Gesundheit erlangen - Herbst 2021

Interview „ Gesundheit erlangen “ hat mit Dr. Dr. Bettina Hohberger darüber gesprochen, wie sie als Augenärztin auf die Idee kam, Long COVID zu heilen, wie das Medikament wirkt, das sie ihrem langjährigen Patienten im Rahmen eines ersten Heilversuchs verabreichte, und wann andere Betroffene mit einer Behandlung rechnen dürfen. Wie kamen Sie als Augenärztin auf die Idee, dass ein Herzmedikament gegen Long COVID helfen könnte? Indem ich vor einigen Jahren entdeckte, dass Pati- entinnen und Patienten mit Glaukom, also grünem Star, bestimmte Autoantikörper bilden. Das sind Ei- weißstoffe, die sich gegen die körpereigenen Struk- turen richten. Bei den Betroffenen haben wir dank einer speziellen und noch recht neuen Augenunter- suchung, der optischen Kohärenztomografie-Angio - grafie, zusätzlich festgestellt, dass die Kapillaren der Netzhaut schlechter durchblutet sind. Daraus haben wir geschlossen, dass es da einen Zusam- menhang zwischen den Autoantikörpern und der Durchblutung geben könnte. Ich wusste, es gibt ein Medikament – eigentlich für Patientinnen und Pati- enten mit einer schweren Herzerkrankung –, das die Autoantikörper bindet, also denselben Mecha- nismus bedient, und das wollte ich für die Glaukom- erkrankung einsetzen. 34 Wie kamen Sie nun mit der COVID-19-Thema- tik in Kontakt? Seit drei Jahren bin ich jede Woche einmal auf der Intensivstation der Medizin 1 des Uni-Klinikums Erlangen und untersuche dort Patientinnen und Patienten auf spezielle Augeninfektionen oder Ischämien. Manche Erkrankungen sind am Auge früher sichtbar als im Blut oder im Körper und kön- nen dann frühzeitig behandelt werden. Auf dieser Intensivstation lagen auch Patientinnen und Pati- enten mit einer schweren COVID-19-Erkrankung, sodass hierdurch der Bezug entstanden ist. Ge- meinsam mit einer Ärztin der Intensivstation ist daraufhin die Idee entstanden, die Durchblutung der Netzhaut nach einer Corona-Infektion zu un- tersuchen, da das Virus die innerste Schicht der Kapillaren befallen kann. In den Messungen ha- ben wir gesehen, dass die Durchblutung am Au- genhintergrund eingeschränkt war, obwohl die Pa- tientinnen und Patienten keine Sehprobleme hat- ten. Im Blut dieser Patientinnen und Patienten fanden wir mit einem Kollegen aus Berlin außer- dem Autoantikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die wir auch schon von der Glaukom- erkrankung kannten. Da war uns klar: Wenn Auto- antikörper Zirkulationsveränderungen beim Glau- kom verursachen, könnte bei Long COVID derselbe Mechanismus vorliegen. Ist Long COVID bald für alle heilbar, Frau Dr. Hohberger?

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