Gesundheit erlangen - Frühling 2023

24 | Fortsetzung von S. 22 Leben spüren“, sagt die Fachärztin und lächelt, während sie Ole betrachtet. Der Unterkiefer des Schafes bewegt sich rhythmisch im Kreis, während seine Zähne frische Brennnesseln zermalmen. Tiere berühren unsere Seele und können Emotionen oder Handlungen auslösen, die im Umgang mit Menschen manchmal nicht möglich sind. Einem Tier gegenüber zeigen sich Reaktionen oft ganz intuitiv, spontan und ungefiltert. „Es kann absolute Freude auslösen, wenn eine Katze aus freien Stücken zu mir kommt oder mir ein Kaninchen aus der Hand frisst“, sagt Judith Walloch. Ebenso unmittelbar können sich aber auch Enttäuschung oder Ärger zeigen, wenn der Tierkontakt nicht so läuft wie erhofft. Auch hieraus gewinnen Therapeutinnen und Therapeuten wichtige Erkenntnisse. Selbst etwas geben „So, jetzt gehen wir mal rüber zu den Ponys“, richtet sich Dr. Walloch an ihre Patientin. Interessant ist, wer sich auf der Jugendfarm welches tierische Gegenüber aussucht: Scheut jemand Herausforderungen und wählt deshalb ein besonders folgsames Tier? Oder möchte die Person mit einem weniger kooperativen Esel Mut beweisen? Maria Pohl soll sich nun für eines der Pferde entscheiden: die besonnene Jerma, den eher frechen Guus oder den aufmerksamen Fengur. Die zurückhaltende junge Frau wählt Jerma. Judith Walloch führt das Pony an einem Strick aus dem eingezäunten Bereich hinaus auf den Vorplatz. Der Kopf des hellbraunen Tieres reicht der Patientin bis zur Schulter. Die Ärztin, die selbst ein Pferd hat, demonstriert nun, wie die Mähne gebürstet und das Fell gestriegelt wird. Behutsam streicht Maria Pohl mit einer Bürste über Jermas Flanke und Hüfte. „Gut so“, bekräftigt sie die Therapeutin. Dann entfernt sie sich einige Meter und lässt die Patientin einen Augenblick mit dem Pony allein. Abseits des Geschehens erklärt Judith Walloch: „Wenn ich ein Tier striegele, streichle oder füttere, kann ich selbst etwas geben. Ich erkenne, dass ich nicht nur bedürftig bin, sondern auch fürsorglich sein kann.“ Dann wendet sie sich an Maria Pohl: „Von hier aus kann ich sehen, dass Jerma die Augen geschlossen hat und die Berührung richtig genießt. Ihre Unterlippe zittert leicht – das macht sie immer, wenn sie total entspannt ist.“ Schließlich erläutert Dr. Walloch noch Ganz nah: Es ist wohltuend und therapeutisch wertvoll, nicht nur bedürftig zu sein, sondern auch etwas geben zu können, z. B. eine entspannende Striegelmassage. Gemeinsam anpacken: Eine hält, eine kratzt – im Team ist es oft einfacher, das Bein des Ponys anzuheben und seine Hufe zu putzen. Reportage

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