Gesundheit erlangen - Frühling 2022

Titel 16 | Fortsetzung von S. 15 In Apotheken und im Internet sind unterschied- liche Urinteststreifen für den Privatgebrauch zu Hause erhältlich. „Davon rate ich allerdings ab“, warnt der Nierenexperte. „Solche Streifen kön- nen zwar grundsätzlich anzeigen, ob beispiels- weise Eiweiß im Harn enthalten ist – aber noch lange nicht, wie viel. Dazu muss er im Labor un- tersucht werden.“ Prof. Schiffer empfiehlt daher, den Urin lieber regelmäßig im Rahmen von Vor- sorgeuntersuchungen bei der Hausärztin oder dem Hausarzt überprüfen zu lassen. Künstliche Niere Sind die Nieren infolge einer Erkrankung so sehr in ihrer Funktion eingeschränkt, dass sie die Blutreinigung nicht mehr aufrechterhalten kön- nen, muss ein sogenanntes Nierenersatzverfah- ren eingeleitet werden. Konkret: eine Blutwä- sche (Dialyse) oder eine Transplantation. Bei der „klassischen“ Hämodialyse filtert ein Gerät, quasi eine künstliche Niere, das Blut außerhalb des Körpers. Die Patientinnen und Patienten müssen die Blutwäsche dreimal pro Woche durchführen lassen. „Das dauert vier bis fünf Stunden pro Einheit und findet in der Regel in der Klinik statt“, erklärt Mario Schiffer. Bei der Peritonealdialyse wird das Bauchfell (Peritone - um) als natürliche Filtermembran benutzt. Da diese Nierenersatztherapie daheim durchge- führt werden kann, etwa am Feierabend, gewin- nen Betroffene ein Stück Unabhängigkeit zu- rück. „Das Verfahren ist jedoch nicht bei allen Menschen möglich, da es erstens Fingerspitzen- gefühl erfordert und zweitens immer eine zweite Person dabei sein muss. Auch anatomisch sind nicht alle für das Verfahren geeignet.“ Eine Be- sonderheit in Erlangen: Die Medizin 4 bietet die sogenannte Nachtdialyse an. „Die Patientinnen und Patienten können die Therapie so besser mit ihrem Berufsleben vereinbaren. Sie kommen abends zu uns auf Station, dann beginnt die Blutwäsche. Die dauert zwar mit knapp acht Stunden länger als eine ‚normale‘ Hämodialyse, allerdings schlafen die Betroffenen ja während- dessen und haben so tagsüber mehr Zeit für ihre Verpflichtungen in Job und Familie“, verdeut - licht es Prof. Schiffer. Ausweg Transplantation Doch die meisten Nierenerkrankten, die dauer- haft auf die Dialyse angewiesen sind, streben auf lange Sicht eine neue Niere an. „Unsere Kli- nik arbeitet eng mit dem Transplantationszen- trum Erlangen-Nürnberg zusammen, damit un- sere Patientinnen und Patienten ein passendes Spenderorgan erhalten“, so der Nephrologe. Damit sie auch nach der Transplantation opti- mal versorgt werden und die neue Niere gesund bleibt, ist eine individuelle Nachsorge sehr wichtig. Deshalb hat Prof. Schiffer 2018 das In- novationsprojekt NTX 360° ins Leben gerufen, das aus verschiedenen Bausteinen besteht: Ne- ben Televisiten und einer psychosomatischen Begleitung erhalten die Patientinnen und Pati- enten beispielsweise eine persönlich auf sie zu- geschnittene Sporttherapie. Denn: „Gerade nie- rentransplantierte Menschen tragen ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weil ihr Körper durch die jahrelange Dialyse oft lang- fristig geschädigt ist“, merkt der Klinikdirektor an. „Die Einnahme der Immunsuppressiva ver- stärkt zudem den Muskelabbau. Deswegen soll- ten Transplantierte sich unbedingt ausreichend bewegen. Es gibt einfach keine Pille, die so gut funktioniert wie Sport“, bringt es der Experte auf den Punkt. Weil das Modellprojekt zeigen konnte, dass NTX-360°-Patientinnen und -Patienten u. a. bessere Blutdruckwerte hatten und mobiler wa- ren, startete Prof. Schiffer das Programm „Fit für die Nierentransplantation“ – ein Kooperati- onsprojekt mit den m&i-Fachkliniken Herzo- genaurach und Bad Heilbrunn, das vom Bayeri- schen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert wird. Damit will der Nephrolo - ge an dem für ihn noch wichtigeren Zeitpunkt ansetzen: der Zeit auf der Warteliste. Acht bis

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