Gesundheit Bamberg - Winter 2022/2023

Energie im Fluss Zur Ruhe kommen mit Qigong Workation Macht mobiles Arbeiten das Leben leichter? Einfach Gutes tun Blut spenden am Uniklinikum Erlangen Sprechen wir offen über ... ■ die Trauer nach einer Fehlgeburt ■ die Therapie von Angststörungen ■ Geschlechtskrankheiten und Hämorrhoiden Jetzt mal ehrl ich! Das kostenlose Magazin des Uniklinikums Erlangen | BA | www.gesundheit-erlangen.com | Winter 2022/23

Wir suchen neue ehrenamtliche Mitarbeiter*innen für unseren ASB-Patientenhilfsdienst. Bitte sprechen Sie uns bei Interesse an. ASB-Regionalverband Erlangen-Höchstadt Telefon: (09131) 62 51 20, info@asb-erlangen.de Patientenhilfsdienst Wir helfen hier und jetzt.

| 3 Im Herbst 2020 hatte eine meiner engsten Freundinnen eine Fehlgeburt – ihre Zwillinge starben in der 21. Schwangerschaftswoche. Der Verlust war traumatisch. Sie wisse nicht, wie sie jemals wieder glücklich sein könne, sagte sie mir damals. Dann, ein Jahr später, die zweite Fehlgeburt. Alte, noch nicht verheilte Wunden rissen umso mehr wieder auf, und ein Sog aus Trauer, Verzweiflung und Scham riss meine Freundin nach unten. Der Wunsch, endlich Eltern zu werden, hat sich für sie und ihren Mann bis heute nicht erfüllt. Doch meine Freundin hat einige Dinge verändert: Sie macht eine ambulante Psychotherapie, die ihr im Umgang mit ihren Gefühlen hilft, trifft sich regelmäßig mit anderen betroffenen Frauen, spricht mit Freundinnen, liest Bücher, die ihr Kraft geben, und postete erst kürzlich in ihrem WhatsApp-Status drei kleine Sterne, um an die Geburtstage ihrer Sternenkinder zu erinnern. Ein Tabuthema, ein „Darüber spricht man nicht“ fängt an, sich aufzulösen, wenn die Erste sich öffnet und andere an ihrem „Geheimnis“ teilhaben lässt. Wir möchten Sie mit dieser Ausgabe dazu ermutigen, das Gespräch zu suchen – mit Ihrer Freundin, dem Partner, Ihrer Ärztin, einem Psychotherapeuten oder Menschen, denen es so geht wie Ihnen. Denn in „mitteilen“ steckt „teilen“, und teilen reduziert die Last auf den eigenen Schultern und schafft Verbundenheit. Und die Erkenntnis, dass wir alle nicht unverwundbar sind. Mit dieser Ausgabe wollen wir nicht nur die Trauer nach einer Fehlgeburt enttabuisieren (S. 8), sondern auch auf zwei andere unliebsame Gefühle blicken, nämlich Angst (S. 12) und Scham. Wobei Sie Letztere wahrscheinlich ganz deutlich spüren, wenn Sie Ihrer Ärztin erklären müssen, dass es „da unten“ juckt (S. 16) oder sich „da hinten“ vielleicht behandlungsbedürftige Hämorrhoiden gebildet haben (S. 18). Doch Ärzte und Therapeutinnen haben ihren Beruf nicht ohne Grund gewählt. Sie wollen helfen, und Ihre Beschwerden sind für sie „Normalität“. Nehmen wir uns also für 2023 vor, uns mitzuteilen. Denn nur so ist Hilfe möglich. Vie l leicht so l lten Sie darüber reden Editorial Öfter mal was Neues Fast drei Jahre Pandemie haben die Lust auf Neues bei vie len gedämpft. Wann haben Sie zuletzt etwas zum ersten Mal gemacht? Bei mir war es Qigong, in das ich für diese Ausgabe hineinschnuppern durfte (S. 56). Vie l leicht ist das ja auch was für Sie? Franziska Männel, Chefredakteurin von „Gesundheit erlangen“

4 | Themen dieser Ausgabe KLEINER KÄMPFER Der vierjährige Pepe ist nach anderthalb Jahren Behandlung in der Erlanger Kinderonkologie krebsfrei. STERNENKINDER Fehlgeburten sind häufig, trotzdem spricht kaum eine Frau offen über ihren Verlust. Wir ergründen, was bei der Bewältigung helfen kann. 3 Editorial NEUES AUS DEM UNIKLINIKUM 6 Uniklinikum Erlangen toppt Berliner Charité Ein bisschen eklig, aber lustig 7 Meilenstein für Erlanger Forschung Wege aus der Depression TITEL 8 Abschied am Anfang Verlust in der Schwangerschaft 12 Der Angst entkommen Auch Männer haben Angststörungen 16 Wen juckt’s Geschlechtskrankheiten nehmen zu 18 Hilfe für den Hintern Keine Scham bei Hämorrhoiden REPORTAGE 20 Helden in die Hartmannstraße! Ein Besuch in der Blutspendezentrale des Uniklinikums Erlangen MEDIZIN 26 Sprechstunde Blasenentzündungen stoppen 30 Medien Umgang mit Tod und Trauer 32 Mittel der Wahl Fußbad 33 Kleine Sp(r)itze – Kolumne Die Kälte lieben lernen MENSCHEN 34 Meine Geschichte Wie Pepe die Leukämie besiegte 38 Was macht eigentlich ... ... ein Pathologe am Uniklinikum Erlangen? 34 8–11

| 5 Themen dieser Ausgabe Video Weiterführende Informationen Kontaktaufnahme Persönlicher Kontakt zur Redaktion MENSCHEN 42 Zwei Seiten von PR-Koordinatorin Marie Graber 44 Meine Gesundheit Kinderherzchirurg Prof. Dr. Oliver Dewald ERNÄHRUNG 46 Mund auf! Spitzkohl ist spitze! 48 Gesund genießen Pichelsteiner Eintopf KOPFSACHE 50 Workation Wie sinnvoll ist mobiles Arbeiten? ERFORSCHT UND ENTDECKT 45 Spurensicherung bei sexuellem Missbrauch AKTIV LEBEN 56 Frei fließen Energieblockaden lösen mit Qigong ZUM SCHLUSS 60 Kraulmeditation 61 Rätsel | Gewinnspiel 62 Vorschau | Impressum WORKATION Daheim arbeiten oder dort, wo andere Urlaub machen: Warum das mobile Office nicht immer dem Paradies gleicht, erklärt Prof. Erim. 50 BLUTSPENDE Die Blutspenderinnen und -spender des Uniklinikums Erlangen retten Leben. Seit 2022 tun sie das in der Hartmannstraße. 20

