Gesundheit erlangen - Winter 2023/24

| 37 Medizin KOLUMNE – KLEINE SP[R]ITZE Wird unser Schlaf umso miserabler, je besser und erholsamer wir ihn haben wollen? VON FRANZISKA MÄNNEL Sie schlafen überdurchschnittlich schlecht! Während die Menschen in Spanien durchschnittlich kurz nach halb acht aus den Federn kriechen und mittags in ihre Siesta dösen, klingelt der Wecker der Durchschnittsdeutschen schon um 6.23 Uhr. Stellvertretend betitelte sich Sachsen-Anhalt stolz als „Land der Frühaufsteher“. Das Nickerchen zwischendurch wird hierzulande zwar von vielen herbeigesehnt, bleibt aber gesellschaftlich verpönt. Ein Schlafbedürfnis zu haben, scheint ein Makel zu sein in der Leistungsgesellschaft, in der die To-do-Liste lang und der Freizeitstress groß ist. Geschlafen wird also bitte nur nachts und das so effizient wie möglich: sechs bis sieben Stunden, gern auch kürzer, mit der Schlafbrille auf den Augen, zwei Silikon-Ohrstöpseln in den Gehörgängen, bei idealen 17 bis 18 Grad, vor einem abdunkelnden und geräuscheliminierenden Akustikvorhang, auf der antiallergenen 85-Zonen-HightechMatratze und dem Perfect-adapt-Kopfkissen. Beobachtet werden wir dabei von einer Schlaf-App, die uns am nächsten Morgen in einem Wort sagt, wie wir genächtigt haben: schlecht. Wer seine Schlafperformance erhöhen möchte, kann sich neuerdings auch den Mund zukleben. Mouthtaping heißt das und bedeutet, dass man mit einem Pflaster über dem Mund ins Bett geht, um nachts die Nasenatmung zu erzwingen, die zu mehr Sauerstoff im Blut und zu mehr Regeneration führen soll. Bebrillt, verstöpselt und zugeklebt liegen wir also auf unseren Hightechmatten, vielleicht beschwert von einer dieser angesagten Gewichtsdecken, die um die zehn Kilo wiegen und uns das Gefühl geben sollen, noch einmal wie ein Baby an die Brust der Mutter gedrückt zu werden. Hach, beklemmend – pardon, beruhigend. So liegen wir also da, freiwillig, und sind trotz aller Optimierung oft – schlaflos. Wer sich beschwert über das Beschwertsein, hat einfach noch nicht das richtige Produkt gefunden. Also: Weitersuchen! Oder einfach unbeschwert weiterschlafen. Herzlichen Glückwunsch an alle, die das (noch) können! Mindestens 20 Prozent der Deutschen haben den erholsamen Nachtschlaf, jedenfalls Befragungen zufolge, verlernt und geraten angesichts der Unfähigkeit, sich schnell zu erholen, noch mehr unter Stress. Dabei ist Schlaf keine reine Sich-selbst-wieder-leistungsfähig-Machung! Schlaf ist eine biologische Notwendigkeit und Teil unseres Rechts auf körperliche und geistige Gesundheit. Er sollte also genüsslich ausgekostet und nicht durchökonomisiert werden. Wer schlecht schläft, kann sich fragen: Erlebe ich am Tag genügend Angenehmes, um ganz automatisch in eine wohlige Nachtruhe zu finden? Habe ich gute (abendliche) Gewohnheiten? Sprich: Beizeiten Fernseher aus, Handy weg, die Weinflasche zu lassen und stattdessen einen Spaziergang machen oder eine Runde Yoga. Danach rechtzeitig ins Bett. Die notwendige Schlafdauer ist dann ganz individuell. Während die eine sieben Stunden braucht, um ausgeruht zu sein, schlummert ein anderer eben neun. Die eine wird um 21.30 Uhr, der andere erst um 0 Uhr müde. Belohnt wird, wer dem eigenen Rhythmus folgt. So schlafen etwa Menschen, die im Homeoffice arbeiten, durchschnittlich länger und besser als die, die morgens ins Büro hetzen. Tagsüber sind die „Homeworker“ seltener müde, weil sie sich stärker nach ihrer inneren Uhr richten. Vor allem Eulen profitieren von dem nach hinten verschobenen Tagesbeginn. Ausgeschlafene sind zufriedener und gesünder. Und übrigens – auch produktiver. Würden Sie auch gern länger und besser schlafen? Was tun Sie dafür? E-Mail: franziska.maennel@uk-erlangen.de

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