Gesundheit erlangen - Winter 2024/25

10 | Titel Die Bremse lösen Unser Immunsystem ist unglaublich stark. So stark, dass der menschliche Organismus immer wieder auf die Pausetaste drücken muss, damit es keine körpereigenen, gesunden Zellen angreift. „Der Krebs nutzt diese natürliche Bremse zur Regulierung unseres Immunsystems aus“, erklärt Prof. Dr. Dr. Manuel Weber, geschäftsführender Oberarzt der Mund-, Kiefer- und Gesichtschi- rurgischen Klinik des Uniklinikums Erlangen. Der Tumor hält die Pausetaste sozusagen gedrückt, um die Abwehrkräfte so sehr zu schwächen, dass er einer Immunantwort entkommt – also überlebt und wachsen kann. Dazu nutzen Krebszellen bestimmte Signalwege im Körper. „Einer dieser Signalwege ist das PD-L1-Protein. Dort setzen die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren an, die wir als Immuntherapie bei bestimmten Patientinnen und Patienten einsetzen, die zum Beispiel unter Tumoren in der Mundhöhle leiden“, sagt Prof. Weber. Viele Immunzellen tragen PD-L1 auf ihrer Oberfläche – auch Tumorzellen können das Protein bilden. PD-L1 bindet an den Rezeptor PD-1 auf einer bestimmten Art von Abwehrzellen, den T-Zellen. Dadurch werden die T-Zellen gehemmt und greifen den Tumor nicht mehr an. Checkpoint-Inhibitoren blockieren PD-1 bzw. PD-L1, um diese Bremse zu lösen und die Immunabwehr wieder in Gang zu setzen. Die Standardtherapie bei Tumoren im Kopf-HalsBereich besteht in der Regel aus einer chirurgischen Entfernung sowie einer anschließenden Strahlen- und/oder Chemotherapie. Sind diese Optionen bereits ausgeschöpft und der Krebs kommt zurück, können Checkpoint-Inhibitoren als Anschlussbehandlung im palliativen Setting eingesetzt werden – wenn also keine andere heilende Behandlung mehr möglich ist. „Allerdings wissen wir aus Studien, dass die Folgen einer vorherigen Operation und Bestrahlung nicht optimal für die Gabe einer Immuntherapie sind“, gibt der Experte, der auch im Kopf-Hals-Tumorzentrum des Uniklinikums Erlangen aktiv ist, zu bedenken. Denn: „Wir nehmen bei der OP die Lymphknoten am Hals heraus, da sie oft von Metastasen befallen sind. Die Strahlenbehandlung kann außerdem auch Immunzellen abtöten. Eine Immuntherapie setzt aber genau dort an.“ Aus diesem Grund → CHECKPOINT-INHIBITOREN Die Immuntherapie lockt Krebszellen aus ihrem Versteck. Sie kann unter anderem bei Mundhöhlentumoren eingesetzt werden. VON ALESSA SAILER Einsatzbereich der Checkpoint-Inhibitoren Checkpoint-Inhibitoren werden im Kopf-Hals-Bereich vor allem bei Plattenepithelkarzinomen (Tumoren der Haut bzw. Schleimhaut) eingesetzt, die mit etwa 90 Prozent den größten Teil ausmachen. Die Immuntherapie wird aber z. B. auch bei Lungenkrebs, schwarzem Hautkrebs, Blasen- und Brustkrebs eingesetzt.

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