6 | Neues aus dem Uniklinikum Prof. Dr. Roland C. E. Francis ist seit Oktober 2022 neuer Direktor der Anästhesiologischen Klinik des Uniklinikums Erlangen. Zuletzt war der 46-Jährige stellvertretender Direktor der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Der exzellente Ruf der FAU und des Uniklinikums Erlangen sind mir schon lange bekannt“, sagt Prof. Francis. „Mir bieten sich hier sehr attraktive Forschungsschwerpunkte, unter anderem die Medizintechnikentwicklung, und solide Förderungskonzepte für wissenschaftliche Projekte. Insofern hat Erlangen all das, was man in Berlin vermisst.“ Seine klinischen Schwerpunkte sind u. a. die intensivmedizinische Therapie nach Operationen und optimierte Beatmungsmethoden. Prof. Francis betont die Verantwortung der Anästhesiologie, Patientinnen und Patienten nicht nur während, sondern auch vor und Anästhesiologische Klinik hat neuen Direktor Uniklinikum Erlangen toppt Berliner Charité Prof. Dr. Roland C. E. Francis Spiele-App aus Erlangen gewinnt Softwarepreis Der deutsche Kindersoftwarepreis TOMMI 2022 geht nach Franken: Das Team der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie des Uniklinikums Erlangen erreichte mit seinem Entzündungsspiel „INFLAMMANIA 2 – Fight to Cure“ den dritten Platz. In der kostenlosen App geht es darum, den Körper gegen Bakterien, Parasiten wie den Hakenwurm und Viruserkrankungen wie COVID-19 zu verteidigen. Dabei wird auch vermittelt, wie Impfungen funktionieren. Die Kinderjury urteilte über INFLAMMANIA 2: „Ein bisschen eklig und trotzdem sehr interessant und richtig lustig. Die Verbindung aus Action und Wissensvermittlung ist ein absolutes Highlight.“ INFLAMMANIA 2 ist die Weiterentwicklung von INFLAMMANIA 1, bei dem chronisch-entzündliche Erkrankungen wie Rheuma, AsthEin bisschen eklig, aber lustig ma und Morbus Crohn bekämpft werden müssen. Beide Lernspiele wurden innerhalb des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs 1181 „Schaltstellen zur Auflösung von Entzündung“ am Uniklinikum Erlangen und an der FAU Erlangen-Nürnberg entwickelt. nach einer OP optimal zu behandeln. „Unser Maßstab sollten immer die Lebensqualität und die Zufriedenheit unserer Patientinnen und Patienten sein“, sagt der neue Klinikdirektor. INFLAMMANIA 2 im Google Play Store www.bit.ly/3N1kRjF INFLAMMANIA 2 im Apple App Store www.apple.co/3spEvw6

| 7 Neues aus dem Uniklinikum Der Rohbau des TRC IV steht und soll Ende 2023 fertiggestellt sein Mit dem Translational Research Center IV (TRC IV) – Zentrum für personalisierte Forschung (CESAR) entsteht eine beispielhafte interaktive Forschungsinfrastruktur auf dem Nordcampus des Uniklinikums Erlangen, direkt an der Schwabach. In enger interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Medizin und Meilenstein für Erlanger Forschung Neue Studie zur Bouldertherapie und zu Mentalen Modellen Nachdem sich das Bouldern bereits in zwei Studien als wirksame Therapie gegen Depression erwiesen hat, startet das Team um Prof. Dr. Johannes Kornhuber und PD Dr. Katharina Luttenberger von der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik des Uniklinikums Erlangen jetzt ein neues Projekt. Bei „Neue Wege aus der Depression“ werden Menschen mit Depression in einer von drei Gruppen behandelt: in der bewährten Bouldertherapiegruppe im „steinbock“ in Erlangen, in einer Therapiegruppe mit Mentalen Modellen in der Psychiatrie des Uniklinikums Erlangen oder in einer Kontrollgruppe. Der letzte Durchgang startet am Wege aus der Depression 7. März 2023. Informationsveranstaltungen gibt es jeweils um 16.30 Uhr am 24. Januar (Hörsäle Medizin, Ulmenweg 18), am 26. Januar (online) und am 31. Januar 2023 (Hörsäle Medizin, Ulmenweg 18); das Informationsmaterial steht auch zum Download bereit (s. u.). Neue Wege aus der Depression Telefon: 09131 85-44621 E-Mail: neuewege.ps@uk-erlangen.de www.depression-neuewege.de Naturwissenschaft werden im TRC IV künftig neue Ansätze für eine verbesserte Diagnostik und Therapie verschiedener Krankheiten entwickelt. Die Verantwortlichen feierten die Fertigstellung des Rohbaus kürzlich mit einem Richtfest. Das Gebäude soll zum 1. Dezember 2023 fertiggestellt sein.

8 | Titel „Jeder Trauerprozess ist einzigartig, trotz ähnlicher Erfahrungen. Das müssen wir anerkennen“, sagt Beatrix Kozjak-Storjohann, Leiterin des Psychosozialen Diensts der Frauenklinik des Uniklinikums Erlangen. Ihr Team begleitet u. a. Frauen bzw. Paare, die während der Schwangerschaft ein Kind verloren haben, die eine Risikoschwangerschaft erleben oder sich einer Kinderwunschbehandlung unterziehen. Wenn ein Kind stirbt, bevor sein Leben richtig beginnt, kann das für die Mütter und Väter traumatisch sein. „Dabei macht es manchmal keinen Unterschied, ob es sich um eine frühe Fehlgeburt vor der 12. Schwangerschaftswoche handelt oder um eine Totgeburt in der 38. Woche“, betont Beatrix Kozjak-Storjohann. „Wenn eine Frau schon lange versucht, schwanger zu werden und viele Nerven, Emotionen, Zeit und Kosten in die Familienplanung investiert hat, kann ihre Belastung durch den Verlust ähnlich hoch sein wie beim Tod eines Kindes in einer späteren Schwangerschaftswoche“, berichtet sie. Trauer ist nicht vergleichbar. Bis zu den Sternen Sternenkinder „kommen in den Himmel“, bevor sie das Licht der Welt gesehen haben. Vielen Eltern hilft es, wenn sie ihr verstorbenes Baby noch einmal sehen und halten dürfen, wenn sie ihm einen Namen geben, bewusst Abschied nehmen und es später an einem Grab besuchen können. „Das Team der Frauenklinik erstellt, wenn möglich, auch zusätzliche Ul- traschallbilder, Fotos oder Fußabdrücke als FEHL- UND TOTGEBURT Geschätzt jede dritte Frau verliert ihr Baby im Lauf der Schwangerschaft – kaum eine spricht darüber. Mit ihrer Trauer fühlen sich die Betroffenen deshalb oft allein. VON FRANZISKA MÄNNEL Abschied am Anfang Die ersten 12 Die meisten Fehlgeburten ereignen sich zwischen der 5. und 7. Schwangerschaftswoche. Nach der 12. Woche ist das Risiko deut l ich reduziert. Dennoch sind Verluste auch später noch mögl ich.

| 9 Titel Beatrix Kozjak-Storjohann leitet den Psychosozialen Dienst in der Frauenklinik des Uniklinikums Erlangen. Sie begleitet Frauen nach Fehl-/ Totgeburten mit Gesprächen, hält ihre Hand bei Ausschabungen, gestaltet Abschiedsrituale, vermittelt Kontakte und vieles mehr. Erinnerung“, erklärt Beatrix Kozjak-Storjohann. Neben Einzelgräbern für Sternenkinder gibt es auf dem Erlanger Zentralfriedhof seit 20 Jahren ein gemeinsames Grab für Babys, die vor der 24. Schwangerschaftswoche tot geboren wurden und dabei weniger als 500 Gramm wogen (= Fehlgeburten, s. Kasten auf S. 10). Jedes Jahr im März und Oktober wird für alle früh verstorbenen Kinder ein Gedenkgottesdienst abgehalten. „Damit würdigen wir die Kinder und die Trauer der Eltern“, erklärt die Trauerbegleiterin. „Paare können ihr Baby seit 2013 auch standesamtlich eintragen lassen und ihm so eine offizielle Existenz geben. Das war vorher für Sternenkinder unter 500 Gramm nicht möglich. Die Urkunde bekommen Frauen auch rückwirkend nach vielen Jahren. Sie kann sehr tröstlich sein.“ Tabuisierte Gefühle Im Rahmen der Trauerbewältigung bieten Beatrix Kozjak-Storjohann und zwei Kolleginnen ambulanten und stationären Patientinnen der Frauenklinik bis zu sechs Gespräche an. Daran können sie eine weiterführende Psychotherapie anschließen. Studien zufolge zeigen bis zu 20 Prozent aller Frauen nach einer Fehlgeburt Anzeichen einer Depression. Und während die eigene Welt zusammenbricht, dreht sie sich für alle anderen einfach weiter. Viele Betroffene fühlen sich dann umso einsamer mit ihrer Trauer, mit Scham, Schuld und dem Gefühl, versagt zu haben. Dazu kommt vielleicht die Angst vor einem weiteren Verlust in einer erneuten Schwangerschaft oder Neid, wenn andere Paare Eltern werden. →

