Gesundheit erlangen - Frühling 2023

Fortsetzung von S. 35 sie sich. „Mein Mann Christoph hat es mir dann abgenommen, sie vollständig abzurasieren und für mich sogar einen Spaß daraus gemacht. Er brachte mir verschiedene Basecaps zum Probieren, bestärkte mich mit Sätzen wie ‚Damit siehst du cool aus‘ oder ‚So wirkst du viel jugendlicher‘ und machte viele Fotos. Er gab dem schlimmen Prozedere ganz viel positive Stimmung, obwohl ich von den Strapazen der Chemo schon sichtlich angeschlagen war. Während der gesamten Behandlung hat Christoph mich in allen Stadien fotografiert – das hat mir sehr geholfen. Vor allem die Bilder, auf denen ich mich ganz schrecklich schwach und hässlich fand, zeigten mir: Ich kann lernen, mich selbst so zu akzeptieren, wie ich mich nie sehen wollte.“ Ärztin an ihren Grenzen Als nach einigen Wochen erste Komplikationen auftraten – eine Thrombose amVenenzugang, häufige Infektionen und eine drohende Lebervergiftung durch die starken Medikamente – spürte Katharina Heller, dass ihr die eigene medizinische Kompetenz nicht mehr weiterhalf. „Die körperlichen Nebenwirkungen konnte ich selbst gut behandeln. Aber ich war nicht in der Lage, mich zu beruhigen und mir Mut zu machen.“ Ein einschneidendes Erlebnis war für sie ein Moment beim Warten auf die nächste Infusion. „Ich sah mich dort plötzlich selbst sitzen; in der Leidensgemeinschaft mit den anderen Frauen, jede auf eine andere Weise eingeschränkt und von der Krankheit gezeichnet. Das war eine brutale Erkenntnis: Ich bin genauso schwer krank wie sie und fühle mich genauso elend und schwach. Mein ärztlicher Beruf spielt hier keine Rolle mehr.“ Die Medizinerin, die sich bis dahin fröhlich und optimistisch kannte, gestand sich die eigene Überforderung im Umgang mit der Erkrankung schließlich ein und fand dank psychologischer Unterstützung neue Kraft. Zuvor musste sie lernen, den Krebs und ihren Status als Patientin anzunehmen: „Meine ärztliche Kompetenz abzugeben und dem behandelnden Team zu vertrauen– das war für mich kein leichter Schritt.“ Rückblickend sieht die Oberärztin ihr persönliches Krankheitserleben als emotionale Weiterbildung, um die von ihr behandelten Menschen noch besser zu verstehen. Im Dezember 2021 hatte sich der Tumor trotz monatelanger intensiver Chemotherapie nicht vollständig zurückgebildet. Katharina Heller entschied schnell: „Ich habe mich schon frühzeitig über eine Brustamputation informiert und diese dann noch vor Weihnachten vornehmen lassen. Nach vier Wochen begann ich schon Mitte Januar 2022 wieder zu arbeiten, bis ich Anfang März die plastische Eigengewebsrekonstruktion meiner Brust erhielt.“ Auch nach diesem Eingriff gönnte sich Katharina Heller nur sechs Wochen Erholung: Seit Mitte Mai 2022 ist die Oberärztin wieder voll im Dienst, und das, wenn erforderlich, auch mal zehn bis zwölf Stunden täglich, wie vor ihrer Erkrankung. „Mein Mann und mein Beruf sind die beiden starken Säulen meines Lebens“, kommentiert sie. „Meine Arbeit macht mir viel Freude, deshalb empfinde ich lange Dienstzeiten nicht automatisch als Belastung.“ Die Oberärztin mit Perücke im Januar 2022: Diese Frisur trug sie auch vor dem Verlust ihrer Haare. 36 | Menschen

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