Gesundheit erlangen - Winter 2020/2021

12 Titel Achtsamkeit. An dem Begriff kommt heute kaum noch jemand vorbei. Doch Achtsamkeit ist mehr als ein Lifestyletrend: Sie hat große therapeutische Kraft. „Stellen Sie sich unter die Dusche und achten Sie mal genau auf alles, was Sie mit Ihren Sinnen wahr- nehmen können: Wie fühlt sich das warme Wasser auf der Haut an? Was riechen Sie? Wie stehen Ihre Füße auf dem nassen Untergrund? So machen Sie eine Achtsamkeitsübung aus etwas ganz Alltägli- chem“, schlägt Psychologin Dr. Verena Nadine Buchholz von der Psychiatrischen und Psychothe- rapeutischen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen vor. Achtsam zu sein, bedeutet, die Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt zu richten, die eigenen Kör- perempfindungen, Gefühle, Ge - danken und die Umwelt bewusst zu erfahren. Wichtig: Das alles passiert ganz wertfrei. Alles darf sein, wie es ist. Viele Studien zeigen, dass wir dank Achtsamkeit Stress besser bewältigen und Unan- genehmes besser akzeptieren können. Neben dem Stressempfinden reduziert Achtsamkeit nachweislich auch chronische Schmerzen, Ängste und Depressionen. Sie stärkt das Immunsystem, fördert antientzündliche Prozesse, verbessert Stimmung, Wahrnehmung und Konzentration, macht fürsorglicher und empathischer. Der Begründer der modernen Achtsamkeitslehre ist der US-amerikanische Molekularbiologe Jon Ka- bat-Zinn. Er entwickelte sein MBSR-Programm (Mindfulness Based Stress Reduction – Stressbe- wältigung durch Achtsamkeit) in den 1970er-Jah- ren ursprünglich für Patienten mit chronischen Schmerzen. Dank MBSR fanden viele Betroffene – trotz ihrer Schmerzen – wieder zu einem zufriede- nen, erfüllten Leben zurück. Sei achtsam, sei freundlich Achtsamkeit basiert auf zwei Säulen: dem aufmerk- samen Wahrnehmen im gegenwärtigen Moment und der Freundlichkeit. „Achtsam sein bedeutet nicht, sich unheimlich angestrengt auf etwas zu konzentrieren“, erklärt Dr. Buchholz. Wer Achtsam- keit übe, übe auch Freundlichkeit – sich selbst und anderen gegenüber. Die Psychologin betont, dass es nicht um Leistung gehe, nicht darum, etwas Be- stimmtes zu erreichen oder es besonders gut zu machen. Ebenso wenig sei es das Ziel, während ei- ner Übung überhaupt nichts zu denken (s. Kasten). Für den Einstieg in die Achtsam- keit empfiehlt Dr. Buchholz einen achtwöchigen MBSR-Kurs bei ei- nem ausgebildeten Lehrer, von denen es heute im ambulanten Bereich zahlreiche gibt. „Vor allem Menschen mit psychiatrischen Vor- erkrankungen, z. B. einer Depression oder einem „Mit Entspannung hat Achtsamkeit nichts zu tun.“

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