10 | Titel Anspruch auf eine Auszeit? Sternenkinder sind Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt versterben. Verliert eine Frau ihr Baby vor der 24. Schwangerschaftswoche (SSW) und wiegt es unter 500 Gramm, spricht man von einer Fehlgeburt. Ab der 24. SSW oder bei einem Gewicht von mindestens 500 Gramm handelt es sich um eine Totgeburt. Im letzten Fall hat die Frau Anspruch auf Mutterschutz, bei einer Fehlgeburt steht er ihr nicht zu. Das heißt: Eine Schwan- gere, die ihr Kind in SSW 24 + 0 (Tage) verliert, bekommt Mutterschutz. Eine, die es in SSW 23+6 verliert, bekommt ihn nicht. Dazwischen liegt nur ein Tag. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Petition „Einführung eines gestaffelten Mutterschutzes“ fordern die Aufhebung dieser starren, für sie ungerechten Grenze und ein staatliches Schutzangebot für alle Mütter mit Verlusterfahrungen. Fortsetzung von S. 9 Reden als Kontakt zur Welt „Ich empfehle den Frauen – und ihren Partnern –, über ihre Erfahrungen zu sprechen oder sie aufzuschreiben, wenn sprechen nicht geht“, sagt Beatrix Kozjak-Storjohann. Freundinnen, Kollegen und Familienangehörige sollten die Verlusterfahrung nicht bagatellisieren mit Sätzen wie „Du bist noch jung, das wird schon“ oder „Wenn du nicht mehr dran denkst, klappt es irgendwann“. Hilfreicher ist es, echtes Interesse zu zeigen und die negativen Gefühle anzuerkennen. „Schicken Sie Ihrer Freundin zum Beispiel eine Kondolenzkarte oder ein schönes Symbol, das an ihr Kind erinnert“, nennt die Trauerbegleiterin Beispiele. Bei Selbsthilfegruppen ist sie geteilter Meinung: „Natürlich hilft es, sich mit Menschen auszutauschen, die Ähnliches erlebt haben. Wenn ich aber zu viele tragische Schilderungen aus verschiedenen Schwangerschaftswochen kenne, kann das eine Folgeschwangerschaft auch belasten“, gibt sie zu bedenken. Grundsätzlich kann es sehr unterschiedlich sein, wie Frauen einen Verlust erleben und verarbeiten. „Es gibt kein Richtig oder Falsch. Alles kann, nichts muss“, sagt Beatrix Kozjak-Storjohann. Wissen entlastet Fehl- und Totgeburten in der Öffentlichkeitsarbeit von Kliniken, in den (sozialen) Medien und mit öffentlichen Gedenkfeiern zu thematisieren, ist entscheidend für deren Enttabuisierung. Auch die Wanderausstellung „Tod am Anfang des Lebens“ (s. S. 11), die 2012 von der Erlanger Frauenklinik und dem Hospiz-Verein Erlangen e. V. konzipiert wurde und seitdem auf Reisen ist, leistet ihren Beitrag dazu. Mit „letzten Bettchen“ zeigt sie sensibel die Wertschätzung, die Mütter und Väter ihren früh verstorbenen Kindern entgegenbringen, und macht so sichtbar, was Paare vor 50 Jahren noch ganz bewusst verschwiegen und verdrängt haben. Bald soll die Ausstellung auch wieder in Erlangen Halt machen. Sobald die Frau den Herzschlag i hres Kindes im Ultraschal l gesehen hat, baut sie Bindung auf. Der Abschied ist dann meines Erachtens noch schwerer. Beatrix Kozjak-Storjohann

| 11 Titel Initiative Regenbogen „Glücklose Schwangerschaft“ e. V. www.initiative-regenbogen.de „Wir wollten mal ganz viele Kinder haben. Nach unseren zwei Jungs passierte lange nichts. Dann, mit 41, war ich zum dritten Mal schwanger. Wir haben uns total auf dieses Wunschkind gefreut, haben niemandem etwas erzählt und wollten alle überraschen. Doch bei der Pränataldiagnostik stellte sich heraus, dass unsere Tochter Trisomie 18 hat und nicht lebensfähig ist. Der Kopf verstand, was das heißt, aber die Seele rebellierte. In der 21. Schwangerschaftswoche hörte ihr Herz auf zu schlagen. Mit Medikamenten und Hormonen wurde die Geburt eingeleitet. Ich war nicht darauf gefasst, was da emotional mit mir passierte. Ich empfand die Freude über die Geburt meines Kindes und war gleichzeitig unendlich traurig darüber, dass ich es tot im Arm hielt. Dieser Zwiespalt setzte sich in meinem Alltag fort. Wenn meine Kinder etwas Tolles machten, liefen mir manchmal die Tränen runter. Ich konnte nicht mehr zwischen Freude und Trauer unterscheiden. Die ersten Gespräche mit Frau Kozjak-Storjohann waren für mich sehr wertvoll. Sie ordnete alles ein und ergründete mit mir, welche Gefühle ich durchlebte und warum. War da Angst, Leere, vielleicht auch Wut? Dann machte ich zwei JahLicht für dich Am zweiten Sonntag im Dezember (11.12.2022) ist Candle Lighting Day. An diesem Tag gedenken weltweit Eltern ihrer Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind, indem sie eine Kerze ans Fenster stel len (in Deutschland um 19.00 Uhr). re lang eine Psychotherapie. Nach der Fehlgeburt hatten wir uns entschieden, Familie, Freunde und Nachbarn zu einer Beerdigung und einer Gedenkfeier einzuladen. Es war ein Befreiungsschlag. Es kamen unglaublich viele Menschen und so viele haben sich danach bei uns gemeldet und erzählt, dass sie Ähnliches erlebt hatten. Viele wussten nicht, dass ein Einzelgrab immer möglich ist, sie kannten nur die Sammelbestattungen. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass es auf unserem Friedhof im Ort 20 Plätze für Sternenkinder gibt. Nach anderthalb Jahren sind jetzt schon acht vergeben. Für uns ist es schön, einen Trauerort zu haben. Zwei Jahre lang war ich fast täglich dort. Die Kerze von der Aussegnung im Krankenhaus zünden wir noch immer für Lara* an. Die zwei Jungs wissen, dass ihre Schwester zur Familie gehört, wir sprechen offen darüber. Jeder von ihnen hat einen Teddy bekommen. Er ist so groß, wie Lara damals war. Ich glaube schon, dass es einen anderen Menschen aus einem macht. Ich lebe heute bewusster und wertschätze viel mehr, was ich habe – die Familie, die da ist. Das Thema Kinderwunsch ist für uns abgeschlossen.“ * Name von der Redaktion geändert „Wir sind froh, dass wir es öffent l ich gemacht haben“ Marina H.* erzählt davon, wie sie den Verlust ihres dritten Kindes erlebte, was ihr half und was sich seitdem verändert hat. Ausstellung „Tod am Anfang des Lebens“ digital ansehen www.bit.ly/3E9MS5S

