Gesundheit erlangen - Sommer 2023

28 | Medizin Fortsetzung von S. 27 gestochen wurden, ob der Stachel verblieben ist, wie groß das Zeitintervall zwischen Stich und Reaktion war, welche Symptome aufgetreten sind, wie oft Sie in Ihrem Leben schon gestochen wurden und wie Sie das früher vertragen haben, Ihr Expositionsrisiko aufgrund von Beruf und Freizeitaktivitäten sowie Ihre individuellen Risikofaktoren wie Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Mastozytose. Im nächsten Schritt nehmen wir Blut ab und bestimmen die Antikörper. Und dieses Ergebnis ist dann eindeutig? Nein, denn wir stellen zunächst nur eine Sensibilisierung für Insektengift fest, also dass Sie schon einmal gestochen wurden und Ihr Immunsystem entsprechende Antikörper gebildet hat. Das ist bei etwa 50 Prozent der Allgemeinbevölkerung der Fall – tatsächlich allergisch sind allerdings nur etwa 2 Prozent. Bei diesen Menschen reagiert der ganze Körper, es handelt sich also um eine systemische Insektenstichreaktion. Wie genau stellen Sie das fest? Dafür muss ich kurz ausholen. Bei Betroffenen ist das Insektengift das Allergen, also die allergieauslösende Substanz. Sie dockt im Körper an Rezeptoren der Mastzelle an, woraufhin diese Botenstoffe freisetzt. Einer davon ist das Histamin. Es sorgt dafür, dass sich die Gefäße weiten, das Herz schneller schlägt, die Bronchien sich zusammenziehen, und es aktiviert den Magen-DarmTrakt. Das sind die Symptome, die Allergikerinnen und Allergiker spüren. Beim Bluttest betrachten wir die Antikörper vom Typ ImmunglobulinE, kurz IgE. Es ist – zusammen mit dem Allergen – an der Freisetzung des Histamins beteiligt. Uns interessiert insbesondere der Anteil des IgE, das spezifisch für Insektengift ist. Haben denn alle Insekten dasselbe Gift? Nein, wir testen zum einen auf Bienengift, das mit Hummelgift verwandt ist. Zum anderen testen wir auf Wespengift, das dem der Hornisse ähnelt. Auf Basis der vorliegenden allergischen Reaktion teilen wir diese einem von vier Graden zu. Bei Grad 1 handelt es sich nur um eine Hautreaktion, bei Grad 2 sind auch das Herz-Kreislauf- und das Bronchialsystem betroffen, bei Grad 3 kommt es zum Kollaps und bei Grad 4 zum Herz-Kreislauf-Stillstand. Ab welchem Grad sollten Betroffene vorbeugende Maßnahmen ergreifen? Diagnostizierten Allergikerinnen und Allergikern empfehlen wir – soweit möglich – eine spezifische Immuntherapie. Das kann schon bei Grad 1 ratsam sein, wenn Risikofaktoren hinzukommen. Denken Sie an eine Försterin, die allein im Wald arbeitet, oder einen Handwerker auf einem Gerüst. In der Regel wird diese Therapie aber Patientinnen und Patienten ab Grad 2 angeraten. Könnten Sie den Ablauf einer Hyposensibilisierung bitte kurz erläutern? Ziel ist es, das Immunsystem wieder auf seine ursprüngliche natürliche Immunantwort zurückzustellen. Das dauert etwa drei bis fünf Jahre. Die Hyposensibilisierung gegen Insektengift beginnt mit einem kurzen stationären Aufenthalt, um unter ärztlicher Beobachtung sicherzustellen, dass die Patientin oder der Patient die Behandlung gut Insektenstichallergien (von links oben im Uhrzeigersinn): 19,9 Prozent der Betroffenen reagieren auf das Gift der Biene, 0,2 Prozent auf das der Hummel, 4,5 Prozent auf das der Hornisse und 70,4 Prozent auf das der Wespe.

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