Gesundheit erlangen - Sommer 2023

| 33 Medizin KOLUMNE – KLEINE SP[R]ITZE Eines Tages wird unser Magazin vielleicht von einer künstlichen Intelligenz verfasst. Warum es aber noch (lange) nicht so weit ist, verdeutlicht dieser Text. VON FRANZISKA MÄNNEL Frag mich was Leichteres „Die Tübinger Schiene ist eine spezielle Aufbissschiene, die (…) auf die Zähne (…) aufgesetzt wird. Sie soll eine entspannte Position des Kiefers fördern und somit dazu beitragen, Schmerzen (…) zu reduzieren“, erklärt ChatGPT*, die künstliche Intelligenz (KI), die im November 2022 veröffentlicht wurde. Auf meine Nachfrage hin, ob es sich dabei nicht um eine Hüftorthese handele, beteuert ChatGPT: „Die Tübinger Schiene wird tatsächlich nicht für die Hüfte, sondern für die Behandlung von craniomandibulären Dysfunktionen eingesetzt“ – also bei Kiefergelenksbeschwerden. Erst, als ich zum dritten Mal frage, schreibt das Programm: „Die Tübinger Schiene ist eine spezielle Art von Schiene, die bei der Behandlung von Hüftdysplasie (…) eingesetzt wird.“ Wüsste ich das nicht längst aus Gesprächen mit einem Kinderorthopäden, wäre ich vielleicht versucht gewesen, die anfänglichen Antworten für wahr zu halten. Ebenso überzeugend wirkt ChatGPTs Behauptung, es gebe am Uniklinikum Erlangen eine „Klinik für Männergesundheit“, die „Diagnose-, Behandlungs- und Beratungsleistungen für männliche Patienten“ anbiete. Auf die Frage, wo sich diese Klinik denn befinde, revidiert die KI ihre vorherige Aussage erneut: „Das Universitätsklinikum Erlangen verfügt über keine eigenständige Klinik für Männergesundheit.“ Nicht ganz stimmig ist auch der Umgang des Systems mit geschlechtergerechter Sprache, die uns in „Gesundheit erlangen“ wichtig ist. Immer wieder verwendet ChatGPT rein männliche Schreibweisen. Der Grund: Je intensiver der Chatbot mit Quellen „gefüttert“ wurde, die männliche Bezeichnungen enthalten, desto größer die Chance, dass er maskuline Texte ausgibt. Auch in Sachen Aktualität ist noch Luft nach oben. Auf meine Frage, wer der Direktor der Anästhesiologischen Klinik des Uniklinikums Erlangen ist, antwortet die KI: „Ich habe leider keine aktuellen Informationen über die Besetzung der Stelle (…), da mein Wissensstand auf das Jahr 2021 begrenzt ist.“ ChatGPT kann bei Recherchen unterstützen, einen Überblick über Themen geben oder etwas in einfachen Worten erklären. Doch für dieses Magazin sind noch andere Dinge wichtig: Patientinnen und Patienten vertrauen uns ihre Geschichten an – Informationen, die keine KI je im Internet finden wird; Mitarbeitende lassen uns ganz nah an den OP-Tisch oder zum Hightech-MRT, Ärztinnen geben individuelle medizinische Einschätzungen ab oder zeigen persönliche Seiten. Es braucht Menschen, um menschliche Medizin hochzuhalten. Und es sind lebende Redakteurinnen, die regelmäßig ihren Schreibtisch verlassen, Kontakte knüpfen, einfühlsam Gespräche führen, Reportagen machen, Informationen beurteilen und gewichten. ChatGPT kann nicht an einem Qigongkurs teilnehmen oder Videos in der Sterilgutaufbereitung drehen. Als abschließenden Test bekommt die KI noch eine (private) Kreativaufgabe. Der Bot soll ein Gedicht zum 80. Geburtstag der Oma schreiben; er tippt: „Du musst nicht mehr arbeiten oder Steuererklärungen machen, sondern kannst auf der Couch liegen und Käsekuchen lachen (…) Du schlägst dich tapfer mit den Wehwehchen herum, doch lässt dich nicht unterkriegen – das ist echt dumm.“ Da wird sich die Oma aber freuen. Haben Sie ChatGPT schon ausprobiert? E-Mail: franziska.maennel@uk-erlangen.de Als künstliche Intelligenz habe ich keinen direkten Zugang zu spezifischen Patientengeschichten. ChatGPT * Hinweis: Für meine Tests habe ich die kostenlose ChatGPT-3.5-Version verwendet. Für 20 Dollar im Monat gibt es GPT-4, das schneller und klüger sein soll.

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