Gesundheit Bamberg - Winter 2022/2023

10 | Titel Anspruch auf eine Auszeit? Sternenkinder sind Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt versterben. Verliert eine Frau ihr Baby vor der 24. Schwangerschaftswoche (SSW) und wiegt es unter 500 Gramm, spricht man von einer Fehlgeburt. Ab der 24. SSW oder bei einem Gewicht von mindestens 500 Gramm handelt es sich um eine Totgeburt. Im letzten Fall hat die Frau Anspruch auf Mutterschutz, bei einer Fehlgeburt steht er ihr nicht zu. Das heißt: Eine Schwan- gere, die ihr Kind in SSW 24 + 0 (Tage) verliert, bekommt Mutterschutz. Eine, die es in SSW 23+6 verliert, bekommt ihn nicht. Dazwischen liegt nur ein Tag. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Petition „Einführung eines gestaffelten Mutterschutzes“ fordern die Aufhebung dieser starren, für sie ungerechten Grenze und ein staatliches Schutzangebot für alle Mütter mit Verlusterfahrungen. Fortsetzung von S. 9 Reden als Kontakt zur Welt „Ich empfehle den Frauen – und ihren Partnern –, über ihre Erfahrungen zu sprechen oder sie aufzuschreiben, wenn sprechen nicht geht“, sagt Beatrix Kozjak-Storjohann. Freundinnen, Kollegen und Familienangehörige sollten die Verlusterfahrung nicht bagatellisieren mit Sätzen wie „Du bist noch jung, das wird schon“ oder „Wenn du nicht mehr dran denkst, klappt es irgendwann“. Hilfreicher ist es, echtes Interesse zu zeigen und die negativen Gefühle anzuerkennen. „Schicken Sie Ihrer Freundin zum Beispiel eine Kondolenzkarte oder ein schönes Symbol, das an ihr Kind erinnert“, nennt die Trauerbegleiterin Beispiele. Bei Selbsthilfegruppen ist sie geteilter Meinung: „Natürlich hilft es, sich mit Menschen auszutauschen, die Ähnliches erlebt haben. Wenn ich aber zu viele tragische Schilderungen aus verschiedenen Schwangerschaftswochen kenne, kann das eine Folgeschwangerschaft auch belasten“, gibt sie zu bedenken. Grundsätzlich kann es sehr unterschiedlich sein, wie Frauen einen Verlust erleben und verarbeiten. „Es gibt kein Richtig oder Falsch. Alles kann, nichts muss“, sagt Beatrix Kozjak-Storjohann. Wissen entlastet Fehl- und Totgeburten in der Öffentlichkeitsarbeit von Kliniken, in den (sozialen) Medien und mit öffentlichen Gedenkfeiern zu thematisieren, ist entscheidend für deren Enttabuisierung. Auch die Wanderausstellung „Tod am Anfang des Lebens“ (s. S. 11), die 2012 von der Erlanger Frauenklinik und dem Hospiz-Verein Erlangen e. V. konzipiert wurde und seitdem auf Reisen ist, leistet ihren Beitrag dazu. Mit „letzten Bettchen“ zeigt sie sensibel die Wertschätzung, die Mütter und Väter ihren früh verstorbenen Kindern entgegenbringen, und macht so sichtbar, was Paare vor 50 Jahren noch ganz bewusst verschwiegen und verdrängt haben. Bald soll die Ausstellung auch wieder in Erlangen Halt machen. Sobald die Frau den Herzschlag i hres Kindes im Ultraschal l gesehen hat, baut sie Bindung auf. Der Abschied ist dann meines Erachtens noch schwerer. Beatrix Kozjak-Storjohann

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