Gesundheit erlangen - Sommer 2020

26 Porträt Jemand möchte helfen – und wird rabiat angegan- gen. „Niemand kümmert sich hier um mich! Seit Stunden habe ich keinen Arzt gesehen. Dass ich Schmerzen habe, ist hier allen total egal“, schreit der Patient. Immer mehr Pflegekräfte haben eine ähnliche verbale Entgleisung schon einmal erlebt. Sarah Schwarmat, Pflegekraft in der Psychiatri - schen und Psychotherapeutischen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen, weiß solche Situationen zu entschärfen. Sarah Schwarmat ist ausgebildet im „Professionel- len Deeskalationsmanagement (ProDeMa ® )“ – ei- nem Konzept, das Gewalt und Aggression durch richtige Kommunikation vermindert. „Im Kranken- haus ist Anspannung bei Patienten eigentlich un- vermeidbar“, sagt Sarah Schwarmat. „Ein Mensch wird vielleicht ungeplant oder notfallmäßig aus sei- ner gewohnten Umgebung gerissen. Er hat einen neuen Tagsablauf und keine richtige Kontrolle mehr über das, was passiert – wann es Frühstück gibt, wann der Arzt kommt. Das überfordert.“ Ver- bale und körperliche Gewalt im Gesundheitswesen Deeskalation. Pflegekraft Sarah Schwarmat kann Konflikte mit Worten entschärfen. Wie das geht und wann das nötig ist, hat sie „Gesundheit erlangen“ erklärt. „Trotzdem wertschätzend bleiben“ nehmen zu – in Notaufnahmen, bei Rettungsein- sätzen und auf den Stationen. Sarah Schwarmat sieht dafür verschiedene Ursachen. „Unsere Zeit ist sehr schnelllebig. Ein ‚Das dauert noch etwas‘ wird heute oft nicht mehr akzeptiert“, sagt sie. Da- zu komme der freie Zugang zu Informationen im Internet. „Wenn sich jemand auf eine medizinische Erklärung versteift hat, wird manchmal gar nicht mehr so ernst genommen, wie der Arzt das beur- teilt.“ Gleichzeitig stünde das Krankenhausperso- nal heute sehr unter Druck. „Weil jede kleine Un- zufriedenheit direkt in ein Online-Bewertungspor- tal geschrieben wird. Die Geduld der Patienten ist oft gering, die Ansprüche sind riesig.“ Um zu verhindern, dass jemand mit Worten oder sogar körperlich ausfällig wird, setzt das Prinzip der verbalen Deeskalation früh an – nämlich schon vor dem eigentlichen Vorfall. „Zuerst schauen wir: Las- sen sich Strukturen positiv beeinflussen? Gibt es zum Beispiel zu viele Hinweisschilder, die den Pa- tienten verwirren? Können wir ganz klare Regeln vorgeben, um Diskussionen zu vermeiden?“, nennt Hände vor dem Körper – das signalisiert Offenheit und zeigt: Ich mache nichts „hinter dem Rücken“.

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