12 | Titel Der Angst entkommen

ANGSTERKRANKUNGEN Wie sich die Störungen äußern, welche Behandlungsoptionen es gibt und wann Betroffene sich unbedingt Hilfe suchen sollten – auch wenn es ihnen schwerfällt. VON ALESSA SAILER Die einen haben sie auf dem Fünfmeterbrett im Freibad, die anderen in öffentlichen Verkehrsmitteln, wieder andere, wenn sie eine Spinne in der Badewanne finden: Angst. Für uns Menschen war sie vor Jahrtausenden überlebenswichtig, denn dank des schnelleren Herzschlags und der besseren Durchblutung unseres Körpers konnten wir z. B. schneller vor Gefahren fliehen und uns gegen Bedrohungen wehren. Doch auch heute noch begleiten uns Ängste. Etwa jede vierte bis fünfte Person in Deutschland entwickelt im Laufe des Lebens eine krankhafte Angststörung. „Eine Angsterkrankung äußert sich dadurch, dass sie wiederholt auftritt, die Furcht – objektiv betrachtet – nicht angemessen ist und sie zu deutlichen Einschränkungen im Alltag führt“, erklärt Dr. Timo Oberstein, geschäftsführender Oberarzt der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik des Uniklinikums Erlangen. Doch was bedeutet „unangemessen“? „Wenn jemand, der aus einem tropischen Land kommt, Angst vor Spinnen hat, ist das anders einzuordnen als hierzulande, wo die Tiere in der Regel harmlos sind“, so der Psychiater. „Auch die Angst vor leeren Plätzen oder die Dramatisierung von im Grunde alltäglichen Herausforderungen sind objektiv gesehen nicht angebracht.“ Selbst auferlegte Isolation Die häufigsten Angsterkrankungen sind Panikstörungen, die soziale sowie die Agoraphobie und die generalisierte Angststörung (s. Kasten auf S. 14). Betroffene verändern ihr Leben oft grundlegend. Viele gehen ihren Hobbys nicht mehr nach oder reduzieren ihre sozialen Kontakte. „Manche Menschen verlassen monatelang ihre Wohnung nicht mehr. Andere gehen nicht mehr zu den Vorlesungen in der Uni und brechen sogar ihr Studium ab, weil sie beispielsweise Angst davor haben, von Kommilitoninnen für ihr Aussehen, ihr Auftreten oder Ähnliches kritisiert zu werden“, berichtet Timo Oberstein. Spätestens dann sei es höchste Zeit, sich ärztliche Hilfe zu suchen. Denn durch die → | 13 Titel Dr. Timo Oberstein Bei Panik- störungen... ... reichen bereits wenige Wochen Therapie aus, um eine deutl iche Besserung zu erzielen. Doch Dauer und Methode sind bei jeder Patientin und jedem Patienten individuel l unterschiedl ich.

Titel 14 | Die häufigsten Angsterkrankungen ■ Agoraphobie Betroffene haben Angst vor Situationen, in denen es für sie vermeintlich keine Fluchtmöglichkeit oder Hilfe gibt, falls etwas passieren sollte. Agoraphobie kann sich beispielsweise in Menschenmengen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf großen Plätzen zeigen. ■ Generalisierte Angststörung Erkrankte leiden unter ständigen Sorgen, sie katastrophisieren objektiv harmlose Situationen und entkommen dem Gedankenkarussell nicht von allein. ■ Panikstörung Sie ist gekennzeichnet durch plötzlich auftretende Furcht, teilweise auch Todesangst. Betroffene meinen, sie erleiden einen Herzinfarkt, haben Angst zu ersticken oder fürchten, plötzlich ohnmächtig zu werden. ■ Soziale Phobie Betroffene haben ständig das Gefühl, von anderen schlecht bewertet zu werden. Sie haben Angst davor, sich zu blamieren, unangenehm aufzufallen oder ausgelacht zu werden, z. B. beim Essen in der Öffentlichkeit oder beim Sprechen vor Publikum. Spezifische Phobien... ... sind Ängste vor bestimmten Objekten oder Situationen und kommen sehr häufig vor. Dazu zählen z. B. Angst vor Spinnen (Arachno- phobie), Höhen (Akrophobie), Gewitter (Astraphobie) oder Blut (Hämaphobie). Fortsetzung von S. 13 Isolation und weil Aktivitäten, die früher Freude machten – etwa Konzertbesuche oder das Treffen von Freunden –, wegfallen, können obendrein Depressionen entstehen. Die beiden Störungen treten oft gemeinsam auf, weiß der Psychiater: „Ich kann nur an alle appellieren, sich frühzeitig bei uns vorzustellen. Die meisten Angsterkrankungen lassen sich nämlich gut behandeln, sodass Patientinnen und Patienten in ihr früheres Leben zurückkehren können.“ Oft fällt es Betroffenen schwer, offen über ihre Angst zu sprechen – Hilfe suchen sie sich erst, wenn der Leidensdruck bereits extrem hoch ist. „Dabei sollten Angstgeplagte keine falsche Scham vor einem Termin haben“, sagt Dr. Oberstein. „Etwa 60 bis 70 Prozent der Menschen, die zu uns kommen, behandeln wir wegen Angststörungen und/oder Depressionen. Sie sind damit also nicht allein!“ Doch es braucht Mut, sich zuerst selbst eine psychische Erkrankung einzugestehen und sie im nächsten Schritt anderen gegenüber zuzugeben. Auch gesellschaftliche Normen halten Erkrankte möglicherweise davon ab, sich emotional zu öffnen. „Besonders bei Männern ist die Stigmatisierung, die mit einer psychischen Erkrankung einhergeht, leider noch recht groß, weil sie eine vermeintliche Schwäche offenbart“, sagt Dr. Oberstein. „Je stärker das männliche ‚Idealbild‘ von Mut und Unverwundbarkeit in den Erkrankten verankert ist, desto schwerer fällt es ihnen möglicherweise, sich in Behandlung zu begeben.“ Rein statistisch gesehen sind mehr Frauen von Angsterkrankungen betroffen als Männer – ob Letztere sich nur seltener Hilfe suchen, dazu gibt es keine Daten. „Interessant ist aber: Männer fürchten sich zum Beispiel genauso vor Vereinsamung wie Frauen“, so der Psychiater. Ursache oft unklar Eine konkrete Ursache für Angsterkrankungen lässt sich in den meisten Fällen nicht bestimmen, denn: Verschiedene Faktoren wie die genetische Veranlagung, das kulturelle und soziale Umfeld, Rollenbilder, Gedanken, Gefühle und (erlerntes) Verhalten beeinflussen sich gegenseitig. Therapiert werden Betroffene meist mit mehreren Bausteinen: von verhaltenstherapeutischen Sitzungen und Gruppengesprächen

