Gesundheit erlangen - Sommer 2022

16 | Titel DEMENZ Blutuntersuchungen, neue Bildgebungsverfahren und Medikamente könnten Diagnostik und Therapie revolutionieren. Doch viele Fragen sind noch offen. VON FRANZISKA MÄNNEL Wie sieht unsere Zukunft aus? Demenz bedroht unsere Zukunft, und zwar doppelt: Einerseits betrifft der kognitive Verfall die eigene, ganz persönliche Zukunft. Andererseits zählt die Alzheimer-Erkrankung zu den größten Herausforderungen, die Gesellschaft und Gesundheitswesen in den kommenden Jahrzehnten bewältigen müssen. „In den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren gehen die letzten Babyboomer der 50er- und 60er-Jahre nach und nach in Rente. Das bedeutet: Die Zahl älterer Menschen steigt und damit die Zahl der Demenzkranken“, erklärt Dr. Timo Oberstein, geschäftsführender Oberarzt der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik und Leiter der psychiatrischen Hochschulambulanz des Uni-Klinikums Erlangen. „In der Diagnostik der Alzheimer-Krankheit – der bedeutendsten Form der Demenz – sind wir schon sehr gut“, sagt Timo Oberstein. „Wo es noch Forschung braucht, ist im Bereich der Ursachen. Außerdem müssen wir besser darin werden, den Verlauf der Erkrankung vorherzusagen.“ Jahrzehnte bevor überhaupt Demenzsymptome auffallen, ist das Gehirn bereits verändert: Dort lagern sich Eiweiße ab, die nach und nach Nervenzellen zerstören. Dank des „Erlangen Scores“ – ein Messwert, der sich aus dem Nervenwasser (Liquor) im Rückenmarkskanal gewinnen lässt – wissen Forschende schon bis zu 20 Jahre im Voraus, ob jemand eines Tages dement wird. Wer erste kognitive Veränderungen wahrnimmt, kann sich im Erlanger Labor für Klinische Neurochemie und Neurochemische Demenzdiagnostik untersuchen lassen. Demenz im Blut „Wissenschaftlich ist in den letzten zwei Jahren viel passiert“, berichtet Dr. Oberstein. „Es gibt mittlerweile Hinweise darauf, dass sich die Demenz nicht nur im Nervenwasser, sondern auch im Blut gut nachweisen lässt. Die Möglichkeit, das Blut zu untersuchen, würde die derzeitige Diagnostik radikal verändern, denn das ist ein kleiner und einfacher Eingriff, den wir vielen Menschen anbieten könnten.“ Doch die klinische Umsetzung braucht Zeit. „Ich sehe die Gefahr, dass private Anbieter schon bald damit werben, das Demenzrisiko anhand von Blutproben zu bestimmen. Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt aber unseriös. Ich schätze, es wird noch mindestens fünf bis zehn Jahre dauern, bis die blutbasierte Demenzdiagnostik Routine ist“, sagt Dr. Oberstein. Demenz im Bild In den USA ist es schon heute üblich, Patientinnen und Patienten mittels Amyloid-Positronen-Emissions-Tomografie (Amyloid-PET) zu untersuchen. Dabei handelt es sich um ein nuklearmedizinisches

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