Gesundheit erlangen - Frühling 2024

52 | Kopfsache Fortsetzung von S. 51 musste er viele Fragebögen ausfüllen und über sein Leben berichten, seine Schulzeugnisse wurden begutachtet und auch Angehörige gaben Einschätzungen ab. In ihrem Befund begründet Dr. RichterSchmidinger schließlich auf viereinhalb Seiten, warum der 37-Jährige ein mittelschweres bis schweres ADHS hat. „Die Diagnose ist eine Erklärung, aber keine Entschuldigung“, betont die Psychologin. „Sie hilft, ein bestimmtes Verhalten zu verstehen. So können andere Menschen wohlwollend und unterstützend sein, vielleicht das eine oder andere kompensieren. Aber es darf nicht alles auf das ADHS geschoben werden.“ Abwechslung und Freiheit „Wenn ich meinen eigenen Weg gehen kann mit meinen eigenen Mitteln, wenn ich genug Raum Wohnmobil statt Großraumbüro: Ein monotones (Arbeits-)Leben ist nichts für Julian Vetten und sein ADHS-Gehirn. habe, dann ist alles okay“, beteuert Julian Vetten. „Aber die normale Arbeitswelt ist noch immer nicht sehr ADHS-freundlich. Mein Gehirn funktioniert nun mal zwischen 10 und 13 Uhr und zwischen 20 und 23 Uhr am besten. Aber sagen Sie das mal dem Chef.“ Sein neuer Arbeitgeber, eine große Kommunikationsagentur mit vielen verschiedenen Kunden, weiß von der Diagnose. Kein Filter, die Dinge einfach aussprechen – auch das ist ADHS. „In dem Fall war das wahrscheinlich sogar ein Einstellungsgrund“, glaubt Julian Vetten. Und so sitzt er während dieses Gesprächs auch in seinem Wohnmobil, irgendwo zwischen seinen beiden Wohnorten in Nordspanien und Oberfranken. Ein rollender Rückzugsort. Hier ist er selbstbestimmt. „Das ist das Allerbeste, weil mich hier auf achteinhalb Quadratmetern nicht viel ab-

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