| 15 Titel über Achtsamkeitsübungen und Anleitungen zur Stressreduktion bis hin zu Medikamenten. Auch Klaus R.* hat unterschiedliche Behandlungsansätze ausprobiert, um seine generalisierte Angststörung zu überwinden. Der 78-Jährige kämpfte jahrzehntelang gegen die Angst, zu versagen, alles nicht so stemmen zu können wie die Kolleginnen und Kollegen und seinen Alltag nicht bewältigen zu können. Wa- rum die Angst den Lehrer damals „befiel“, wie er sagt, weiß Klaus R. nicht. „Bei mir äußerte sich das vor allem darin, dass ich sehr schlecht schlafen konnte. Ich wachte regelmäßig nachts auf und war morgens erschöpft, weil meine Gedanken ständig um den kommenden Tag kreisten“, erinnert sich Klaus R. „Die Angst hat mich auf Dauer mürbe gemacht.“ Auch wenn der Lehrer sich damals selten krankmelden musste, litt er doch sehr unter dem psychischen Druck. „Meine Arbeit habe ich immer erledigt, aber sie hat mich extrem viel Energie gekostet. Nur wenigen Menschen habe ich mich anvertraut. Das Verständnis meiner Frau hat mir jedoch sehr geholfen.“ Mehrmals habe er sich in psychiatrische Behandlung begeben, doch die Medikamente, die verhaltenstherapeutischen Sitzungen und die stationären Aufenthalte halfen nicht oder nicht auf Dauer – das bekannte Problem tauchte immer wieder auf. Im Gedankenkarussell gefangen „In den Ferien ging es mir gut, aber sobald die Schule losging, waren auch die Ängste zurück.“ Klaus R. zog in Erwägung, seinen Beruf zu wechseln, doch der Austausch mit den Schülerinnen und Schülern bereitete ihm Freude, er engagierte sich sogar als Vertrauenslehrer. „Im Nachhinein gesehen war das alles nicht rational. Die Angst, etwas nicht zu schaffen, war unbegründet. Meine Frau sagte mir immer: ‚Aber du hast doch immer alles geschafft.‘ Und dennoch kam ich nie wirklich aus dem Gedankenkarussell heraus – egal, welche Therapie ich bekam.“ Klaus Sprechstunde für Angst- und Zwangsstörungen Telefon: 09131 85-34597 | E-Mail: pia@uk-erlangen.de R. ließ sich schließlich frühzeitig pensionieren. Seitdem engagiert er sich in der Seniorenarbeit, organisiert etwa Ausflüge für die Gruppe. „Da habe ich gemerkt, es gibt auch noch Dinge, die Spaß machen.“ Doch selbst nach dem Austritt aus dem Schuldienst waren seine Ängste nicht vollkommen verschwunden. Regelmäßig begab er sich in Behandlung; 2021 kam er bei Dr. Oberstein in ambulante Therapie, der schließlich ein Medikament für seinen Patienten fand, das die Ängste des 78-Jährigen in Schach hält. „Als er hier saß und freudig sagte ‚Sie haben einen glücklichen Patienten vor sich‘, war das natürlich ein schöner Erfolg“, berichtet Timo Oberstein. „Egal, welche Erkrankung jemand hat und warum, ob Mann oder Frau, jung oder alt –wichtig ist, gemeinsam eine individuell passende Therapie und damit einen Weg aus der Angst zu finden.“ * Name von der Redaktion geändert Bei Männern treten am häufigsten soziale Phobien und Panikstörungen auf.

16 | Titel Viele Menschen haben sie mindestens einmal im Leben, doch die Wenigsten sprechen offen darüber: Sexuell übertragbare Krankheiten (Sexually Transmitted Infections = STI) betreffen alle Geschlechter, Jung und Alt – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Seit Jahren sind wieder steigende Fallzahlen bei Chlamydien, Gonorrhö („Tripper“), Syphilis, Feigwarzen, Genitalherpes und Co. zu verzeichnen. Wie kann das sein in unserer heutigen aufgeklärten Welt? „Die schlechte Behandelbarkeit von HIV und die HIV-Kampagnen in den 1980er- und 1990er-Jahren – zum Beispiel der TV-Spot „Tinaaa, wat kost’n die Kondome?“ mit Hella von Sinnen – führten damals zu erheblichem Respekt vor STIs. Dieser hat jedoch wieder deutlich nachgelassen“, sagt Dr. Andreas Maronna, Oberarzt der Hautklinik des Uniklinikums Erlangen. „Umso gravierender ist die Uninformiertheit über die existierenden STIs, insbesondere bei der jüngeren Generation. Auch die Einstellung ‚Mich wird es schon nicht treffen‘ ist sehr bedauerlich und ein Grund dafür, sich nicht ausreichend vor STIs zu schützen.“ Brennen, Pusteln, Ausfluss Wer nach (ungeschütztem) Geschlechtsverkehr Hautveränderungen wie Pusteln oder Knötchen an sich beobachtet, ein andauerndes Brennen bzw. Jucken im Genitalbereich und/oder Ausfluss bemerkt, sollte unbedingt eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen. „Nur so können wir weitreichende gesundheitliche Folgen und die Weitergabe an andere verhindern“, betont Dr. Maronna. Wird Tripper nicht behandelt, kann er Gelenkentzündungen hervorrufen, Syphilis dagegen neurologische Schäden. Letztere kann unbehandelt sogar tödlich verlaufen. Auch Chlamydieninfektionen haben weitreichende Folgen: Sie können zu Entzündungen der Harnröhre, der Prostata oder der Hoden führen und die Fruchtbarkeit von Frau und Mann gefährden. Humane Papillomaviren (HPV) rufen u. a. unangenehme Feigwarzen an den Genitalien – durch Oralsex seltener auch am bzw. im Mund – hervor und können sogar Gebärmutterhalskrebs sowie Penis- und Analkarzinome auslösen. Feststellen lassen sich STIs z. B. mithilfe von äußerlichen Abstrichen an den Genitalien bzw. beim Mann auch in der Harnröhre – am besten mit angehaltenem Morgenurin, weil dann die Erregerzahl in der Harnröhre höher ist als nach dem ersten Wasserlassen. Abstriche bei Frauen werden üblicherweise von Gynäkologinnen bzw. Gynäkologen durchgeführt. So lassen sich z. B. Chlamydien diagnostizieren. „HIV- und Hepatitisvirusinfektionen sind im Blut allerdings erst Wochen nach der eigentlichen Infektion nachweisbar. Bei HIV sind es beispielsweise zwei bis zwölf Wochen“, erklärt Dr. Maronna. Vorbeugen lässt sich vor allem durch Kondome – auch wenn sie keinen 100-prozentigen Schutz bieten. ReWen juckt’s? GESCHLECHTSKRANKHEITEN Sexuell übertragbare Krankheiten sind immer noch ein Tabu – dabei ist die Aufklärung darüber heute wieder besonders wichtig. VON ALESSA SAILER HPV-Impfung Die meisten, die nicht gegen HPV geimpft sind, infizieren sich im Laufe ihres Lebens damit – oft ohne es zu merken. Eine Immunisierung hi lft effekti v gegen eine HPVInfektion und beugt so z. B. Gebärmutterhalskrebs vor. Empfohlen wird sie Mädchen und Jungen zwischen 9 und 14 Jahren (vor dem ersten Sex).

