Gesundheit erlangen - Sommer 2022

Menschen | 33 23 Stunden Liegen täglich: Ute Mecks ME/CFS verschlechterte sich 2020 von der moderaten in die schwere Form, die nur noch eine Stunde Bewegung pro Tag zulässt. denlang nicht bewegen konnte, schob sie es auf die Epstein-Barr-Virusinfektion. Doch trotz ausgiebiger Erholung brach sie im Januar 2018 im Büro zusammen. Wegen ihres massiven Herzrasens wurde bei der dreifachen Mutter zunächst eine Panikattacke vermutet. „Hier half mir meine physiologische Grundausbildung“, betont Ute Meck.„Ich konnte den Kardiologen überzeugen, dass mein Herzrasen allein davon ausgelöst wurde, dass ich den Kopf hob – im Liegen waren alle Werte völlig normal.“ Mit der Diagnose Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS) kam sie nach Hause. Eine Fehlregulation des Kreislaufs: Betroffene leiden in aufrechter Körperhaltung unter Schwindel, Herzrasen und Kopfschmerzen. „Mein EKG zeigte im Stehen 190 Herzschläge pro Minute an“, berichtet Ute Meck. Krank, nicht erschöpft POTS gilt als eines von vielen ME/CFS-Symptomen. Gegen die Bezeichnung „Chronisches Erschöpfungssyndrom“ der bis heute kaum erforschten Krankheit argumentiert Ute Meck vehement. „Ich bin weder erschöpft noch dekonditioniert – ich bin krank!“ Ihre körperlichen Beschwerden sind omnipräsent: grippeähnliche Gliederschmerzen, Kopfweh bis zum Erbrechen, durch Sinnesreize ausgelöste Schmerzen und Schlafstörungen, die ihr maximal zwei Stunden Schlaf am Stück ermöglichen. Unmittelbar nach der POTS-Diagnose zeigte sich die Tücke ihrer Krankheit erneut: „Anfang 2018 kam ich wegen Darmverschluss etliche Male als Notfall in die Klinik. Doch bei jedem Eingriff zeigte sich das gleiche Bild: Mein Dickdarm war nicht verknotet, sondern gelähmt. Ein weiterer Ausfall in meinem Nervensystem, den die Krankheit auslöste.“ Weil es keine andere medizinische Lösung gab, musste der Dickdarm schließlich fast komplett entfernt werden. Seither ist „Mamas Prozedur“ Teil der morgendlichen Routine, wenn sich Ute Meck selbst einen Einlauf legt: „Meine einzige Möglichkeit, dem künstlichen Darmausgang zu entgehen.“ Früher beriet sie Einsatzkräfte von Militär, Feuerwehr und Polizei bei Krisen, heute nutzt die Psychologin ihre Kompetenz für sich selbst: Atemtechniken gegen das Grübeln während der schlaflosen Nächte, Disziplin in der Selbstfürsorge und positive Glaubenssätze gegen die Perspektivlosigkeit. „Ute – die Unverwüstliche“ ist auf ihrer alten Kung-Fu-Jacke zu lesen, und ihre innere Stärke ist bewundernswert. „Ich habe das Glück, nicht allein zu sein. Die Liebe zu meiner Familie trägt mich, deshalb konzentriere ich mich auf die schönen Momente.“ → *Was ist ME/CFS? ME/CFS ist eine bislang unzureichend verstandene Krankheit, die sich u. a. durch Fatigue (krankhafte Schwäche bzw. Erschöpfung), Schmerzen, kognitive Störungen und erhöhte Infektanfälligkeit auszeichnet. Als Kernsymptom gilt eine Belastungsintoleranz, also eine Zustandsverschlechterung nach körperlichen oder geistigen Aktivitäten. Die Symptome können sehr lange bestehen und die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Viele Patientinnen und Patienten können ihren Beruf nicht mehr ausüben oder sind gar bettlägerig und pflegebedürftig. Schätzungen zufolge haben in Deutschland etwa 300.000 Menschen – Erwachsene, Jugendliche und Kinder – ME/CFS. Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

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