Gesundheit erlangen - Frühling 2022

| 41 Kopfsache Denn nimmt das Bedürfnis nach Kontrolle und Vorher- sehbarkeit zu, wird dies oftmals mit einer Essstörung kompensiert. Das Tückische an einer solchen Erkran- kung: Sie gibt den Betroffenen ein subjektives Gefühl von Sicherheit. Bis der Leidensdruck sehr groß wird oder Angehörige einer erkrankten Person sagen, dass sie sich in Behand- lung begeben muss, kann es eine Weile dauern. „Buli- mie und Magersucht sind schambehaftet und bleiben oft lange Zeit verborgen. Besonders bei Männern ver- muten wir eine hohe Dunkelziffer. Betroffene neigen häufig dazu, das Problem mit sich selbst auszumachen. Manche leiden jahrelang und suchen erst dann Hilfe, wenn sie an ihre Grenzen stoßen und keine Kraft mehr haben, das eigene Leben zu bewältigen. Meist ist das ungesunde Verhältnis zum Essen dann schon zum Ver- haltensmuster geworden“, erläutert Dr. Graap. Magersucht Kennzeichnend für eine Magersucht bzw. Ano- rexia nervosa ist ein starker Gewichtsverlust oder anhaltendes Untergewicht. Betroffene haben Angst davor, zu dick zu sein, und schränken die Nah- rungsaufnahme stark ein. Bul imie Eine Bulimie bzw. Bulimia nervosa (auch Ess- Brech-Sucht genannt) kennzeichnet sich durch den Wechsel von Essanfällen und Versuchen der Gewichtsreduktion. Charakteristisch ist der Kontrollverlust während der Essanfälle, bei denen Betroffene große Mengen Lebensmittel zu sich nehmen. Aus Angst vor einer Gewichtszunahme folgen anschließend z. B. selbstinduziertes Er- brechen, die Einnahme von Abführmitteln oder exzessiver Sport. Achtsam sein! „Mein Appell an alle, deren Gedanken und Verhaltens- weisen sich in eine ungesunde Richtung bewegen: Ach- ten Sie darauf, wie es Ihrer Psyche und Ihrem Körper geht, und suchen Sie sich Hilfe, bevor Sie in die Essstö- rung (zurück)fallen – begeben Sie sich also möglichst zeitnah in Behandlung. Dieser Rat lässt sich natürlich auf alle anderen psychischen Krankheiten erweitern“, betont Prof. Dr. (TR) Yesim Erim, Leiterin der Psycho - somatik des Uni-Klinikums Erlangen. Doch was kann ich als außenstehende Person tun, wenn ich bemerke, dass eine Kollegin, ein Freund oder ein Familienmitglied sehr wenig isst, sich regelmäßig erbricht und/oder immer dünner wird? „Ich empfehle, eine solche Beobachtung in jedem Fall zu thematisie- ren – natürlich in einem geschützten Rahmen. Viele haben die Sorge, Betroffenen zu nahe zu treten, wenn sie die vermutete Essstörung ansprechen. Durch diese Zurückhaltung und die eingeschränkten Kontakte wäh- rend der Pandemie wird jedoch so manche schwere Er- krankung übersehen“, warnt die Expertin. Hilfe finden Betroffene und ihre Angehörigen nicht nur bei Therapeutinnen und Therapeuten, sondern auch bei Beratungsstellen, die ggf. den Kontakt zu Selbsthilfegruppen herstellen. Integrierte Beratungsstelle der Stadt Erlangen: www.bit.ly/3B0KpHH

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