Gesundheit erlangen - Winter 2023/24

Fortsetzung von S. 39 verkörpern. Nur zwei Prozent der Menschen mit Krebs haben einen neuroendokrinen Tumor. Die Krankheit wird deshalb auch von Medizinerinnen und Medizinern oft übersehen. „Bei Hufgetrappel also nicht nur an Pferde denken, sondern auch an Zebras“, erinnert NET-Patientin Allegra S., die früher selbst als Krankenschwester gearbeitet hat. Kürzlich erhielt die 65-Jährige den Mutmacherpreis des Netzwerks Neuroendokrine Tumoren (NeT) e. V. Ihre Krebs-OP lag zu diesem Zeitpunkt schon 17 Jahre zurück. „Ich bin also ein alter Hase und kann anderen Betroffenen sagen: Ihr könnt lange damit leben. Es hilft, sich zu vernetzen und sich Wissen anzueignen.“ Bewegung, darunter das Pilgern in Lippe, ist für Allegra S. ein Weg aus ihrer Fatigue. „Ich bin ein Sportmuffel und finde zu Hause immer Dinge, die vermeintlich wichtiger sind. Aber eigentlich tut mir das Aktivsein gut und ich habe danach nicht weniger Energie – im Gegenteil.“ Unterwegs auf dem Lebens-Weg Der Lippische Pilgerweg führt entlang weiter Felder, vorbei an Fachwerkhäusern und durch stille Buchenwälder. Ihn säumen Obstbäume zum Naschen, markante Felsen, Schlösser, Türme und Kirchen. Wie die Wanderetappen müssen die Pilgernden auch ihre Krankheit bewältigen und dabei ihren eigenen Weg finden. Doch das Gehen in der Gruppe lehrt, dass sie dabei nicht allein sind; dass es Gefährtinnen und Gefährten gibt, die denselben Weg vor sich haben und dieselben Hindernisse überwinden müssen. Dabei dürfen alle unterwegs immer wieder stehenbleiben und erkennen, was alles Schönes und Stärkendes da ist, neben all der Anstrengung. Sonnenstrahlen, gute Gespräche, Kaffee und Kuchen am Nachmittag. „Trotz der täglichen Aktivität waren wir alle nach der Woche wirklich erholt, auch geistig. Das Gehen in der Natur empfand ich als entschleunigend und fast meditativ, die Reise zu Fuß auch irgendwie als Sinnbild für unsere Schritte im Leben“, so beschreibt es Susanne U. Immer wieder gibt es Phasen, in denen die Wandernden angehalten sind, nicht zu sprechen und die Natur in Ruhe auf sich wirken zu lassen – ihre Farben, 40 | Medizin NET erkennen und behandeln Neuroendokrine Tumoren (NET) sind selten. Sie treten meist im Verdauungstrakt (Magen, Darm, Bauchspeicheldrüse) oder in der Lunge auf, entstehen aus neuroendokrinen Zellen und können manchmal Hormone in die Blutbahn ausschütten. „NET wachsen häufig langsam und bleiben dadurch jahrelang unentdeckt. Oft handelt es sich um Zufallsbefunde“, erklärt Prof. Dr. Marianne Pavel, Leiterin des ENETS Center of Excellence (zertifiziert von der Europäischen Gesellschaft für Neuroendokrine Tumoren) am Uniklinikum Erlangen und weltweit anerkannte NET-Spezialistin. Die Krankheitssymptome sind unspezifisch. Dazu zählen Bauchschmerzen, Durchfall und plötzliche Gesichtsrötungen. Weil NET oft nur langsam wachsen, bleibt die Lebensqualität der Betroffenen bei adäquater Behandlung häufig erhalten. Im besten Fall wird der Tumor entfernt, bevor er Metastasen bildet. Aber auch später wird stets eine OP abgewogen. Zudem kann versucht werden, Absiedlungen des Tumors in der Leber mit lokalen Verfahren zu zerstören. Zudem kommen Medikamente, nuklearmedizinische und molekulare Behandlungen zum Einsatz, in einigen Fällen auch Chemotherapien. Sich in einem zertifizierten Zentrum mit hoher interdisziplinärer Expertise vorzustellen, ist daher empfehlenswert. Jede NET-Pilgerreise bietet Raum für achtsames Beobachten und Erleben.

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