Gesundheit erlangen - Frühling 2024

| 37 Medizin KOLUMNE – KLEINE SP[R]ITZE Wer länger sitzt, ist früher tot – das beweisen mehrere Studien. Könnten Sie sich vorstellen, aufs Sitzen zu verzichten? VON ALESSA SAILER Sitzen Sie noch oder gehen Sie schon? Haben Sie schon einmal bereut, sich hingesetzt zu haben? Als Sie zum Beispiel beim Hotelfrühstück den Honigklecks vom Vorgänger an der Hose kleben hatten oder auf der Parkbank in Hamburg den glitschig-klebrigen Möwenkot übersehen haben? Das nächste Mal entscheiden Sie sich dann vielleicht doch lieber dafür, stehen zu bleiben, anstatt sich hinzusetzen. Das sollten wir nämlich eigentlich viel öfter tun, denn: Fast zwei Drittel der Deutschen haben Rückenschmerzen. Ein Grund dafür ist das viele Sitzen: Beim Frühstück, auf dem Weg zur Arbeit im Zug, am Schreibtisch, in der Kantine, abends im Kino oder auf der Couch. 9,2 Stunden sitzen Erwachsene hierzulande im Durchschnitt – jeden Tag. Das ist das Ergebnis des 2023 erschienenen Reports der Deutschen Krankenversicherung AG und der Deutschen Sporthochschule Köln. Damit sitzen wir heute 30 Minuten länger als noch 2022 und sogar 1,5 Stunden länger als 2018 – obwohl die Liste der negativen Folgen des Herumhockens lang ist: Der Bewegungsapparat leidet, die Haltung wird schlechter, es treten Schmerzen und Verspannungen auf. Forschende der Universität Toronto werteten 41 Studien zum Thema aus und kamen zum Ergebnis: Vielsitzende haben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar für Krebs. Dabei sind wir gar nicht für stundenlanges Rasten ausgelegt. Früher ging der Mensch auf die Jagd, sammelte Feuerholz und Beeren, bestellte später seine Felder und ruhte sich nur kurzzeitig sitzend aus. Heute ist das Steh-Sitz-Verhältnis leider genau andersherum verteilt. Langes Stillsitzen ist eine Qual, das weiß doch jedes Kind, das lieber herumtollen und sich bewegen will! Schade, dass viel sitzen heute total normal ist. Oder haben Sie schon einmal einen Restaurantbesuch im Stehen verbracht? Vorlesungen in der Uni stehend gelauscht? Ein Kreuzworträtsel im Stehen gelöst? Der amerikanische Journalist Dan Kois hatte jedenfalls genug vom Sitzen. Deshalb stellte er sich der Herausforderung, einen Monat lang ganz darauf zu verzichten. Er stand bei der Arbeit, im Kino, beim Essen und wenn er seinen Kindern eine Gute-Nacht-Geschichte vorlas. Die einzigen Gelegenheiten, bei denen er sich hinsetzte, waren das Autofahren und der Toilettengang. Er saß teilweise nur 25 Minuten pro Tag. Und der wochenlange Sitzentzug zahlte sich aus: Er verlor Gewicht, seine Rückenschmerzen und Verspannungen verschwanden, er fühlte sich produktiver und fitter. Allerdings taten ihm schon nach wenigen Stunden fürchterlich die Füße weh. Was würden Sie wählen: Rücken- oder Fußschmerzen? Könnten Sie sich vorstellen, all Ihre Tätigkeiten im Stehen oder Gehen durchzuführen? Ich nicht – obwohl ich im Büro einen höhenverstellbaren Schreibtisch nutze, nach der Arbeit Sport mache und darauf achte, langes Sitzen auszugleichen. Bereits kleine Umstellungen wie das Aufstehen zum Telefonieren oder der regelmäßige Positionswechsel zwischen Bürostuhl und dynamischem „Wackelhocker“ helfen im Arbeitsalltag dabei, einseitigen Belastungen vorzubeugen. Denn auch ständiges Stehen ist nicht gesund. Eine abwechslungsreiche körperliche Aktivität ist da schon förderlicher. Getreu dem Motto: Die beste Position ist die nächste. Und wenn Dan Kois es schafft, einen Monat lang zu stehen, dann schaffen auch Sie es, ein Stück mehr Bewegung in Ihren Alltag zu bringen! Wie versuchen Sie, sich im Alltag mehr zu bewegen? E-Mail: alessa.sailer@uk-erlangen.de Dan Kois’ Selbstversuch im New York Magazine: www.kurzelinks.de/5tfm

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