Gesundheit erlangen - Sommer 2023

52 | Kopfsache Für Patienten und Angehörige Der Psychoonkologische Dienst ist eine Einheit der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung unter Leitung von Prof. Dr. (TR) Yesim Erim. Er unterstützt Krebs- patientinnen und -patienten des Uniklinikums Erlangen bei der Krankheitsbewältigung. Neben zehn Psychoonkologinnen und -onkologen, die Einzel-, Paar- und Familiengespräche anbieten, beschäftigt sich Dr. Marietta Lieb als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit psychoonkologischen Projekten. An der Krankheit wachsen Auf eine schwere (gesundheitliche) Krise kann das sogenannte posttraumatische Wachstum folgen: Manche Menschen gehen gestärkt aus dieser Erfahrung hervor, ändern ihre Prioritäten und ihr Leben komplett. „Für manche Menschen ist das ein guter Weg – dies muss aber nicht zwangsläufig bei allen so sein“, sagt Martina Madl. Fest steht, dass das Leben nach überstandener Krankheit nicht mehr so ist wie vorher. „Solche Erfahrungen prägen uns und hinterlassen Spuren. Das müssen auch die Angehörigen akzeptieren.“ Fortsetzung von S. 51 Es wäre ja aber auch nicht hilfreich, wenn die Patientin oder der Patient sich aufgibt. Es ist sehr sinnvoll, wenn die betroffene Person etwas tut, um krankheitsbezogene Ängste zu bewältigen und Selbstwirksamkeit zu erleben. Das steigert ihre Lebensqualität. Aber es beeinflusst nicht den Verlauf der Krankheit, so wie es der Satz „Du musst kämpfen!“ suggeriert. In einer Studie von Greer et al. aus dem Jahr 1990 wurden Frauen kurz nach der Brustkrebsdiagnose befragt und in Gruppen mit unterschiedlicher Krankheitsverarbeitung eingeteilt: Kampfgeist, Verleugnung, stoische Akzeptanz und Hoffnungslosigkeit. Im Beobachtungszeitraum von 15 Jahren zeigte sich ein Überlebensvorteil für Patientinnen mit Kampfgeist und Verleugnung. Dies stand aber unter anderem in Verbindung mit einer besseren Prognose bei der Ersterkrankung und weniger körperlichen Beschwerden. Bislang gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, dass die Art der Krankheitsverarbeitung kausale Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf hat. Aktivität fühlt sich vermutlich einfach besser an als Passivität. Selbstverständlich sollte man der oder dem Erkrankten oder seiner Familie Unterstützung anbieten. Besser als „Melde dich, wenn du was brauchst“ sind hier konkrete Angebote. Eine Freundin könnte zum Beispiel sagen: Ich bringe dir am Sonntag einen Kuchen vorbei. Ich nehme euch die Kinder ab. Ich gehe einkaufen. Das setzt aber voraus, dass die erkrankte Person das auch annehmen möchte. Denn für sie kann es schwer sein, dauerhaft auf Unterstützung angewiesen zu sein und ihre Autonomie zu verlieren. Auch in Sachen Krebstherapie gilt: Der Patient entscheidet über das Was und Wie. Wünsche sollten also respektiert werden, auch wenn sie vielleicht von den eigenen abweichen. Auf jeden Fall. Beide Seiten sollten ihre Bedürfnisse ehrlich kommunizieren. Manchmal geraten besonders Lebenspartnerinnen oder -partner in einen regelrechten Aktionismus – selbst dann noch, wenn der baldige Tod des Angehörigen unausweichlich ist. Die meisten würden nach Lourdes fahren, um Heilwasser zu holen, oder zum Mond fliegen, wenn es dort Hilfe gäbe. Nichts tun zu können, ist schwer auszuhalten. Aktivität lenkt auch ab von dem Schmerz und der Traurigkeit, die eigentlich da sind. Und was, wenn einen die Angst regelrecht lähmt? Dann sollte man genau das kommunizieren: dass man sich hilflos, ängstlich und überfordert fühlt, nicht weiß, was man sagen soll. Die besten Voraussetzungen haben die Beziehungen, in denen es auch schon vor der Diagnose eine gute und offene Kommunikation gab, denn mit der schlimmen Nachricht lösen sich bestehende zwischenmenschliche Probleme nicht plötzlich auf.

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