Die häufigsten STIs im Überblick ■ Gonorrhö (Tripper): ▪ Bakterien verursachen Ausfluss und/oder Brennen ▪ kann unbehandelt zu Organbefall führen ■ Chlamydien: ▪ Bakterien verursachen Brennen, oft aber auch gar keine Symptome ▪ führen z. B. zu Entzündungen der Harnröhre oder der Prostata ▪ können unfruchtbar machen ■ Syphilis: ▪ Bakterien verursachen kleine Pusteln oder Geschwüre, später geschwollene Lymphknoten ▪ kann in fortgeschrittenem Stadium zu neurologischen Schäden und zum Tod führen ■ HPV: ▪ Viren lösen Feigwarzen aus (hahnenkammartige Warzen an den Genitalien) ▪ verursachen z. T. Gebärmutterhalskrebs, Penis- und Analkarzinome ▪ Impfung schützt vor Krebs (s. links) ■ Hepatitis B und C: ▪ viral verursachte Leberentzündung ▪ einige Wochen nach Infektion im Blut nachweisbar ▪ Impfung gegen Hepatitis B möglich gelmäßige STI-Tests machen bei (häufigem) Wechsel der Partnerin bzw. des Partners sowie zu Beginn einer neuen Beziehung Sinn. „Übrigens können HPV auch erst nach Jahren oder gar Jahrzehnten des Schlummerns Symptome verursachen“, so der Experte. „Treten in einer längeren Beziehung Feigwarzen auf, heißt das nicht gleich, dass jemand fremdgegangen ist.“ Bei neuen Symptomen des Trippers und der (Früh-) Syphilis sei allerdings eher davon auszugehen, dass die STI von einer dritten Person stammt. „Einige STIs können wir unter anderem mit Antibiotika undVirostatika gut therapieren“, so der Dermatologe. „Es sollte sich niemand schämen, deswegen zu uns zu kommen. Als Patientin oder Patient begeben Sie sich in die Hände eines professionellen Teams, das schon viele STI-Betroffene vor Ihnen gesehen hat. Die Folgen einer unbehandelten Geschlechtskrankheit sind weitaus schlimmer, als die Angst zu überwinden, in einer Praxis oder Klinik vorstellig zu werden.“ Dr. Andreas Maronna ist Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und als Oberarzt in der Erlanger Hautklinik tätig. So werden sie übertragen Der Mythos, dass z. B. Chlamydien und Tripper auch über öffentliche Toiletten übertragen werden, hält sich weiterhin. Dr. Maronna stellt klar: „Eine Ansteckung ist praktisch nur über Geschlechtsverkehr möglich.“ Bei Feigwarzen sieht das anders aus: Bereits bei engem (reibendem) Kontakt können die Viren weitergegeben werden. So infizieren sich Männer mitunter trotz Kondomgebrauchs an der Peniswurzel. | 17 Titel

18 | Titel HÄMORRHOIDEN Den meisten Menschen sind sie äußerst peinlich – für Koloproktologen sind sie Normalität. Warum es so wichtig ist, seine Scham zu überwinden. VON FRANZISKA MÄNNEL „Können Hämorrhoiden alleine wieder weggehen?“ ist eine der Top-Suchanfragen bei Google, wenn man zum Thema recherchiert. Den meisten Betroffenen wäre es wohl am liebsten, sie könnten das Problem am Darmausgang einfach aussitzen. Doch in vielen Fällen wäre ärztlicher Rat sinnvoll. Vorab: Alle Menschen haben Hämorrhoiden. Denn die kleinen ringförmig angeordneten Gefäßpolster und der Schließmuskel sorgen gemeinsam dafür, dass der Darm nach außen hin dicht ist. Hätten wir keine Hämorrhoiden, würde z. B. bei Blähungen mehr aus dem Körper entweichen als nur Luft. Sind die Pölsterchen jedoch vergrößert, können sie brennen, jucken, nässen und bluten, Analekzeme hervorrufen oder sogar aus dem After heraustreten und das Sitzen zur Qual machen. Es heißt dann umgangssprachlich, dass jemand „Hämorrhoiden hat“. Medizinisch korrekt ist allerdings die Bezeichnung Hämorrhoidalleiden. Ursachen für diese unangenehme Erkrankung können sehr fester Stuhl, starkes Pressen auf der Toilette oder auch während einer Geburt, eine ballaststoffarme Ernährung, die Verstopfung fördert, Übergewicht und Bewegungsmangel sein. Hilfe für den Hintern Prof. Dr. Klaus Matzel, Leiter der Sektion Koloproktologie am Uniklinikum Erlangen, beantwortet die eingangs gestellte Suchanfrage wie folgt: „In der Regel bildet sich ein Hämorrhoidalleiden nicht spontan wieder zurück. Es ist also wichtig, dass Betroffene nicht zu lange mit einer ärztlichen Kontrolle warten – allein schon deshalb, weil auch etwas Ernstes dahinterstecken kann, zum Beispiel eine Darmerkrankung oder sogar Krebs.“ Keine Seltenheit Schätzungen zufolge bekommt mehr als jeder zweite erwachsene Mensch im Lauf seines Lebens vergrößerte Hämorrhoiden. Behandeln lassen sich in Deutschland nur vier von hundert Betroffenen.

| 19 Titel Licht ins Dunkel Untersucht wird zunächst mittels Tastuntersuchung im After – für Koloproktologinnen und -proktologen reine Routine. Anschließend bringen sie im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Dunkel – mit einem kurzen Proktoskop, das sie in den Enddarm einführen. Je nach technischer Ausstattung können auch Ärztinnen und Ärzte aus der Urologie oder der Gynäkologie die Diagnostik vornehmen. In manchen Fällen wird zusätzlich noch zu einer Darmspiegelung geraten. „Mir ist wichtig, zu betonen, dass diese Untersuchungen schmerzfrei sind. Hier gibt es nämlich oft irrationale Ängste“, sagt Prof. Matzel. Das Ausmaß der Veränderungen entscheidet über die Therapie: Bei Hämorrhoiden ersten und zweiten Grades genügen entzündungshemmende, wundheilende Salben. „Darüber hinaus gibt es kleine Gummibänder, mit denen wir die Gefäßpolster abschnüren, sodass sie nach ein paar Tagen einfach unbemerkt abfallen. Da wir in einem schmerzunempfindlichen Bereich arbeiten, ist auch das überhaupt nicht schlimm“, versichert Klaus Matzel. Eine weitere Option ist die Verödung: Dabei wird ein spezieller Wirkstoff in das ausufernde Gewebe gespritzt, wodurch es schrumpft. „Alle dritt- und viertgradigen Hämorrhoiden werden in der Regel operativ entfernt. Hierfür gibt es dann Referenzzentren wie unsere Koloproktologie“, erklärt Prof. Matzel, dessen Sektion jährlich 200 bis 300 Menschen mit krankhaft veränderten Hämorrhoiden behandelt. Und wie nimmt man ihnen die Scham? „Das geht am besten, indem wir eine angenehme Atmosphäre aus Gelassenheit und Humor schaffen. Das, was für die Betroffenen so peinlich ist, ist ja unser tägliches Handwerk. Genauso, wie der Zahnarzt in den Mund schaut, machen wir eben unsere Arbeit“, sagt der Oberarzt. „Es hilft auch, dass die Patientinnen und Patienten, die mehrfach kommen, bei uns bekannte Gesichter sehen und nicht jedes Mal neue.“ Prof. Dr. Klaus Matzel Warten Sie nicht zu lange – al lein schon deshalb, wei l auch etwas Ernstes dahinterstecken kann. Prof. Dr. Klaus Matzel Hämorrhoiden: krankhaft veränderte Gefäßpolster am Ausgang des Enddarms – kurz vorm After Koloproktologie Telefon (Terminvergabe): 09131 85-33332 www.chirurgie.uk-erlangen.de/ueber-uns/ koloproktologie/ Treten Hämorrhoiden nach außen, machen sie das Sitzen zur Qual.

