Gesundheit erlangen - Winter 2023/24

| 51 Kopfsache KOPFSACHE Wie bleiben Kinder und Jugendliche gesund? Was brauchen sie, um glücklich und zufrieden aufzuwachsen? Der Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. Gunther Moll hat Antworten. INTERVIEW VON FRANZISKA MÄNNEL Herr Prof. Moll, glauben Sie, dass die Zeiten, in denen wir heute leben, für Kinder und Jugendliche psychisch besonders herausfordernd sind? Die Gegenfrage ist: Wann war es denn mal besser? Das Wichtigste ist meiner Meinung nach immer, was auf der anderen Seite da ist – also was die Kinder ihren Sorgen, Belastungen und Zukunftsängsten entgegensetzen können. Leben die Kinder und Jugendlichen so, wie sie es sollten, wie es ihnen entspricht? Wir dürfen nicht vergessen: Kindliche Gesundheit und Wohlbefinden fallen nicht vom Himmel – sie benötigen passende Voraussetzungen. Welche sind das? Kinder brauchen zuerst einmal Raum und Zeit, um sich gut zu entwickeln. Aber aktuell raubt unsere Gesellschaft ihnen beides. Kinder leben heute, als hätten sie den Arbeitsalltag von Erwachsenen – durchgetaktet, mit Terminen, strengen Vorgaben, Stress, einem hohen Leistungsanspruch und viel zu wenig Freiraum. Dabei sollten Kinder Zeit haben, um zu spielen. Sie sollten viel selbstbestimmter entscheiden dürfen, was sie mit ihrer Zeit anfangen wollen. Wenn sie selbst etwas tun und dabei Erfolg haben, stimuliert das das Belohnungssystem und die neuronalen Netze wachsen – das Gehirn entwickelt sich durch das eigene Tun weiter. Ein Beispiel: In der Trotzphase strebt das Kind nach Autonomie, es will alles selbst machen. Trotz ist nicht behandlungsbedürftig. Er zeigt unseren Urantrieb nach Selbstständigkeit und danach, alles selbst können zu wollen. Diese Urkraft dürfen wir unseren Kindern nicht austreiben. Prof. Dr. Gunther Moll leitet seit 2002 die Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Erlangen. Was braucht es neben Raum, Zeit und Selbstbestimmtheit noch, damit Kinder gesund aufwachsen können? Ihre Grundbedürfnisse müssen erfüllt sein. Dazu gehören eine gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf. Schon Kinder haben Schlafstörungen, wenn sie an ihren Terminkalender von morgen denken, an Prüfungen oder an soziale Situationen auf dem Schulhof, vor denen sie Angst haben. Auch die Mediennutzung kann Schlafstörungen hervorrufen, wenn sie zu Schlafmangel führt und den Schlafwach-Rhythmus verschiebt. Wir hatten kürzlich ein Mädchen mit Schlafstörungen hier auf Station, das jede Nacht bis 24.00 Uhr am Handy war. Wir haben mit ihr vereinbart, dass sie das Smartphone um 20.00 Uhr abgibt und es erst nach dem Frühstück zurückbekommt. Nach einer Woche war die Schlafstörung weg. Die Patientin sagte uns, sie wolle das so fortführen, weil es ihr so viel besser gehe. Handys – oder allgemein gesprochen: Medien – haben also einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden junger Menschen. Ja. Natürlich können Kinder und Jugendliche Smartphones und Medien nutzen, aber nur nebenbei und nicht als Hauptbeschäftigung. Wir müssen ihnen Wege aufzeigen, etwas in der echten Welt zu erleben. Wofür interessiert sich ein Kind? Pfadfinden, Musik, Sport, Schach, Feuerwehr – es sollte etwas Reales erleben, physisch und mit echten Menschen. Etwas nur virtuell zu erfahren, etwa durch ein Video, kann das niemals ersetzen. Ein Beispiel: Wenn ein Kind mit einem →

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