Gesundheit erlangen - Herbst 2021

11 Titel Sozialphobische Gedanken: „Ich mache mich zum Idioten. Ich habe nichts Interessantes zu sagen und alle merken, dass ich Angst habe.“ schen Abteilung des Uni-Klinikums Erlangen. Men- schen mit sozialer Phobie fürchten die negative Be- wertung durch andere – z. B. in Situationen, in de- nen eine Leistung von ihnen erwartet wird, und sei es nur essen oder telefonieren. Zusätzlich glauben Betroffene, dass ihre körperlichen Angstreaktionen wie starkes Schwitzen, Zittern oder Erröten von an- deren bemerkt und als peinlich beurteilt werden. Unter Beobachtung essen oder schreiben, einen Vortrag halten, auf eine Party gehen, Gespräche mit Autoritätspersonen, Fremden oder Menschen des anderen Geschlechts führen – all das kann für jemanden mit sozialer Phobie stark angstbesetzt sein. Oft vermeiden Betroffene soziales Miteinan- der, haben berufliche Schwierigkeiten, etwa bei Teamarbeit, können keine Beziehung führen und knüpfen auch sonst keine Kontakte. „Dieses Ver- meidungsverhalten hält aber letztlich die Angst auf- recht“, erklärt Prof. Erim. In ihrer Abteilung sehen sie und ihr Team häufig Patientinnen und Patienten mit sozialen Ängsten. „Erlangen ist eine Leistungs- stadt. Hier gibt es die Universität und große Fir- men, in denen die Angestellten regelmäßig Ergeb- nisse präsentieren und mit anderen interagieren müssen. Aber obwohl die soziale Phobie die häu- figste Angststörung ist, ist sie vielen Menschen gar nicht bekannt.“ Durch die Angst aus der Angst Am Uni-Klinikum Erlangen wird die soziale Phobie mittels kognitiver Verhaltenstherapie (s. S. 9) be- handelt: Angstmachende Situationen werden dabei gezielt aufgesucht und geübt. „Betroffene müssen durch die Angst durch. Sie müssen sich konfrontie- ren, damit sie erleben und lernen, dass ihnen nichts passiert – dass sie die Situation überstehen. Wir sprechen hier von korrigierenden Erfahrungen, die die schlimmen Befürchtungen der Betroffenen entkräften. Das gilt übrigens für alle Ängste“, erläu- tert Yesim Erim. Ihr Therapieteam wendet zudem tiefenpsychologische Methoden an und ergründet, wie die jeweilige soziale Phobie lebensgeschichtlich entstanden ist. Darüber hinaus gibt es bei etwa 30 bis 50 Prozent der Patientinnen und Patienten eine erbliche Komponente. Das heißt: Eine erhöhte all- gemeine oder soziale Ängstlichkeit der Eltern be- günstigt diese Eigenschaft auch bei ihren Kindern. Auch die Erziehung und (negative) zwischen- menschliche Erfahrungen spielen eine Rolle. Wird eine soziale Angststörung nicht therapiert, bleibt sie meist ein Leben lang bestehen. In der Psychosomatik des Uni-Klinikums Erlangen nehmen Betroffene an Einzelgesprächen → In Japan lässt sich das Hiki- komori-Syndrom beobachten: Schätzungsweise über eine Million Menschen lebt dort heute in selbstgewählter sozialer Isolation, oft sind es junge Männer. Die Interaktion mit anderen beschränkt sich oft auf Internetchats. Dieses kulturelle Phänomen kann als bewusster Widerstand gegen den Druck der Leistungsgesellschaft verstan- den werden. Ungeklärt ist jedoch, ob psychische Probleme wie Ängste und Depressivität die Ursache oder die Folge der Isolation sind. Hikikomori

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