie tritt verstärkt um das 60. Lebensjahr herum auf, in 90 Prozent der Fälle ohne erkennbare Ursache, 10 Prozent sind erblich bedingt. Dazu kommen sekundäre Parkinsonformen, die u. a. durch Medikamente, Entzündungen, Traumata und Umweltgifte ausgelöst werden. Eiweißablagerun- gen im Gehirn führen dazu, dass bestimmte Ner- venzellen allmählich zugrunde gehen. „Man könnte sagen, die Abfallentsorgung der Zellen ist gestört – wie in einer WG-Küche, in der niemand den Müll runterbringt“, veranschaulicht es Prof. Dr. Jürgen Winkler, Leiter der Molekular-Neurologischen Abtei- lung des Uni-Klinikums Erlangen. Die Folge: Parkin- sonpatienten bewegen sich langsam, ihre Muskeln werden steif, Füße und Hände beginnen unwillkür- lich zu zittern. Die Körperhaltung der Betroffenen ist instabil und sie neigen zu Stürzen. „Zwei zentra- le Frühwarnsymptome sind der Verlust des Riech- vermögens und wenn jemand im Schlaf spricht oder sich im Traum lebhaft bewegt“, erklärt Prof. Winkler. Bei dieser Kombination sollte eine Dia- gnostik erfolgen – umso mehr bei familiärer Vorbe- lastung. Ein Parkinsonscreening, bei dem präventiv getestet wird, gibt es allerdings nicht. Jeden Tag bewegen Christine Enders ist heute als Leiterin der Erlanger Regionalgruppe der Deutschen Parkinson Vereini- gung e. V. (dPV) Ansprechpartnerin für andere Pa- tienten. „Manchmal rufen mich Menschen an und ich kann ihre erste Panik besänftigen“, sagt die 77-Jährige. „Parkinson ist nämlich außerordentlich unterschiedlich ausgeprägt. Ich habe eine mode- rate Form und glaube, meine Aktivitäten tragen da- zu bei, dass das so bleibt.“ Und diese Aktivitäten sind umfangreich: Christine Enders’ Tag beginnt mit 30 Minuten Frühgymnastik und einem 15-mi- nütigen speziellen Bewegungstraining. → Parkinson auf einen Blick ● Parkinson umfasst nicht nur motorische Veränderungen, sondern z. B. auch den Ver- lust des Riechvermögens, Schlafprobleme, eine gestörte Darm- oder Blasentätigkeit, depressive und demenzielle Symptome und eine verwaschene Sprache. ● Die Erkrankung ist nicht lebensbedrohlich. Mit der richtigen Therapie können Patienten durchaus 20 bis 30 Jahre lang gut mit dem Parkinson leben. ● Bewegung schützt zum einen vor Parkinson, zum anderen trägt sie dazu bei, dass eine bestehende Erkrankung milder verläuft.

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