Gesundheit erlangen - Winter 2020/2021

10 Titel Depression. Wie ein Soldat, der treu und unablässig kämpft, ohne Anerkennung für seinen Einsatz zu bekommen – so fühlte sich Dietmar Teichmann immer wieder. Irgendwann wurde der Druck zu groß und er musste den Schützengraben verlassen. „Ich lebe permanent unter Stress, muss immer schnell reagieren. Tack, tack, tack. Nirgends ist das so wie im Vertrieb“, sagt Dietmar Teichmann. „Vertriebler sagen nie: ,Es ist alles zu viel.‘ Das ist die Gefahr. Sie fühlen sich wohl dabei, Probleme zu beseitigen.“ Jahrzehntelang ging das so „und das hat Spaß gemacht“, so der 58-jährige Ver- triebsleiter. Um 8.30 Uhr anfangen, nie vor 22.00 Uhr aufhören, manchmal war erst um 2.00 oder 3.00 Uhr Schluss. „Ich habe ganze Sommer ver- loren, ganze Winter. Man sitzt mit den Kollegen im Gruppengefängnis.“ Alle machen und niemand bricht aus. Schon 2005 hat Dietmar Teichmann eine achtwö- chige Depressionstherapie gemacht. „Ich habe mich nach dem Klinikaufenthalt viel besser gefühlt – so gut, dass ich die Klinik gar nicht verlassen wollte. Ich hatte Angst vor dem Leben danach.“ Chefs und Kollegen zeigten damals Verständnis und Mitgefühl für seine Erkrankung und lobten ihn für seine Offenheit. Doch die Realität traf Dietmar Teichmann hart: Als er wieder in die Firma kam, hatte sich ein Kollege bereits seine Stelle gesi- chert. Innerhalb eines Jahres wurde der Rückkeh- rer entlassen. „Eine Depression bleibt ein Makel, so traurig das ist“, findet Dietmar Teichmann. Er fasste Fuß bei einem neuen Arbeitgeber – auch weil sein enormer Leistungswille und sein Ver- triebstalent in der Branche bekannt waren. Das Geld hat immer gestimmt. Doch Auseinanderset- zungen mit den Vorgesetzten, Machtspiele und fehlende Wertschätzung laugten ihn zunehmend aus, ähnlich wie vor 15 Jahren. „Ich denke, sie wollten mich loswerden und durch jüngere Kolle- gen ersetzen“, glaubt Dietmar Teichmann. Wo- chenlang schlief er nicht mehr richtig. „Abends eine Flasche Wein und eine Schlaftablette hinter- her – dann ging das. Und dann bin ich vor den Kindern ins Bett.“ Tagsüber war er müde, unkon- zentriert und frustriert. „Ich fühlte mich wie ein Soldat, der nicht nach rechts oder links guckt, der einfach nur funktioniert.“ Das belastete die Ehe. Die zwei Kinder verstanden ihren Vater nicht mehr. So ging es nicht mehr weiter. Dietmar Teichmann entschied sich für eine zweite stationäre Therapie – wieder wegen einer Depres- sion –, diesmal in der Psychiatrischen und Psycho- therapeutischen Klinik des Uni-Klinikums Erlan- gen. „Ich habe hier eine super Psychologin. Aus den Gesprächen mit ihr ziehe ich sehr viel. Wir ha- ben schon große Schritte gemacht und ich bin sehr motiviert, weiterzukommen. Da hilft mir auch meine berufliche Einstellung“, sagt Dietmar Teich- mann und lächelt. Erst mal drei, vier Wochen The- Der ewige Makel „17 Jahre Zimmer 89“, sagt Dietmar Teichmann. So lange hat er für seine frühere Firma im Hotel gelebt. Seine Frau sah er nur am Wochenende.

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