Helden in die Hartmannstraße! Blut spenden hilft – allen voran Menschen mit Krebs, Unfallopfern und anderen, die sich großen Operationen unterziehen müssen. Eine Vollblutspende rettet drei Leben. Heldinnen und Helden können sich im neuen Blutspendebereich des Uniklinikums Erlangen in der Hartmannstraße 14 melden. BLUTSPENDE Liegend Leben retten – das geht in der neuen, modernen Blutspende- zentrale des Uniklinikums Erlangen jetzt noch besser. Ein Besuch. VON FRANZISKA MÄNNEL Reportage 20 |

„Das ist unsere Antarktis.“ Pflegefachkraft Jens Schriewer zieht sich eine warme, blaue Jacke über und nimmt sich eine Mütze vom Kleiderhaken – eine mit dickem Fell und großen, wärmenden Ohrenklappen. „Wir müssen da zügig reingehen, damit nicht unnötig viel Wärme in den Raumkommt“, erklärt er. „Sonst ist das wie bei Ihrem Tiefkühlschrank zu Hause: Wenn der zu lange offen bleibt, vereist er.“ In dem Kühlraum im Untergeschoss der Hartmannstraße 14 herrschen −35 °C. Hier lagert das Blutplasma von Spenderinnen und Spendern des Uniklinikums Erlangen – ein wertvolles Gut, das bis heute kein Labor der Welt künstlich erzeugen kann. Aus dem Plasma stellt die Pharmaindustrie Medikamente her. „Einmal im Monat kommt ein Lkw, um es abzuholen“, sagt Jens Schriewer und hält eine hellgelbe Konserve in die Kamera. Im Schockfroster wurden die Beutel bei −50 °C zu festen Platten zusammengepresst. Plasma enthält Gerinnungsfaktoren, die z. B. Menschen dringend brauchen, die an der Bluterkrankheit (Hämophilie) oder am Von-Willebrand-Syndrom leiden. Letzteres zeigt sich u. a. durch häufiges Nasenbluten, eine starke Regelblutung oder auffallend viele blaue Flecken auf der Haut. „Hier gibt es überall Sensoren für Luftdruck, Feuchtigkeit und Temperatur“, erklärt Jens Schriewer. „Es darf keine Abweichungen geben. Deshalb überwachen wir und die Leitwarte des Uniklinikums permanent alle Werte, und die Kollegen werden zum Beispiel automatisch informiert, wenn bei uns irgendeine Tür nicht richtig geschlossen ist.“ An die „Antarktis“ grenzt der Herstellungsbereich an. Hier bearbeiten die Mitarbeitenden der Transfusionsmedizinischen und Hämostaseologischen Abteilung die Blutprodukte aus dem Entnahmebereich – sie prüfen, packen ab, wiegen, dokumentieren und versehen die einzelnen Beutel mit Etiketten. Konzentrate mit roten Blutkörperchen (Ery- throzyten) wandern in einen begehbaren Kühlschrank mit einer Temperatur von 4 °C, Blutplättchen in einen „Thrombozytenschüttler“, der sie permanent hin und her bewegt, damit sie nicht verklumpen, und das Plasma in den −35 °C kalten „Eistresor“. Mehrmals täglich werden Konserven abgeholt und in die Blutbank des Uniklinikums Erlangen in die Krankenhausstraße gebracht. → Bei −35 °C im Kühlraum zieht sich Pflegefachkraft Jens Schriewer lieber wärmer an. Normalerweise trägt er auch Handschuhe. Das gefrorene Blutplasma, das hier lagert, ist bis zu zwei Jahre haltbar. Pflegefachkraft Jens Schriewer | 21 Reportage

22 | Reportage Fortsetzung von S. 21 Einfach etwas Gutes tun Die neue Blutspendezentrale der Transfusionsmedizin samt Herstellungs- und Lagerbereich befindet sich seit März 2022 in der Hartmannstraße. „Seitdem erweitern wir nach und nach unsere Kapazitäten“, erklärt Oberärztin Dr. Susanne Achenbach. Blutspenderinnen und -spender betreten nun großzügig gestaltete, klimatisierte Räume. Die Ausstattung ist modern, es gibt viel Tageslicht und ausreichend Platz. Autos und Fahrräder können direkt vorm Haus geparkt werden. „Auch unsere Abläufe haben wir optimiert“, sagt Dr. Achenbach. „Donnerstags haben wir unseren langen Spendetag bis 19.00 Uhr, und der Fragebogen, den jeder vorab ausfüllen muss, kann vor Ort bald bequem am Bildschirm bearbeitet werden.“ Nach der Anmeldung im Erdgeschoss und der Vorstellung bei der Aphereseärztin bzw. dem Apheresearzt geht es in den Entnahmebereich: Hier gibt es zehn Plätze für die Vollblut-, Plasma- oder Thrombozytenspende. Im Anschluss dürfen sich Entnahme, Herstellung und Lagerung von Blutprodukten – am neuen Standort auf dem KussmaulForschungscampus ist all das unter einem Dach möglich. Den alten Blutspendebereich in der Schillerstraße gibt es nicht mehr. Oberärztin Dr. Susanne Achenbach die Freiwilligen noch etwas ausruhen. In einem kleinen Nebenraum warten Snacks und Getränke. Am heutigen Vormittag sind bisher vier von zehn Liegen belegt. Auf einer sitzt Silke D. – seit 15 Jahren Dauerspenderin. Die 48-Jährige mag die hellen Räume und dass sie ihre Termine problemlos online buchen kann. „Ich komme jeden zweiten Dienstag und spende Thrombozyten. Davon habe ich besonders viele, und nach 50 Minuten bin ich fertig“, sagt sie. Sie habe schon immer regelmäßig Geld an verschiedene Organisationen gespendet. „Aber Blutspenden ist eine der einfachsten Möglichkeiten, etwas Gutes zu tun.“ Silke D. ist Universalspenderin: Ihre Blutgruppe 0- ist mit allen anderen kompatibel. „Ich finde es total wichtig, dass es immer genug Blutprodukte gibt“, sagt sie. Zudem schätzt sie es, dass sie dank der Untersuchung immer ihre aktuellen Blutwerte erfährt.

| 23 Reportage Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) werden aus Vollblutspenden wie dieser gewonnen. Pro Spende werden ca. 500 ml Blut entnommen. 80 Prozent der Deutschen brauchen mindestens einmal im Leben eine solche Konserve. Blut für das Uniklinikum „Wir haben für alle Blutbestandteile zu wenige Spenderinnen und Spender“, beklagt Jens Schriewer, während er zu den freien Liegen neben Silke D. blickt. „Nur drei Prozent der Deutschen, die Blut spenden könnten, machen das auch“, ergänzt Dr. Achenbach. „Wir wollen mehr Menschen dazu bewegen und unseren Eigenbedarf am Uniklinikum langfristig noch stärker selbst decken“, sagt die Oberärztin. Die 5.500 Thrombozytenkonzentrate, die vor allem die Krebspatientinnen und -patienten des Uniklinikums jedes Jahr bekommen, stammen bereits aus der eigenen Herstellung. Und auch bei den Erythrozyten will die Transfusionsmedizin autark werden: Jährlich verbrauchen die Ärztinnen und Ärzte des Uniklinikums Erlangen ca. 20.000 Einheiten der roten Blutkörperchen – hauptsächlich bei großen Operationen, in der Intensivmedizin und bei Chemo- und Strahlentherapien. → Darf ich? Spenden darf jeder gesunde erwachsene Mensch zwischen 18 und 68 Jahren, der mindestens 50 Ki logramm wiegt. Erstspenderinnen und -spender so l lten nicht älter sein als 60 Jahre. Viel wert Blutspenden retten Leben. Als Aufwandsentschädigung erhält jede Spenderin und jeder Spender des Uniklinikums Erlangen 20 Euro (Vollblut und Plasma) bzw. 60 Euro (Thrombozyten).

