Gesundheit erlangen - Herbst 2021

Titel 8 MENSCH Biopsychosoziales Modell BIO Veranlagung, Krankheitserreger, Unfall/Verletzung, körperliche Reaktion, Risikofaktoren PSYCHO Gedanken, Gefühle, (gelerntes) Verhal- ten, Erfahrungen, Beziehungen SOZIAL Gesellschaft, Kultur, Rollenbilder, Arbeits- welt, soziales Milieu, Corona-Pandemie Fortsetzung von S. 7 Depressionen zu beobachten. Andersherum kann das Immunsystem von Menschen, die freudvoll sind, mit anderen verbunden und dankbar, Krank- heitserreger leichter abwehren und Beschwerden besser kurieren. „Schätzungsweise bei 20 bis 30 Prozent der Patientinnen und Patienten, die mit neurologischen, gastroenterologischen, dermato- logischen, kardiologischen oder HNO-spezifischen Beschwerden wie Tinnitus oder Schwindel ärztli- chen Rat suchen, sind psychische Faktoren ursäch- lich“, so Yesim Erim. „Wir müssen die Menschen viel stärker dafür sensibilisieren, was sie belastet, und ihnen klarmachen, dass sie das nicht einfach aushalten müssen.“ Der ganze Mensch in Therapie Diese Wege zeigt die Psychotherapie auf. Sie stützt sich auf das biopsychosoziale Modell, das in den 1970er-Jahren maßgeblich von dem US-amerikani- schen Psychiater George L. Engel verbreitet wurde. Demnach sind Körper, psychologische Faktoren und soziales Umfeld dicht miteinander verwoben. Und: Alle drei wirken auf die Entstehung von Krank- heiten ein. Gefühle, wissenschaftlich Affekte ge- nannt, sind ein zentraler Bestandteil der Psycho- therapie. Menschen mit psychischen Störungen und psychosomatischen Beschwerden lernen in der Therapie, ihre Gefühle wahrzunehmen und zu regulieren. „Es führt allein schon zu einer seeli- schen Entlastung, Gefühle auszusprechen“, be- tont Yesim Erim. „Wobei es den meisten Menschen leichter fällt, zu sagen, dass sie ängstlich oder de- pressiv sind. Wut, Feindseligkeit oder Aggression drücken die wenigsten aus, weil solche Gefühle sozial verpönt sind. Dabei sind sie genauso wich- tig. Wut auf jemanden zu haben, kann zum Bei- Wechselwirkungen: Eine Frau steht beruflich sehr unter Druck (Arbeits - welt). Irgendwann bekommt sie starke Rückenschmerzen (körperliche Reaktion). Als diese nicht vergehen, macht sie sich große Sorgen (Gedan- ken/Gefühle). Statt sich wie früher öfter mit Freundinnen zu treffen, läuft die Frau nur noch von einer Arztpraxis zur nächsten (Verhalten). In ihrer Ehe reagiert sie immer öfter gereizt und es gibt vermehrt Streit (Verhalten); die Schmerzen werden stärker (körper- liche Reaktion). Prof. Erim ist Fachärztin für Psycho- somatische Medizin und Psycho- therapie sowie für Psychiatrie.

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