24 | Reportage Augentropfen aus Eigenblut Menschen mit dem Sicca-Syndrom leiden unter trockenen Augen. Befeuchtende Tropfen werden jedoch nicht von allen Betroffenen gut vertragen. In Erlangen wird deshalb das eigene Blutserum der Patientinnen und Patienten – eine zellfreie gelbliche Flüssigkeit – zu individuellen Augentropfen aufbereitet. Fortsetzung von S. 23 Wenn die Blutung nicht aufhört Susanne Achenbach und Jens Schriewer gehen nun voran, die Treppe hinauf in den ersten Stock – zur Gerinnungsambulanz. „Der Patientenbereich hier oben und der Entnahmebereich im Erdgeschoss sind strikt getrennt, um unter anderem Infektionen, aber auch Verwechslungen vorzubeugen“, erklärt Dr. Achenbach. Sechs bis acht Personen werden in der Gerinnungsambulanz täglich untersucht oder behandelt. Sie kommen aus ganz Mittelfranken. „Ein häufiger Fall sind Schwangere, in deren Familie eine Gerinnungsstörung aufgetreten ist. Spätestens wenn ein Kaiserschnitt ansteht, bei dem Blutungen nicht auszuschließen sind, oder wenn es schon im Vorfeld auffällige Blutungen gab, stellen sich die Frauen bei uns zur Gerinnungsdiagnostik vor“, erklärt Jens Schriewer. Dazu kommen Menschen mit Hämophilie und andere, die entweder zu Blutungen oder zu Thrombosen neigen. Dann wird u. a. geklärt: Ist eine angeborene Blutungs- oder Thromboseneigung oder ein Medikament Auslöser für die Beschwerden? Welche Arzneimittel müssen vor einer geplanten Operation abgesetzt, welche zusätzlich eingenommen werden? „Auch Hausärztinnen und -ärzte wenden sich mit speziellen Dia- gnostikfragen an uns“, ergänzt Jens Schriewer. Kleiner Piks, große Hilfe: Je nachdem, was entnommen wird, dauert die Blutspende zwischen 12 (Vollblut) und maximal 90 Minuten (Thrombozyten).

| 25 Reportage Stammzellen für Krebskranke In der Ambulanz wird Gerinnungspatientinnen und -patienten Blut für weitere Untersuchungen abgenommen. „Außerdem machen wir hier Aderlasstherapien bei Menschen, deren Eisenspeicher übervoll sind“, sagt Dr. Achenbach. „Indem wir ihnen regelmäßig Blut abnehmen, entfernen wir auch das Eisen aus ihrem Körper. Ziel ist es, so ihre Werte zu normalisieren.“ Eine weitere Behandlungsoption für Schwerkranke sind Stammzellen. Die Oberärztin erklärt: „Patientinnen und Patienten können die Stammzellen zum einen für sich selbst spenden. Diese werden in unserer benachbarten Stammzellbank in flüssigem Stickstoff tiefgefroren und der Patientin oder dem Patienten dann zum Beispiel nach einer hochdosierten Chemotherapie zurückgegeben. Zum anderen entnehmen wir auch Blutstammzellen von gesunden Spenderinnen und Spendern für deren Angehörige. Bei den Erkrankten sollen die fremden Stammzellen dann im Knochenmark anwachsen und dort neue Blutzellen bilden.“ Leukämiepatient Michael P. hatte bereits zwei dieser Stammzelltransplantationen – doch die Immunzellen des Spenders richteten sich gegen seinen Körper. Seine Haut rötete und entzündete sich, er bekam Muskelkrämpfe. Heute Vormittag hat Michael P. es sich mit seinem Tablet auf einer Behandlungsliege bequem gemacht. Die Sonne fällt durch die großen Fenster in den Therapieraum. In den folgenden drei Stunden werden die weißen Blutkörperchen aus dem Blut von Michael P. gesammelt, außerhalb des Körpers mit UV-ALicht bestrahlt und ihm dann per Infusion wieder übertragen. „So, als würde er die UV-Strahlung der Sonne abbekommen, aber ohne, dass seine Haut dazwischen ist“, vereinfacht Jens Schriewer den Vorgang, der ECP genannt wird – extrakorporale Photopherese. „Die bestrahlten Zellen lenken das überaktive Immunsystem ab und sorgen dafür, dass körpereigene Zellen nicht weiter geschädigt werden“, erklärt Dr. Achenbach. In drei bis vier Wochen kommt Michael P. wieder. „Dank der ECP geht es ihm deutlich besser“, weiß die Transfusionsmedizinerin. Zertifiziertes Hämophiliezentrum Die Hämostaseologinnen und Hämostaseo- logen der Transfusionsmedizin und der Kinder- und Jugendklinik des Uniklinikums Erlangen bilden zusammen das interdisziplinäre Hämophiliezentrum, das Erwachsene und Kinder mit schweren Blutgerinnungsstörungen betreut und versorgt – im Notfall rund um die Uhr. Blutspende am Uniklinikum Erlangen Weitere Informationen: www.uker.de/blutspende Video und Bilderserie: die neue Blutspendezentrale www.gesundheit-erlangen.com

26 | Medizin

| 27 Medizin Brennender Schmerz An welchen Symptomen lässt sich eine Blasen- infektion erkennen? Die Symptome einer bakteriellen Zystitis – so lautet die fachliche Bezeichnung – sind vor allem ein ziehender Schmerz beim Wasserlassen und der häufige Drang, zur Toilette zu gehen, obwohl die Blase bereits entleert ist. Oft wird ein Harnwegsinfekt auch begleitet von Schmerzen im Unterbauch bis hin zu Krämpfen. Darüber hinaus kann Blut im Urin sichtbar sein. Wodurch entsteht eine bakterielle Zystitis? Verursacht wird sie meistens durch eine Schmierinfektion, bei der an sich harmlose Darmkeime über die Harnröhre in die Blase gelangen und dort eine Entzündung hervorrufen. Auslöser ist in den meisten Fällen aber nicht mangelnde Hygiene, sondern Geschlechtsverkehr, durch den die Keime aus dem Darm in den unteren Harnwegstrakt verschleppt werden. Warum gilt eine Blasenentzündung als typisches Frauenleiden? Vor allem deshalb, weil sie bei Frauen häufiger auftritt. Das hat zum einen anatomische Gründe, da die Harnröhre des Mannes wesentlich länger ist, wodurch es Bakterien schwerer haben, zur Blase vorzudringen. Zusätzlich spielen auch Hormone eine wichtige Rolle. So kann zum Beispiel ein hormonelles Ungleichgewicht – wie es bei Frauen nach der Menopause entsteht – die Immunabwehr schwächen und ebenfalls Harnwegsinfekte begünstigen. Das heißt, Männer erkranken nur selten an diesem Infekt? Ja. Wenn, dann sind es vor allem ältere Männer mit einer Entzündung oder Vergrößerung der Prostata, bei denen Restharn in der Blase eine Infektion begünstigt. Bei jungen Männern ist eine Blasenentzündung eher ungewöhnlich und sollte entsprechend früher ursächlich abgeklärt werden. Wann muss eine Blasenentzündung urologisch behandelt werden? Falls sich der Infekt nach drei bis vier Tagen nicht spürbar bessert, ist in jedem Fall eine ärztliche Behandlung nötig: Auch die Hausärztin bzw. der Hausarzt kann eine Blasenentzündung therapieren. Eine erhöhte Temperatur ist grundsätzlich ein wichtiges Warnzeichen, dass sich eine Blasenentzündung kritisch entwickelt und schnellstmöglich ärztlich behandelt werden muss. Grundsätzlich ist eine Harnwegsinfektion trotz ihrer schmerzhaften Symptome aber eine → SPRECHSTUNDE Eine Blasenentzündung ist unangenehm und schmerzhaft. Schnelle Abhilfe versprechen sich viele Betroffene von einer antibiotischen Therapie. Warum diese aber oft gar nicht erforderlich ist, erklärt Urologin Dr. Verena Lieb. VON KERSTIN BÖNISCH Oberärztin Dr. Verena Lieb arbeitet seit 2010 in der Urologie des Uniklinikums Erlangen und leitet dort die Spezialsprechstunde für Inkontinenz und Interstitielle Zystitis – eine seltene chronische Form der Zystitis, die nicht durch Bakterien verursacht wird.

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